Sticheleien gegen die UNO
Spannungen zwischen Eritrea und Äthiopien verstärken sich wieder
Von Anton Holberg *
Eritreas Regierung ist verärgert über die UNO. Sie wirft der Weltorganisation vor, völkerrechtliche
Beschlüsse nicht durchzusetzen.
Am Sonntag vor einer Woche sind Soldaten der Eritreischen Verteidigungskräfte (EDF) in die von
der UNO kontrollierte »Zeitweilige Sicherheitszone« (TSZ) zwischen Eritrea und dem Nachbarland
Äthiopien eingerückt. Der Weltsicherheitsrat hat das und die Tatsache, dass die EDF bei gleicher
Gelegenheit einen Kontrollpunkt der UN-Mission in Äthiopien und Eritrea (UNMEE) besetzt hat, als
einen flagranten Bruch des Waffenstillstandsabkommens zwischen beiden Staaten verurteilt. Dieses
2002 unterzeichnete Abkommen war vorläufiger Abschluss des Krieges, den beide Länder zwischen
1998 und 2000 gegeneinander, offiziell um die Kontrolle eines weitgehend wüstenähnlichen
Grenzstreifens, geführt hatten und der über 70 000 Menschleben gekostet hatte.
Eritreas Informationsminister Ali Abdu sagte nun, die Entsendung der EDF in das betroffene Gebiet
habe mit den Grenzstreitigkeiten mit Äthiopien nichts zu tun. Vielmehr seien die Soldaten dorthin
geschickt worden, um die Ernte in verschiedenen Staatsfarmen »Westeritreas« einzuholen,
nachdem die andauernden Spannungen es nicht erlaubten, die dafür vorgesehenen jugendlichen
Arbeitskräfte aus der Armee zu demobilisieren. Möglicherweise sind die Soldaten der EDF jetzt
wirklich auf dem Feld tätig, aber es ist offensichtlich, dass die Maßnahme den vorläufigen
Höhepunkt einer Reihe eritreischer Maßnahmen bildet, die die Unzufriedenheit des Landes mit der
UNO zum Ausdruckt bringen. Dazu gehörten bereits im vergangenen Jahr über die UNMEE
verhängte Enschränkungen ihrer Bewegungsmöglichkeiten und im September dieses Jahres die
Aufforderung an UN-»Spione«, das Land umgehend zu verlassen.
Der Grund für die Unzufriedenheit Eritreas mit der UNO ist, dass die Repräsentantin der
vermeintlichen Völkergemeinschaft entweder nicht willens oder nicht in der Lage ist, das Völkerrecht
durchzusetzen. In der Tat hat nämlich die Grenzkommission der UN bereits im April 2002 die Region
um die Stadt Badme Eritrea zugesprochen. Äthiopien jedoch hat sich geweigert, diesen Beschluss
umzusetzen. Erst im November 2004 hatte Ministerpräsident Meles Zenawi den Urteilsspruch der
Grenzkommission offiziell anerkannt, nur um gleichzeitig Eritrea zu Verhandlungen über
Grenzkorrekturen aufzuzfordern. Das jedoch lehnte Eritrea kategorisch ab. Seitdem beschränkt sich
die UNO darauf, auch Äthiopien dazu aufzufordern, seinen Verpflichtungen nachzukommen – ohne
Ergebnis.
Ungeachtet dessen, dass die Präsidenten beider Länder einst als Führer ihrer jeweiligen nationalen
Befreiungsbewegungen gegen die äthiopische Zentralmacht kämpften und zu dieser Zeit als Linke
auftraten (um sich nach der Machtübernahme den USA als »neue afrikanische Führer« anzudienen),
sind die Beziehungen zwischen den beiden nationalistischen Kräften seit langem ernsthaft gestört.
So heißt es beispielsweise in einer von der Eritreischen Nachrichtenagentur veröffentlichten Kritik an
Äthiopiens Einmischung in Somalia: »Das Minderheits-Söldnerregime in Äthiopuien unter Führung
des kriegslüsternen, völkermörderischen Wendehalses Meles Zenawi bemüht sich darum, das
Selbstbestimmungsrecht des somalischen Volkes zu untergraben.«
Im Zusammenhang mit seinem andauernden Streit mit Äthipopien bemüht sich die Regierung in
Asmara, Punkte bei den übrigen Nachbarn zu sammeln. So hat sie dem Vernehmen nach den
Kampf der »Union Islamischer Gerichte« in Somalia unterstützt und Anfang Oktober einen
Friedenschluss zwischen der sudanesischen Regierung und der »Ostfront«, bestehend aus dem
Beja Congress und den Rashaida Free Lions, die über zehn Jahre bewaffnet gegen Khartum
gekämpft hatte, ermöglicht und sich damit auch die Regierung der Nationalen Einheit in Sudan
verpflichtet. Ob diese Erfolge in Sudan und in Somalia dem Frieden mit Äthiopien zuträglich sind,
muss sich erst noch zeigen. Die Aktivitäten der UNO haben dabei jedenfalls wie üblich nur einen
marginalen Einfluss.
* Aus: Neues Deutschland, 24. Oktober 2006
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