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Angst vor der eisernen Faust von Afeworki

Jeden Monat flüchten etwa 3000 Menschen aus Eritrea in Nachbarländer

Von Markus Schönherr, Kapstadt *

Eritrea erlebte bis zur Abspaltung von Äthiopien einen blutigen Unabhängigkeitskampf. Die Freiheit haben die Landesbewohner damit nicht gewonnen.

Sie flüchteten vor Zwangsarbeit, Sprechverbot und willkürlichen Festnahmen: Seit Montag besucht die UN-Sonderberichterstatterin für die Menschenrechtssituation in Eritrea, Sheila Keetharuth, eritreische Flüchtlinge in Deutschland und der Schweiz. In Eritrea hat eine Massenflucht begonnen.

Dutzende Anträge, nach Eritrea zu reisen und die Situation vor Ort zu untersuchen, wurden Keetharuth verweigert. Die Regierung in der Hauptstadt Asmara stellt sich ungern Kritikern. Nach Ansicht des Hohen UN-Kommissariats für Menschenrechte (UNOCHR), kommt es in Eritrea aber zu »weit verbreiteten und systematischen Verletzungen von Menschenrechten.« Die einstige Hoffnung der Eritreer, in einer aufstrebenden, unabhängigen Demokratie zu leben, wurde bitter enttäuscht. Das Land war nach dem Ende der italienischen Kolonialherrschaft Äthiopien zugeschlagen worden, was die Mehrheit der Eritreer aber nie akzeptierte. 1961 wurde deshalb die »Eritreische Volksbefreiungsfront« gegründet wurde.

Nach dreißig Jahren blutigen Freiheitskampfs, feierten die Eritreer am 24. Mai 1993 schließlich ihre Unabhängigkeit. In Asmara besangen die Menschen ihre gewonnene Freiheit. Doch Isaias Afeworki, der Führer der Front regiert das Land seitdem als Präsident mit eiserner Faust.

»Eritrea besitzt keine Verfassung, funktionierende Gesetzgebung, unabhängige Justiz, Nichtregierungsorganisationen oder unabhängige Presse. Wahlen finden nicht statt, und die gesamte Macht liegt in den Händen von Afewerki.« So urteilt »Human Right’s Watch« (HRW) in seinem diesjährigen Länderbericht.

Neben dem Militärdienst, der Eritreer schon mit 15 Jahren ereilen kann, prangert die Organisation den »Staatsdienst« an. Dieser stehe allen Männern und unverheirateten Frauen ins Haus und sei eine Umschreibung für Zwangsarbeit. Obwohl der Dienst für den Staat auf 18 Monate beschränkt sei, verbringen HRW zufolge Eritreer zuweilen den Großteil ihres Arbeitslebens damit. Während der Pflichtzeit drohen Jugendlichen oft »Folter, unmenschliche Lebensbedingungen und sexueller Missbrauch«, so das UNOCHR.

Unterdessen hat eine Massenflucht aus Eritrea begonnen. Jeden Monat verzeichnet das Hohe UN-Flüchtlingskommissariat etwa 3000 Personen, die das ostafrikanische Land verlassen. Die meisten fliehen in die Nachbarstaaten Sudan und Äthiopien. Von dort werden sie oft zurückgeschickt.

Längst geht die Absetzbewegung über Armutsflüchtlinge hinaus und hat auch die Prominenz des Landes erreicht: Letztes Jahr floh Informationsminister, Ali Abdu Ahmed. Sein Vater, sein Bruder und seine 15-jährige Tochter wurden daraufhin verhaftet. 2012 beantragte die eritreische Fußballnationalmannschaft Asyl in Uganda. Exemplarisch diese Geschichte: Zwei Piloten flogen mit einem Regierungsjet nach Saudi-Arabien und beantragten dort Asyl. Die Regierung schickte daraufhin eine Pilotin in das Königreich, um den Jet zurückzuholen. Doch auch sie entschied sich, nicht wieder in ihre Heimat zurückzukehren.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 19. März 2014


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