Blauhelme als "Teil der Rebellion"
Côte d’Ivoire: Mandat für UN-Truppe verlängert. Regierung lehnt Zusammenarbeit ab
Von Raoul Wilsterer *
Keine Lösung deutet sich derzeit im Konflikt um die Präsidentschaft Côte d’Ivoires (Elfenbeinküste) an. Washington und Brüssel wurden am Dienstag konkret bezüglich der Verhängung von Sanktionen gegen den amtierenden Präsidenten Laurent Gbagbo. Am Abend zuvor hatte bereits der UN-Sicherheitsrat entschieden, entgegen der Aufforderung Gbagbos seine 8600 Blauhelmsoldaten nicht aus dem Land abzuziehen und sie sogar bis März 2011 um 500 Mann zu erweitern. Das Gremium verlängerte zudem das Mandat für die UNOCI-Truppe.
Das politische Lager um Laurent Gbagbo, das von der Armee, der Präsidentengarde sowie einer von jungen Leuten geprägten Massenbewegung unterstützt wird, heuerte derweil den prominenten US-Anwalt Lanny J. Davis an, einst Vizepräsidentschaftsbewerber der Demokraten und Berater des Weißen Hauses unter William Clinton (1996–98). Dieser erklärte bei einer Pressekonferenz in Abidjan, er solle nicht untersuchen, wer bei den Wahlen am 28. November gewonnen habe; vielmehr sei seine Aufgabe, hinsichtlich der Abstimmung »fair die Fakten« zu bewerten.
Vor, während und nach der Stichwahl war es zu schweren Auseinandersetzungen in dem westafrikanischen Staat, dem größten Kakaoproduzenten der Erde, gekommen. Korrespondentenberichten zufolge waren am Tag der Abstimmung insbesondere im von Rebellen dominierten Norden Unregelmäßigkeiten und Manipulationen beobachtet worden. Schließlich hatte der Leiter der Wahlkommission die gesetzlich vorgegebene Frist für die Bekanntgabe der Ergebnisse versäumt und in einem Hotel Alassane Ouattara, ein ehemals hoher Funktionär des Internationalen Währungsfonds, zum Gewinner erklärt. Der Verfassungsrat erkannte diese Entscheidung nicht an.
Sowohl Ouattara als auch Gbagbo ließen sich schließlich als Präsidenten vereidigen. International anerkannt wurde lediglich Ouattara – nach klaren Statements zu seinen Gunsten durch die USA und die EU. Dabei tat sich Nicolas Sarkozy als Staatsoberhaupt der ehemaligen Kolonialmacht besonders hervor. Frankreich ist mit 4000 hochgerüsteten Legionären im Land vertreten und bezog schon 2004 offen Partei für die Forces Nouvelles, die den muslimisch geprägten Norden des Landes kontrollieren und die Ouattara unterstützen. Dieser hält sich derzeit unter dem Schutz von etwa 800 UN-Soldaten in einem Hotel in Abidjan auf.
Auf den UN-Sicherheitsbeschluß, weiter im Land zu bleiben, reagierte am Dienstag Emile Guiriéoulou, der amtierende Innenminister. Man werde nicht mit der Blauhelmtruppe kooperieren. Guiriéoulou ließ keinen Zweifel daran, daß er das UN-Engagement als einseitige Parteinahme wertet: »Wenn sie keinen offiziellen Partner in der Regierung haben, keinen in der Armee – was werden sie machen? Wenn sie sich für andere Autoritäten des Landes als die legalen entscheiden, werden sie Teil der Rebellion.«
Inzwischen erklärte laut The Wall Street Journal (20.12.) William Fitzgerald, Afrika-Verantwortlicher des State Department, daß die USA ein Reiseverbot für Gbagbo, dessen Familie sowie Minister von »Schlüsselressorts« erlassen hätten. Außerdem seien »finanzielle Sanktionen« geplant. Die EU kündigte ähnliche Strafmaßnahmen für den heutigen Mittwoch an. Dagegen verweigert sich bisher die Afrikanische Union, die zuvor Gbagbo zum Rücktritt aufgefordert hatte, einem solchen Schritt.
* Aus: junge Welt, 22. Dezember 2010
UN-Truppen: "Gbagbo antwortet nicht mehr"
Verlierer der Präsidentenwahl in Côte d'Ivoire will den Abzug der
Friedenssoldaten erreichen **
Der Chef der UN-Friedenstruppen in Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste) wirft dem Wahlverlierer Laurent
Gbagbo massive Behinderungen der UN-Mission vor.
»Gbagbos Lager tut alles, um unseren Nachschub an Lebensmitteln
und Benzin zu kappen«, sagte UN-Untergeneralsekretär Alain Leroy der Zeitung »Le Figaro«. Die
Lage werde immer heikler und gefährlicher. »Gbagbos Anhänger versuchen, unsere Leute
einzuschüchtern, sogar in ihren Wohnungen, damit sie abziehen.« Zudem lasse er Hassbotschaften
und Aufrufe zu Anschlägen gegen die UN-Soldaten im Radio verbreiten. »Es ist brutal«, resümierte
Leroy.
Die UN-Soldaten sind derzeit um das Hotel du Golfe stationiert, in dem sich der Wahlsieger
Alassane Ouattara aufhält. Sie hätten auch ihre Patrouillen in der Hauptstadt Abidjan verstärkt, aber
Gbagbos Leute errichteten ständig neue Barrikaden, klagte Leroy. Der Kontakt zu dem langjährigen
Präsidenten, der sich mit Gewalt an die Macht klammert, sei unterdessen abgebrochen. »Wir reden
mit seinen Beratern, aber Gbagbo antwortet nicht mehr«, sagte Leroy.
Nach Einschätzung der UNO hat der Ex-Präsident etwa 20 000 Bewaffnete unter sich, nämlich die
Armee, die Präsidialgarde, die Polizei und liberianische Söldner. Falls sich die Lage weiter zuspitze,
werde die UN-Mission Verstärkung brauchen. Möglicherweise werde man dafür Personal von der
UN-Mission in Liberia abziehen, aber das müsse der Sicherheitsrat entscheiden. »Unsere Mission
wird von Tag zu Tag gefährlicher, aber wir werden nicht aufgeben«, betonte Leroy.
In seiner ersten Fernsehansprache seit dem Beginn des Konflikts untermauerte derweil Gbagbo
seinen Anspruch auf das Amt des Staatschefs. Das Lager seines Herausforderers Ouattara warf ihm
hingegen vor, die internationale Gemeinschaft täuschen zu wollen, und forderte seinen Rückzug.
»Ich bin der Präsident von Côte d'Ivoire«, unterstrich Gbagbo in seiner Rede. Zugleich warf er
Ouattara vor, für die Lage in dem westafrikanischen Land verantwortlich zu sein. Die Unruhen seien
durch dessen »Weigerung, sich den herrschenden Gesetzen, Regeln und Prozeduren zu
unterwerfen«, verursacht worden. Ouattara und das Ausland würden »Krieg« gegen Côte d'Ivoire
führen und das Recht der Bevölkerung missachten, ihre politischen Führer selbst auszuwählen.
Gbagbo erklärte sich zu einer internationalen Untersuchung der Unruhen bereit, bei denen
zahlreiche Menschen starben. Diese solle von der Afrikanischen Union geleitet werden, auch
Experten von anderen afrikanischen Staatenbünden, der UNO, der EU und Mächten wie den USA
und Russland sollten teilnehmen. Das Einverständnis zu einer Untersuchung sei kein »ernst
gemeintes Angebot zu einem Dialog«, sagte hingegen Ouattaras Sprecherin, Anne Ouloto.
** Aus: Neues Deutschland, 22. Dezember 2010
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