Unter dem Titel "Fidschi: Justizstreit um Staatsführung" berichtete Thomas Berger am 23. Februar 2001 in der jungen welt über den Fortgang der seit neun Monaten andauernden Staats- und Regierungskrise auf den Fidschi-Inseln mitten im Pazifik.
Die Bewohner Fidschis blicken derzeit erwartungsvoll auf die Richter, die zur Rechtmäßigkeit der Regierung und zum Putsch im Frühling vergangenen Jahres das vorerst letzte Wort haben. Eine Jury des Appellationsgerichts befaßt sich nach der Klage eines Bauern mit den politischen Unruhen, die den pazifischen Inselstaat seit dem 19. Mai 2000 erschüttern. An jenem Tag hatte eine Gruppe um den Geschäftsmann George Speight in einem Coup die Macht an sich gerissen. Nach einiger Zeit griff das Militär ein und verfügte die Einsetzung einer Interimsregierung, derweil der gestürzte Premier Mahendra Chaudhry weiterhin um seine Rückkehr ins Amt kämpfte. Er hatte die erste ethnisch gemischte Regierungskoalition der Republik angeführt. Seit seiner Rückkehr ins Land, der Verhaftung und Anklage Speights sowie weiterer Entwicklungen gibt es eine Art Doppelherrschaft - Chaudhry und seine Anhänger sehen ihre gestürzte Regierung als weiterhin einzig rechtmäßige an, seine Gegner die amtierende.
Das Verwirrspiel soll nun von den Juristen beendet werden. Zentrale Frage, die die Richter zu entscheiden haben, ist die nach dem Fortgelten der multiethnischen Verfassung von 1997, die eine Machtteilung zwischen den mehrheitlichen, polynesischstämmigen Alt-Fidschianern und der 44-Prozent- Minderheit indischstämmiger Neu-Fidschianer vorsah.
Chaudhry war der erste Regierungschef mit indischer Abstammung, was zu Protesten bei zahlreichen Ureinwohnern der Insel führte. Inzwischen haben viele Indischstämmige das Land in Richtung der großen Nachbarn Australien und Neuseeland verlassen, noch mehr sind aus ihren Heimatdörfer in scheinbar sichere Gegenden geflohen.
Für Überraschung hatte im Januar Ex-Premier Sitiveni Rabuka mit seiner Äußerung gesorgt, er unterstütze die Verfassung von 1997. Rabuka, Vorgänger Chaudhrys im Amt und selbst früher Aktivist bei der Beschneidung der Rechte für die indischstämmige Minderheit, hat offenbar einen Wandlungsprozeß durchlebt. Im Mai 2000 noch als eigentlicher starker Mann hinter dem Putsch vermutet, distanzierte er sich schon kurz darauf recht deutlich von Speight, der letztlich auch in der Armee keine Unterstützung mehr fand. Vielmehr riefen die Militärs im Sommer selbst den Ausnahmezustand aus und setzten eine Interimsregierung ausschließlich aus Alt-Fidschianern ein.
Die Generäle sind nun auch die große Unbekannte im Machtpoker um die Rechtmäßigkeit des einen oder des anderen Premiers. Für Unmut und Unruhe hat bereits die Ankündigung des Oberkommandierenden, Commodore Frank Bainimarama, gesorgt, er werde das Gerichtsurteil nicht in jedem Fall akzeptieren. »Ein solcher Schritt ist abhängig von der Situation«, so der im Prinzip wichtigste Mann im derzeitigen politischen Machtgefüge auf der Insel. Will heißen: Wenn ihm und seinen Getreuen der Richterspruch nicht paßt, wird es keine Rückkehr der alten Regierung geben.
Thomas Berger
Aus: junge welt, 23. Februar 2001