Republik Fidschi: Putsch und Ausnahmezustand
Chronologie ab Juli 2000
29. Juli 2000
Vereidigung der neuen Regierung in Fidschi - Weitere Kämpfe und Ausschreitungen
In Fidschi ist zehn Wochen nach Ausbruch der Staatskrise eine neue Regierung vereidigt worden. Der neue Premierminister Laisenia Qarase kündigte an, dass seine Übergangsregierung zwei bis drei Jahre im Amt bleiben werde, bevor Neuwahlen stattfänden. Gleichzeitig kam es in der Stadt Labasa auf der zweitgrössten Insel Fidschis, Vanua Levu. zu Kämpfen zwischen Anhängern des inhaftierten Putschistenführers Speight und der Armee. Ausserdem gab es Ausschreitungen gegen Indischstämmige im Ort Korovou auf der Hauptinsel Viti Levu in der Heimatprovinz Speights. Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen hatte Präsident Ratu Josefa Iloilo am Vormittag die Regierung vereidigt. Die Vereidigung der Regierung gilt als Indiz dafür, dass Speight und seine Gruppe zumindest vorläufig im Machtkampf unterlegen sind. In der vorigen Woche war die Vereidigung abgesagt worden, weil die Rebellen einen anderen Premierminister wollten und nur vier Vertreter in der Regierung hatten. Im neuen Kabinett sind sie nicht vertreten. Der aus 28 Mitgliedern bestehenden neuen Regierung gehört aber nur ein einziger indischstämmiger Minister an.
Aus: Neue Zürcher Zeitung, 29.07.2000
28. Juli 2000
Fidschi-Armee geht gegen Rebellen vor
Mit der Verhaftung des Rebellenführers George Speight und Hunderten seiner Anhänger hat die Armee in Fidschi in der nun zwei Monate dauernden Staatskrise eine Wende eingeleitet. Speight hatte in der Nacht zum Donnerstag versucht, eine Armeesperre zu durchbrechen. Dabei wurden er, sein Pressesprecher, sein Anwalt und ein Leibwächter festgenommen. Am frühen Morgen schlug die Armee ein weiteres Mal zu: Sie stürmte eine Schule, die als Treffpunkt der Anhänger Speights diente. Bei der Attacke wurden etwa 40 Menschen verletzt. Ein Mann starb an den Folgen des Einsatzes von Tränengas. 369 Personen wurden verhaftet. Der fidschianische Armeechef Filipo Tarakinikini erklärte, Speight bleibe bis auf weiteres in Haft. Dem Rebellenführer droht eine Anklage wegen Hochverrats und - zumindest nach der Rechtslage - die Todesstrafe.
Putschisten unter Führung von Speight hatten am 19. Mai das Parlament in der Hauptstadt Suva gestürmt und zahlreiche Regierungsmitglieder als Geiseln genommen. Erst 56 Tage später wurden die Gefangenen, unter ihnen der indisch-stämmige Premierminister Mahendra Chaudhry, freigelassen. Die Putschisten fordern mehr Einfluss für die Ureinwohner, die eine knappe Mehrheit der Bevölkerung stellen. Etwa 43 Prozent der Einwohner sind Nachfahren von Indern, die von der früheren Kolonialmacht Großbritannien im 19. Jahrhundert ins Land geholt worden sind.
Politische Beobachter hatten erwartet, dass die Armee früher oder später hart durchgreifen würde. Als eine der international angesehensten Institutionen im Pazifik hat das Militär in Fidschi eine lange Tradition der Treue zur Demokratie. Die Armee hielt sich während der Geiselnahme zurück, um das Leben der Gefangenen nicht zu gefährden. Es wird nun vermutet, dass die Soldaten in den kommenden Tagen verstärkt versuchen werden, auf den Inseln von Fidschi die Ruhe wieder herzustellen.
Aus: Süddeutsche Zeitung, 28.07.2000
22. Juli 2000
Fidschi vor Spaltung?
Fidschi könnte in naher Zukunft zwei parallele Regierungen
haben oder sogar als Staatsverband auseinanderbrechen.
Diese düsteren Perspektiven deuten sich nach den aktuellen
Entwicklungen in der immer noch krisengeschüttelten
pazifischen Inselrepublik an. Während weder die neue
32köpfige Regierung noch der neu eingesetzte Präsident
offiziell ihre Ämter übernommen haben, gibt es bereits einen
neuen Konflikt mit den Rebellen um Putschistenführer George
Speight. Zusätzlich arbeitet der von diesem am 19. Mai
gestürzte rechtmäßige Premier Mahendra Chaudhry mit
seinen Getreuen auf der westlichen Insel Viti Levu an eine
Strategie, die möglicherweise in einer »Exilregierung« münden
könnte. Selbst die Abspaltung Viti Levus,
Hauptsiedlungsgebiet der ethnischen Inder in der 320 Inseln
umfassenden Republik, wird nicht völlig ausgeschlossen.
Der vom Militär eingesetzte neue Regierungschef Laisenia
Quarase weigerte sich bisher, sein Amt anzutreten und lehnte
ein Treffen mit dem Rebellenchef am Donnerstag kategorisch
ab. Speight reagierte verwundert, weiß aber vor allem den
ebenfalls neuen Präsidenten Josefa Iloilo hinter sich. Auch
dieser hat seine Amtsgeschäfte noch nicht übernommen, weil
er für einen stärkeren Einschluß von Rebellenführern in die
neue Regierung plädiert. Obwohl Iloilo wie Quarase mit dem
Rückhalt der Armee eingesetzt wurden, die zwischenzeitlich
die Macht im Land übernommen und die Ordnung halbwegs
wieder hergestellt hatte, baut sich zwischen beiden ein Konflikt
auf. Längst wird die Gefahr an die Wand gemalt, die
Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen könnte ausgesetzt
werden und das Militär wieder eigenhändig die Regentschaft
übernehmen.
Wirtschaftlich macht sich die Dauerkrise, die nun schon
zwei Monate in dieser Form anhält, immer katastrophaler
bemerkbar. Die Gaspreise wurden jetzt um zehn Prozent
angehoben, der sechsprozentige Wirtschaftsaufschwung vor
dem Coup im Mai hat sich in einen 13prozentigen Rückgang
verwandelt, die Arbeitslosigkeit sich auf gut 15 Prozent
verdoppelt. Hinzu kommen Exporteinbußen von 20 und mehr
Prozent, weil sich in Australien und Neuseeland die
Gewerkschafter nach wie vor größtenteils weigern, in den
Häfen Waren aus Fidschi umzuschlagen. Die Militärführung
sah sich deshalb auch gezwungen, den Staatsangestellten ihre
Gehälter um 12,5 Prozentpunkte zu kürzen, um den
wirtschaftlich-finanziellen Niedergang abzufedern.
Hintergrund des Mitte Mai ausgebrochenen, aber schon
länger schwelenden Konfliktes ist die Machtverteilung
zwischen der polynesischstämmigen Bevölkerungsmehrheit
und der indischstämmigen Minderheit, mit dem gestürzten
Mahendra Chaudhry von der erstmals ein Vertreter ins
Premierministeramt gelangt war. Ziel der Rebellen um George
Speight, die sich auf Teile von Armee und Polizei stützen
können, ist das Verbot für Inder, höchste Ämter einzunehmen.
Thomas Berger
Aus: junge welt, 22. Juli 2000
19. Juli 200
George Speight zeigt sich noch nicht zufrieden mit der neuen Regierung.
Neuer Putsch angedroht
Am Dienstag, 18.07.00, wurde der neue Präsidenten Ratu Josefa Iloilo vereidigt. Er war einer der Kandidaten, die Putschistenführer Speight vorgeschlagen hatte. Speight selbst hat sich aber wohl selbst etwas mehr ausgerechnet. Er wollte offenbar Premierminister werden. Auch sind nur wenige seiner Sympathisanten ins Kabinett berufen worden. Besonders erbost ist Speight darüber, dass der neuen Regierung auch ein indischstämmiger Politiker angehört. Wollte Speight doch die Inder ganz aus der Politik ausschalten. Speight drohte offen mit einem neuerlichen Putsch.
Präsident Ratu Josefa Iloilo hatte in seiner Antrittsrede am Dienstag, 18.07.00, überraschend die Einigung der beiden Rassen des Landes - rund 45 Prozent der Bevölkerung sind indischen Ursprungs - als sein besonderes Ziel hingestellt. Um die von indischen Politikern dominierte Labour-Regierung unter einem indischstämmigen Premierminister zu stürzen und durch eine rein "fidschianische" Regierung zu ersetzen, hatten Speight und sieben Rebellen am 19. Mai das Parlamentsgebäude in der Hauptstadt gestürmt und die Regierung als Geiseln gefangengenommen.
Premierminister wurde der als "Wirtschaftstechnokrat" bezeichnete (FR, 19.07.00) Laisenia Qarase. Qarase hatte dieses Amt schon in der vor zwei Wochen vom Militär eingesetzten Übergangsregierung inne. Auch einige der Minister dieser Vorgänger-Regierung sowie der gestürzten Regierung des Premierministers Mahendra Chaudhry sind in das neue Kabinett übernommen worden.
Die Krise auf den Fidschi-Inseln ist noch nicht vorbei. Australiens Regierung rief ihre dort lebenden Bürger auf, schnell heimzukehren, da sie weitere Unruhen befürchtet. Die von Australien und Neuseeland erlassenen Sanktionen gegen Fidschi sollen erst dann aufgehoben werden, wenn Fidschi zu einem demokratischen System zurückkehrt - was immer das heißen mag. Nach einer Meldung der Neuen Zürcher Zeitung rief die britische Regierung ihren Botschafter zur Berichterstattung nach London zurück. Begründet wurde dieser Schritt mit der "andauernden Sorge um die politische Entwicklung" in dem Inselstaat. Die Beendigung der Geiselnahme dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, heißt es in der Erklärung des britischen Außenministeriums, dass die "Krise" auf den Fidschi-Inseln "noch nicht beendet" sei.
Damit hat London zweifellos Recht. Der Fidschi-Nationalismus ŕ la Speight dürfte noch zu manchem fähig sein.
13./14. Juli 2000
Am 13. Juli meldeten die Agenturen, dass inzwischen alle Geiseln frei gelassen worden seien. Dies verlautete jedenfalls aus dem Rundfunk des Landes. Unter den Freigekommenen befindet sich auch der frühere Ministerpräsident Mahenda Chaudhry. Den Berichten zufolge sei er von Putschistenführer George Speight verabschiedet worden.
In der Hauptstadt Suva trat der Rat der Häuptlinge zusammen. Er wählte am 13. Juli Ratu Josefa Iloilo zum neuen Präsidenten. Der Präsident wird dann eine neue Regierung bilden.
Mit der Wahl von Iloilo dürfte auch eine erste Antwort darauf gegeben worden sein, welche Rolle Speight künftig spielen wird. Iloilo gilt nämlich als Vertrauter des Putschistenführers. Straffreiheit hatten er und seine Putschkameraden bereits vorher zugesichert bekommen. Außerdem soll die Verfassung geändert werden.
Die Freilassung der Geiseln wurde von Neuseeland und Australien begrüßt. Von einer Aufhebung der Sanktionen war indessen noch nicht die Rede. Hierzu müssten wohl die vormaligen - demokratischen - Verhältnisse wieder eingeführt werden. Sollte dies nicht geschehen, erwägen auch die USA und die EU Sanktionenn gegen den Inselstaat.
Damit dürfte die Aktion, die am 19. Mai 2000 mit der Besetzung des Parlaments und der Geiselnahme von 31 Politikern begann, vorläufig beendet sein. Sorgen machen muss man sich um das Schicksal der indischstämmigen Bevölkerungsminderheit (44 % der Gesamtbevölkerung).
12. Juli
Die Neue Zürcher Zeitung meldete am 12. Juli neue Einzelheiten vom Putsch. Nachfolgend ein paar Auszüge aus einem längeren Artikel:
Am Donnerstag (13.07.2000) sollen die letzten 27 Geiseln, welche die Putschisten unter der Führung des bankrotten Geschäftsmanns George Speight am 19. Mai in Fidschis Parlament gefangen genommen haben, freigelassen werden. So jedenfalls steht es im «Maunikau-Vertrag», den Speight und Staatspräsident Commodore Frank Bainimarama am Sonntag (09.07.00) unterzeichnet haben. ... Speight hat 200 Provinzabgeordnete auf den Mittwoch in die Hauptstadt berufen. Laut dem Vertrag wird am Donnerstag der Grosse Stammesrat, die stärkste politische Kraft des Landes, zusammentreten und einen neuen Staatspräsidenten, Vizepräsidenten und die Nachfolge der am vergangenen Dienstag gewählten Regierung von Laisenia Qarase bestimmen.
Keine Anzeichen für eine Normalisierung
Der Vorsitzende des Stammesrats, Sitiveni Rabuka, meinte am Dienstag (11.07.00), es sei wahrscheinlich, dass Speight einen Kabinettsposten zugesprochen erhalte. Zuvor müssen die Geiseln freigelassen werden, und die Putschisten sollten zum gleichen Zeitpunkt ihre Waffen abgeben. Dafür werden sie in den Genuss einer weitreichenden Amnestie kommen, die es den Soldaten unter ihnen erlaubt, wieder in die reguläre Armee zurückzukehren. Damit könnte dann Speight auf seine eigene Armee innerhalb der regulären Streitkräfte zählen.
In den vergangenen Wochen sind einfachere Forderungen nicht eingehalten worden, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich am Donnerstag das Leben in Fidschi plötzlich normalisieren sollte. Die Putschisten haben seit der Vertragsunterzeichnung weitere Militär- und Polizeiposten übernommen, neue Strassensperren errichtet und Geschäfte niedergebrannt. Praktisch alle Schulen sind geschlossen worden. Fidschianer kontrollieren das Kraftwerk der Hauptstadt Suva und stellen gelegentlich den Strom ab, und fidschianische Arbeiter bestreiken Fiji Telecom, angeblich aus Ärger darüber, dass Indofidschianer bevorzugt werden. Wird das Vertragswerk erfüllt, sieht die Zukunft für die indischstämmigen Fidschianer schlecht aus. Der Grosse Stammesrat setzt sich ausschliesslich aus eingeborenen Fidschianern zusammen, von denen nicht viele Sympathien für die Indofidschianer hegen. Jene Fidschianer, die sich für etwas Toleranz einsetzen, der frühere Staatspräsident Ratu Sir Kamisese Mara etwa oder selbst der erste Putschist des Landes, Sitiveni Rabuka, haben ihren Einfluss praktisch verloren. Fidschi wird vorwiegend von Elementen kontrolliert, die mit Vergnügen Gangsterfiguren aus schlechten amerikanischen Filmen imitieren. Ausser dem Ruf «Fidschi den Fidschianern» gibt es kein Programm.
Speight gibt zu, keinen Zeitplan zu haben, und der Wirtschaftszusammenbruch werde nicht lange dauern, sagte er lächelnd in einem Gespräch mit der australischen Fernsehgesellschaft ABC....
Hinter dem Putsch steht in Wirklichkeit die seit Jahren tätige, extrem nationalistische Taukei-Partei. Die Geiselnahme wurde von Major Ilisoni Ligairi, einem ehemaligen Mitglied der britischen Special Air Services, organisiert. Ligairi hatte 1980 bei der Stürmung der besetzten iranischen Botschaft in London teilgenommen und nach seiner Rückkehr nach Fidschi ein Sonderkommando ausgebildet. Speight und Ligairi sollen sich erst knapp eine Stunde vor der Geiselnahme getroffen haben. Der Opportunist Speight wurde Sprecher der Nationalisten. Im Laufe seines Fernsehgesprächs gab Speight seinem Rassismus freien Lauf. Er sagte, er selbst hätte nichts dagegen, alle Inder zu erschiessen. Inder wüssten nie, wann genug sei. Sie seien vom Gedanken besessen, alles kontrollieren zu müssen. Würde man eine Linie im Sand ziehen, so würden sie darüber springen, und wenn man eine Wand aufbaute, würden sie sie niederreissen. In diesen Bemerkungen spielte er auf das Vorgehen der Regierung Chaudhry an, die in - für lokale Verhältnisse - recht aggressiver Weise innert zwölf Monaten mehr und radikalere Reformen durchgesetzt hatte als jede Regierung zuvor.
Zwei Todesopfer
Das Militär wehrt sich gegen den Vorwurf, mit der Unterzeichnung des Maunikau-Vertrags allen Forderungen Speights nachgegeben zu haben. Der Militärsprecher Filipo Tarakinikini meinte, dass dies die einzig mögliche pragmatische Lösung gewesen sei, der drohenden Anarchie ein Ende zu setzen. Der Militärchef, Frank Bainimarama, sagte, er sei sich bewusst, dass das Ausland negativ reagieren werde, aber die Befreiung der Geiseln sei wichtiger. Der Putsch hat bisher zwei Todesopfer gefordert, einen Polizisten und einen Anhänger der Putschisten. Die Verlierer sind die Geiseln, unter ihnen der rechtmässig gewählte Premierminister Mahendra Chaudhry, und langfristig alle Indofidschianer. 33 000 von ihnen haben bereits eine Petition unterzeichnet, in der sie die australische Regierung um Erleichterungen bei der Einwanderung bitten. Tausende hatten sich bereits 1987, nach den ersten zwei Putschen, entschieden, Fidschi zu verlassen.
5. Juli
Auch sieben Wochen nach dem Putsch gibt es noch keine Lösung für den Regierungskonflikt auf den Fidschi-Inseln. Am 5. Juli meldete die Neue Zürcher Zeitung:
Vereidigung einer neuen Regierung in Fidschi
Feuergefecht zwischen Putschisten und der Armee
Am Dienstagmorgen ist in Fidschis Hauptstadt Suva die neue Zivilregierung von Ministerpräsident Laisenia Qarase vereidigt worden. Die Zeremonie fand aus Sicherheitsgründen in der Kaserne statt. Qarase hatte noch vor der Vereidigung zu verstehen gegeben, dass er bedroht worden sei. Er sagte, er habe das Amt lediglich aus Pflichtgefühl der Nation gegenüber angenommen und weil es höchste Zeit sei, das Leben in Fidschi wieder zu normalisieren. Qarasa war bisher Direktor einer privaten Bank und hat eine lange Karriere als Beamter hinter sich. Unter anderem diente er als Chef des Finanzministeriums und als Direktor der Radio- und Fernsehgesellschaft von Fidschi. Die neue Regierung setzt sich aus 18 Ministern, ausschliesslich eingeborener Fidschianer, zusammen. Sie soll während 18 Monaten im Amt bleiben. Staatschef bleibt vorläufig der Militärmachthaber, Commodore Frank Bainimarama.
Qarase erklärte, dass sein Kabinett eine neue Verfassung ausarbeiten werde, welche den eingeborenen Fidschianern mehr Rechte zugestehen werde, vor allem im Geschäftsleben und im Erziehungswesen. Gleichzeitig aber sagte er, dass es im multirassischen und multikulturellen Fidschi weiterhin Platz für die indischstämmigen Fidschianer geben werde. Sie machen 44 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Bainimarama hat Qarase beauftragt, sich die auf ethnischen Grundlagen beruhende Verfassung Malaysias als Vorbild zu nehmen.
Der Regierungschef verurteilte die Geiselnehmer und jene, welche nach dem Überfall auf das Parlament am 19. Mai die Geschäfte der indischstämmigen Fidschianer in Brand gesteckt hatten. Gleichzeitig rügte er indirekt die australischen und neuseeländischen Gewerkschaftsverbände, deren Boykott zu Verlusten von Arbeitsplätzen geführt hat. Diese Boykotte sind in der Zwischenzeit aufgehoben worden. Qarase forderte den Putschistenführer Speight auf, seine 27 indischstämmigen Geiseln, unter denen sich der abgesetzte Premierminister Chaudhry befindet, freizulassen. Der Generalsekretär der oppositionellen National Federation Party, Singh, bestätigte am Dienstag, dass zwei indischstämmige Fidschianer zur Mitarbeit in der Regierung eingeladen worden seien. Sie hätten aber das Angebot unter dem Druck der indischen Gemeinschaft abgelehnt. Die Inder, so sagte Singh, hätten damit gegen die unrechtmässige Absetzung der Regierung Chaudhry protestiert. Die interimistische Verwaltung könne nicht erwarten, dass sich Inder an einer Regierung beteiligten, welche ihre Existenz der gewaltsamen Absetzung der legalen Regierung verdanke. Zahlreiche Gruppen haben sich darüber beklagt, dass sich unter den neuen Regierungsmitgliedern keine Frauen befinden. Die australische Regierung hat die Wahl Qarases begrüsst. Sie anerkennt aber weiterhin offiziell nur die Regierung Chaudhry.
Der Putschistenführer Speight weigert sich, die neue Regierung anzuerkennen. Er warf den Kabinettsmitgliedern vor, Opportunisten zu sein, und sagte den baldigen Fall der Regierung voraus. Laut Speight treten zudem laufend Soldaten in sein Lager über. Ursprünglich war geplant gewesen, nach der Vereidigungszeremonie die Gespräche zwischen dem Militär und den Putschisten nach einer einwöchigen Pause wieder aufzunehmen. Stattdessen kam es auf dem Gelände des Parlaments zu einer Schiesserei zwischen dem Militär und rund zweihundert Putschisten, welche eine Militärkontrolle zu durchbrechen versucht hatten. Der Schusswechsel forderte unter Speights Sicherheitsbeamten zwei und unter Zivilisten drei Verletzte. Zur gleichen Zeit stürmten einige Soldaten, die offenbar Speight nahestehen, die Kaserne in Labasa auf Fidschis zweitgrösster Insel, Vanua Levu, und bemächtigten sich zahlreicher Waffen. Sie gaben an, von einigen Stammesältesten angespornt worden zu sein.
3. Juli 2000
Eine Lösung der innenpolitischen Krise in den beiden
Südseerepubliken Fidschi und Salomonen ist weiterhin nicht in
Sicht. Die Wahl eines neuen Premierministers auf den
Salomonen mußte ausfallen, weil von 50 Inselvertretern im
Parlament gerade einmal 22 zusammengekommen waren.
Auch alle Regierungsmitglieder bis auf zwei Ausnahmen
boykottierten das Treffen, bei dem drei Kandidaten zur Wahl
stehen sollten - zwei von Regierungsseite, einer von der
Opposition. Der von den Rebellengruppen zum Rücktritt
gezwungene bisherige Premier Ulufa-alu bedauerte, daß der
Lösungsversuch fehlgeschlagen sei, kritisierte aber zugleich
den Druck, den Milizen auf einzelne Kabinettsmitglieder
ausgeübt hätten. Die drei Kandidaten wären ein erster Schritt
für den Ausweg aus der Krise gewesen, da sie mit keiner der
verfeindeten Gruppen von unterschiedlichen Inseln verbunden
sind.
Ebenfalls nicht vorangekommen sind die
Verhandlungsbemühungen auf Fidschi. Zwar haben die
Rebellen um Putschistenführer George Speight in der
vergangenen Woche vier Frauen aus der Gruppe von 31
Regierungsgeiseln freigelassen, darunter Minister und die
Tochter des früheren Präsidenten. Allerdings sind seit
Dienstag die Beziehungen zwischen Geiselnehmern und
Militär, das derzeit die Macht im Staat führt, deutlich
abgekühlt. Am Wochenende kündigte nun das Militär die
Berufung einer Übergangsregierung an, der auch
indischstämmige Politiker angehören sollen. Es galt als sicher,
daß dies die Spannung mit den Putschisten erhöhen würden,
die seit 43 Tagen im Parlamentsgebäude 27 Mitglieder der
gestürzten Regierung als Geiseln halten.
Armeesprecher haben nicht ausgeschlossen, daß das
Parlamentsgebäude, wo die Geiselnahme andauert, von der
Versorgung mit Wasser und Elektrizität abgeschnitten werden
könnte. »Wir werden das zuerst die Gefangenen spüren
lassen. Sie werden nicht baden und nicht essen«, kam sofort
die scharfe Antwort von Rebellenseite. Die Gruppe um
Speight besteht darauf, daß ein neuer Präsident ihre Vertreter
für eine Interimsregierung benennt. Nur so glauben sie,
weiterhin Einfluß zu behalten, auch nachdem ihre Geiseln frei
sein würden.
Mit Enthüllungen warteten Reporter letzte Woche über die
Gruppenmitglieder auf. Erstmals wurde die Vermutung offen
geäußert, Speight sei nur eine Frontfigur, der eigentliche Mann
hinter dem Umsturz sei Major Ilisoni Ligairi. Tatsächlich
scheint dieser, 62jährig und ehemals Angehöriger der
britischen Elitetruppe SAS, mindestens ebenso mächtig wie
Speight zu sein. »Wofür wir kämpfen, ist ein christlicher
Staat«, erklärte er vor Presseleuten, weshalb die Gefangenen
um den gestürzten Premier Mahendra Chaudhry, einem Hindu,
jetzt auch Lektionen in christlicher Religion erhielten. Ligairi
erweiterte damit den bisherigen Eindruck, es gehe allein um
den ethnischen Konflikt zwischen der polynesischstämmigen
Mehrheit (51 Prozent) und der indischen Minderheit (44
Prozent), die 1997 erstmals einen Premier gestellt hatte.
Militärführer Tarakinikini zeigte sich einerseits besorgt über
die Lage, will aber gegenüber den Geiselnehmern offenbar
Härte zeigen. Unterdessen werden immer mehr ethnische
Inder zur Flucht aus ihren Heimatorten getrieben. Für einen
Skandal sorgten die Verwalter einer Stiftung, die von
verschiedenen indischen Gruppen aus dem hinduistischen,
muslimischen und christlichen Spektrum getragen wird, als sie
die Aufnahme von Flüchtlingen verweigerten - aus Angst, in
den Konflikt hineingezogen zu werden.
Australien hat unterdessen vorsichtig Asyl für Chaudhry in
Aussicht gestellt, und womöglich auch die Aufnahme weiterer
indischstämmiger Vertriebener. Vorrangig beharrt die
Großmacht der Region allerdings auf Einhaltung der
Sanktionen. Auch Australiens Gewerkschaften ziehen mit,
boykottieren den Umschlag fidschianischer Waren.
Thomas Berger
Aus: junge welt, 3.07.2000
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