Republik Fidschi: Putsch und Ausnahmezustand
Chronologie Mai 2000
10. Juni
Die Sonntagszeitungen melden am 11.06.2000, dass George Speight nicht bereit sei, die Geiseln frei zu lassen. Auch eine Delegation der Stammesführer des Inselstaats konnte ihn dazu nicht bewegen. Speight sei aber bereit, die Nominierung für einen neuen Präsidenten einer Übergangsregierung durch den Stammesrat zu unterstützen. Dies könnte der frühere Präsident Ratu Josefa Iloilo sein.
6. Juni 2000
Putschistenführer George Speight wird nach dem Willen der fidschianischen Streitkräfte nicht an einer neuen Regierung beteiligt. Der neue Militärmachthaber Frank Bainimarama sagte am Montag (5. Juni), er habe dies den Rebellen klar gemacht. Außerdem werde er nicht weiter auf Forderungen von Speight und seinen Männern eingehen. Die Streitkräfte boten den Putschisten eine Amnestie an, unter der Vorraussetzung, dass die Männer ihre seit über zwei Wochen im Parlament festgehaltenen Geiseln freilassen und sich ergeben.
Bainimarama erklärte, Speight könne nicht die Kontrolle über Fidschi erhalten, weil dies im In- und Ausland für Aufregung sorgen würde. Militärsprecher Oberstleutnant Filipo Tarakinini sagte, die Streitkräfte würden für bis zu drei Monate die Macht in den Händen halten, bis Recht und Ordnung wiederhergestellt seien. Der Stammesrat der eingeborenen Fidschianer könnte dann bei der Wahl einer Übergangsregierung eine Rolle spielen. Speight verweigerte am Montag die Teilnahme an Gesprächen mit den Streitkräften und erklärte, die Militärführung müsse nun auf ihn zukommen. "Ich kann so lange warten, wie nötig", sagte er bei einer Pressekonferenz.
Speight hat mit sechs Gefolgsleuten am 19. Mai den ersten indischstämmigen Ministerpräsidenten Fidschis, Mahendra Chaudhry, und sein Kabinett als Geiseln genommen. Sein Ziel ist, den Einfluss der indischen Minderheit zu Gunsten der melanesischen Eingeborenen zu beschneiden.
Aus: Tagesspiegel, 07.06.2000
29. Mai 2000
Am 29. und 30. Mai berichteten Agenturen aus Suva, dass die Armee die Macht übernommen und das Kriegsrecht verhängt hätte. Präsident Ratu Sir Kamisese Mara wurde von Armeechef Frank Bainimarama am Montag de facto für abgesetzt erklärt.
Nach wie vor halten die Putschisten unter George Speight im Parlament den bisherigen Premier Mahendra Chaudhry sowie mehr als 30 Abgeordnete als Geiseln fest. In der Nacht zum Montag (28./29. Mai) war es in der Hauptstadt zu schweren Unruhen gekommen. Mehr als hundert Anhänger des Putschistenführers zogen mit Waffen durch die Straßen und drangen in die Studios des staatlichen Fernsehens ein. Ein Polizist wurde getötet. Am Montag erhielten die Putschisten weiter Zulauf.
Der Armeechef erklärte am Montag in einer Ansprache, er habe nur "widerwillig die Exekutivgewalt angenommen". Diplomaten äußerten aber die Erwartung, dass der Armeechef sich selbst zum Premier ernennen werde. Mit dem Präsidenten hatte Bainimarama kurz vor seiner Rede gesprochen, so dass es auch Vermutungen über eine konzertierte Aktion gab. Ein Sprecher des Präsidenten erklärte, Mara sei freiwillig zurückgetreten.
Für die Hauptstadt verhängte das Militär eine Ausgangssperre, die zunächst auf 24 Stunden begrenzt wurde. Die Soldaten erhielten einen Schießbefehl. Sie bezogen strategisch wichtige Stellungen in der Stadt und errichteten Straßensperren. Das Parlamentsgebäude, wo sich die Putschisten verschanzt hielten, wurde abgeriegelt.
25.05.2000
Am 26.05.2000 berichtete Urs Wälterlin aus Sydney über den Fortgang der innenpolitischen Krise auf den Fidschi-Inseln u.a. (Süddeutsche Zeitung):
"Das Konzil der Häuptlinge auf den Fidschi-Inseln hat am Donnerstag (25.05.00) die Auflösung der Regierung von Ministerpräsident Mahendra Chaudhry empfohlen. Damit scheint der Geschäftsmann George Speight vorläufig sein Ziel eines Umsturzes erreicht zu haben. Das Konzil teilte mit, es habe mit Präsident Kamisese Mara einen Kompromiss ausgehandelt, wonach die Regierung für drei Jahre interimistisch ersetzt werden soll. Premierminister Chaudhry werde durch einen indigenen Bewohner Fidschis abgelöst. Zuvor müsse er aber von den Putschisten freigelassen werden und abdanken. Speight und seine Anhänger würden für den Coup nicht zur Verantwortung gezogen. Speight hatte am Freitag voriger Woche mit einer Gruppe bewaffneter Männer das Parlament gestürmt und hält seither 30 Personen als Geiseln, unter ihnen Premier Chaudhry sowie mehrere Minister. Der erste indisch-stämmige Regierungschef Fidschis wurde schon mehrmals misshandelt und mit dem Tode bedroht. Speight erklärte die Verfassung für aufgelöst, da sie die indigene Mehrheit in Fidschi benachteilige. Während es in der Hauptstadt Suva zu Plünderungen und Brandschatzung indischer Geschäfte kam, wuchs die Anhängerschaft Speights an.
Chaudhrys Laborpartei hatte vor einem Jahr bei einer ordentlichen Wahl die Macht übernommen. Speight behauptet, die indische Minderheit in Fidschi würde die Rechte der indigenen Bewohner des Inselstaates beschneiden. Die Nachkommen indischer Plantagenarbeiter kontrollieren heute wesentliche Teile der Wirtschaft in Fidschi und pachten Boden von den Ureinwohnern. Speight will nun Indern das Wahlrecht entziehen.
Experten meinten, die Stammesführer hätten bei dem Beschluss nicht an die Reaktion der internationalen Gemeinschaft gedacht. Australien, traditionell ein enger Verbündeter von Fidschi, reagierte auf die Nachricht aus Suva mit Empörung. Außenminister Alexander Downer meinte, er werde einen erzwungenen Rücktritt des demokratisch gewählten Chaudhry "nicht akzeptieren" und gegen Fidschi "wirtschaftliche und politische Sanktionen" durchsetzen. Beobachter sagten, Chaudhry werde nicht freiwillig von seinem Amt zurücktreten. "Er ist ein sehr starker Mann", sagte ein früherer Ministerkollege.
Das Urteil der Häuptlinge hat die Situation der Inder in Fidschi weiter verschärft. Am Donnerstag wurden mehrere Häuser geplündert und in Brand gesteckt. Die Ausschreitungen haben sich inzwischen auf andere Regionen der Republik ausgedehnt."
24.05.00
Am 24.05.00 erschien nachfolgender Artikel in der "jungen welt", der auch versucht, die Hintergründe des Konflikts auszuleuchten.
Meuterei der Insulaner
Lage in Fidschi weiter angespannt. Vier Geiseln freigelassen
Die Lage auf den Fidschi-Inseln in der Südsee bleibt weiter
angespannt. Allerdings zeichnet sich nach dem zivilen
Putschversuch von Ende voriger Woche nun ein Ausweg ab.
Präsident Ratu Sir Kamisese Mara sagte am Montag zu, in jedem
Fall die Regierung austauschen zu wollen, egal, wie sich die
Putschisten weiter verhielten und wie die Blockade im
Parlament sich entwickle. Dort verschärfte sich ebenfalls am
Montag die Lage, als die Rebellen den gefangenen Premier
Mahendra Chaudhry direkt mit einer Waffe bedrohten. Am
Dienstag verurteilte der einflußreiche Rat der Stammesführer
auf den Fidschi-Inseln den Putschversuch in deutlichen
Worten. Die Putschisten ließen unterdessen vier Geiseln
gehen, zwei Ärzte und zwei Abgeordnete.
Die Aufständischen erhielten Zulauf von Teilen der Armee,
deren Führung sich gleich zu Beginn des Putschversuches
allerdings auf die Seite der gewählten Regierung gestellt hatte.
Wie die Kräftekonstellation in der Republikshauptstadt Suva
derzeit aussieht, vermag niemand zu sagen.
Hinter dem Putsch, der von einer Gruppe ziviler
Aufständischer um George Speight ausgeht, steht der Konflikt
zwischen den beiden großen Bevölkerungsgruppen. Seit bei
der letzten Wahl der indischstämmige Mahendra Chaudhry mit
Unterstützung der Labour Party und zwei anderer Mitte-
Links-Parteien an die Macht kam, haben sich die Spannungen
zwischen den »einheimischen« Fidschianern und den
Nachkommen der ehemals aus Indien von den Briten geholten
Fremdarbeiter verstärkt. Erstere stellen mit 51 Prozent die
knappe Mehrheit, zweite stellen etwa 44 Prozent der
Bevölkerung, und Chaudhry war in der Geschichte des Landes
der erste Indischstämmige, der in dieses Amt gelangte.
Politisch läuft die Konfliktlinie zwischen den eher
linksorientierten Indern und den zumeist eher konservativ
orientierten indigenen Gruppen.
George Speight, die schillernde Anführerpersönlichkeit der
Rebellen, über deren Gruppenstruktur kaum etwas bekannt ist,
kann allerdings für sich selbst keine reine melanesische
Abstammung in Anspruch nehmen, in seinen Adern fließt zum
Teil europäisches Blut. Seine Ankündigung von
Wochenbeginn, im Falle einer Kritik durch den »Großen Rat
der Chiefs« als Chef zurücktreten zu wollen, hat er
mittlerweile relativiert. Zwar hat dieses traditionelle Gremium
große Autorität bei allen Fidschianern, aber Speight wird in
den wenigen verläßlichen Berichten als undurchsichtige
Persönlichkeit hervorgehoben. Der Geschäftsmann, der als
politisch naiv wie auch äußerst ambitioniert gilt, war von
Chaudhry einst seines Amtes als Chef zweier Großfirmen
enthoben worden. Nun hat er sich offenbar die
Oppositionsstimmung bestimmter Bevölkerungsteile gegen die
Politik der Mitte-Links-Koalition zunutze gemacht.
Umstürze sind auf Fidschi, einem der tropischen
Inselparadiese im Pazifik, nichts generell Neues, der letzte liegt
13 Jahre zurück. Besorgt haben sich mehrere Staaten von der
Entwicklung gezeigt. Allen voran Indien, Australien,
Großbritannien und das Commonwealth. Sie forderten die
schnelle Rückgabe der Macht an die gewählte Regierung
Chaudhry.
Australien hat einen Vermittler gesandt, und auch
die indische Regierung versucht über ihre Kanäle, Einfluß zu
nehmen. Die südasiatische Großmacht nimmt großen Anteil an
den Vorgängen auf der weit entfernten Insel, gibt es doch zu
den indischstämmigen Bevölkerungsteilen noch immer
zahlreiche verwandtschaftliche Beziehungen. Seit knapp einer
Woche vergeht kein Tag, an dem die Entwicklungen auf
Fidschi nicht die Titelseiten der indischen Zeitungen füllen.
Die Südseerepublik, aus mehr als 300 Inseln bestehend und
von etwa 780 000 Menschen bewohnt, wurde 1643 von
holländischen Seefahrern erstmals besucht. Maßgeblich geht
ihre Bekanntheit allerdings auf die berühmte Meuterei auf der
»Bounty« zurück, deren Beteiligte sich teilweise dort
niederließen. Im Gefolge gab es die ersten Unruhen, 1874
machten die Briten Fidschi zur Kolonie. Heute führt der
Inselstaat die winzigen Pazifikrepubliken an; in Suva
befindet sich unter anderem die einzige Universität, die die
Region aufzuweisen hat. In der Hauptstadt sowie einer
weiteren Metropole lebt ein Drittel der Inselbewohner.
Wirtschaftlich lebt das Land unter anderem von den
Einkünften der Zucker- und Kokosplantagen. 460 000 Tonnen
beträgt mittlerweile die jährliche Zuckerproduktion. Schon zu
Kolonialzeiten war diese bedeutend, weshalb die Briten
zwischen 1879 und 1916 Zehntausende Fremdarbeiter aus
Indien holten. Ihre Kultur mischte sich mit der der
einheimischen Melanesier und Polynesier, und lange Zeit galt
das 1970 unabhängig gewordene Fidschi als Positivbeispiel im
Zusammenleben von Christen, Hindus, Sikhs und Muslimen,
gleichwohl indisch- und polynesischstämmigen Gruppen. Die
Indo-Fidschianer sehen das Land als ihre Heimat, nach acht
Jahrzehnten hat auch das Hindi auf der Insel gegenüber der
indischen Muttersprache viele andere Klangfarben
angenommen.
Nachdem die Inder allerdings zeitweise sogar eine Mehrheit
gestellt hatten, zeigte sich in den letzten Jahren mehrfach, daß
das Zusammenleben der beiden Bevölkerungsteile so
spannungsfrei doch nicht ist. Die Inder hatten die Wahl
Chaudhrys beim jüngsten Urnengang bejubelt, die Mehrzahl
der »Ureinwohner« sympathisiert jetzt allerdings offen oder
heimlich mit den Aufständischen. Selbst wenn die de-facto-
Geiselnahme der Regierung durch die Gruppe um Speight
friedlich beendet werden kann, bleibt die Frage, wie sich das
Zusammenleben der beiden Bevölkerungsteile künftig
gestalten soll.
Noch immer ist nicht klar, wie sich die einzelnen
gesellschaftlichen Gruppen positionieren: Mehrere
Gewerkschaften, Polizei und Armeespitze jedenfalls hatten
gleich zu Beginn der Krise ihre Loyalität zur gewählten
Staatsführung bekundet.
Thomas Berger
Aus: junge welt, 24.05.2000
19.Mai 2000
Sieben bewaffnete Männer haben am Freitag, den 19. Mai 2000 mit einem "zivilen Putsch" die Macht in der Südseerepublik Fidschi übernommen. Der vor einem Jahr gewählte Premierminister Mahendra Chaudhry wurde zusammen mit einigen seiner Minister gefangen genommen. Verantwortlich für den Putsch sind fidschianische Nationalisten unter Führung des Geschäftsmanns George Speight. Kurz nachdem Chaudhry Premier geworden war, hatte er George Speight als Vorsitzenden der staatlichen Holzverwertungs-Gesellschaft entlassen. Speight wurde darauf entschiedener Gegner von Chaudhry. Die Putschisten proklamierten in der Hauptstadt Suva eine Übergangsregierung unter Oppositionspolitiker Ratu Timoci Silatolu.
Staatspräsident Ratu Sir Kamisese Mara (von 1970 bis 1987 Premierminister) rief den Ausnahmezustand aus und bezeichnete den Aufstand als ungesetzlich. Zunächst war noch unklar, wen die Streitkräfte unterstützen würden. Die Armee besteht aus 2.670 Mann und ist nur mit leichten Waffen ausgerüstet.
Die politische Unsicherheit hat in der von 200.000 Menschen bewohnten Hauptstadt Suva schwere Unruhen ausgelöst. Nach Agenturberichten wurden Dutzende Geschäfte, die meist in indischer Hand sind, geplündert und zahlreiche Läden angesteckt.
"Selbstbestimmung für Fidschianer sichern"
Die neue Regierung solle die "Selbstbestimmung" der fidschianischen Mehrheit sichern, sagte Speight vor laufenden Fernsehkameras. Bei der Geiselnahme waren Warnschüsse abgefeuert, aber niemand verletzt worden. Chaudhry und seine Minister wurden am Freitagabend (Ortszeit) immer noch in Räumen des Parlaments gefangen gehalten. Der "zivile Putsch" sei "im Namen der eingeborenen Bevölkerung" unternommen worden, sagte Speight, dessen Vater Sam Abgeordneter der Opposition ist.
Dem Putsch waren Demonstrationen gegen die Regierung vorausgegangen. Zuletzt waren mehr als 5000 Menschen gegen den Regierungschef Chaudhry auf die Straße gegangen. Chaudry hatte 1999 die Wahlen gewonnen und den fidschianischen General Sitiveni Rabuka im Amt abgelöst, der 1987 nach einem Putsch an die Macht gekommen war. Rabuka nahm jetzt auch Verhandlungen mit den Putschisten auf.
Auswärtiges Amt warnt Reisende
Der Tourismus, eine der wichtigsten Einnahmequellen des Inselstaates, war bisher nicht betroffen. Die meisten Touristengegenden sind mindestens zwei Autostunden von Suva entfernt. Das Auswärtige Amt warnt jedoch vor Reisen in die Republik Fidschi. Ein Sprecher sagte in Berlin, die Lage in der Inselrepublik sei derzeit unübersichtlich.
Zusammengestellt nach Presseberichten 20. Mai 2000
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