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Urteil in Côte d’Ivoire

Ehefrau des ehemaligen Präsidenten nach Unruhen zu 20 Jahren Haft verurteilt

Von Simon Loidl *

Am Dienstag hat ein Gericht in Côte d’Ivoire die Ehefrau des früheren Präsidenten des Landes, Simone Gbagbo, zu 20 Jahren Haft verurteilt. Der ehemaligen First Lady des westafrikanischen Landes wurde vorgeworfen, »die Sicherheit des Staates untergraben« zu haben. Simone Gbagbo hat sich nach Ansicht des Gerichts in Abidjan während der Auseinandersetzungen nach den Präsidentschaftswahlen im Herbst 2010 an der Störung der öffentlichen Ordnung beteiligt und unter anderem »bewaffnete Gruppen« organisiert.

Neben Gbagbo wurden in dem seit Januar laufenden Prozess knapp 80 Mitangeklagte wegen ähnlicher Vorwürfe zu unterschiedlich hohen Strafen verurteilt. Unter ihnen befindet sich auch der Sohn des ehemaligen Präsidenten, Michel Gbagbo, der zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Für Simone Gbagbo hatte die Anklage zehn Jahre Haft gefordert, das Gericht hat das Strafmaß schließlich verdoppelt.

Im Herbst 2010 standen sich der amtierende Präsident Laurent Gbagbo und sein langjähriger Rivale Alassane Ouattara bei der Abstimmung über das höchste Amt im Staat gegenüber. Das Ergebnis des zweiten Wahlgangs Ende November 2010 war denkbar knapp – beide Kandidaten beanspruchten den Sieg für sich und ließen sich vereidigen. Ouattara hatte nach Angaben der Wahlkommission 54 Prozent der Stimmen erhalten. Allerdings erklärte der Verfassungsrat das Ergebnis in einigen Regionen aufgrund von Unregelmäßigkeiten für ungültig und Gbagbo zum Sieger. Es kam zu heftigen Protesten und Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern beider Kandidaten. In den darauffolgenden Wochen eskalierten diese, nach offiziellen Angaben wurden etwa 3.000 Menschen getötet.

Westliche Staaten – allen voran die ehemalige Kolonialmacht Frankreich – bezog rasch zugunsten Ouattaras Stellung. Der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy warb international um Anerkennung von dessen Wahlsieg. Diese einseitige Positionierung führte dazu, dass eine friedliche Lösung des Konflikts in dem gespaltenen Land weiter torpediert wurde. Schließlich griffen französische Einheiten und UN-Soldaten an der Seite der militärischen Kräfte, die Ouattara unterstützten, in die Kämpfe ein. Gbagbo wurde gestürzt und zusammen mit seiner Frau Simone festgenommen. Dabei wurde das Paar nach eigener Aussage misshandelt.

Ouattara war bereits lange vor dem Umsturz in Côte d’Ivoire der Wunschkandidat des Westens. Der ehemalige Vizepräsident des Internationalen Währungsfonds hatte als Ministerpräsident des Landes Anfang der 1990er Jahre Privatisierungsprogramme umgesetzt. Bei der Auseinandersetzung 2010/11 stand er für eine erneute »Annäherung« an Paris. Die Beziehungen zur ehemaligen Kolonialmacht waren unter Gbagbos Präsidentschaft zugunsten einer größeren Eigenständigkeit etwas zurückgeschraubt worden.

Im November 2011 wurde der gefangene ehemalige Präsident nach Den Haag ausgeliefert. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) untersuchte unter anderem Vorwürfe des Mordes und der Vergewaltigung. Ein Jahr später stellte der IStGH auch gegen Simone Gbagbo einen Haftbefehl aus. Die ivorischen Behörden kamen diesem aber nicht nach und zogen es vor, die ehemalige Präsidentengattin selbst zu richten. Die nun Verurteilte steht nach wie vor auf der Liste der Gesuchten des IStGH, der ihr Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorwirft.

Simone Gbagbo hat sämtliche Vorwürfe gegen ihre Person stets zurückgewiesen. Vor Gericht sagte sie laut Nachrichtenagenturen, dass sie jenen »vergebe«, die ihr Verbrechen vorwerfen. Sie sei dazu bereit, denn »wenn wir nicht vergeben, dann droht dem Land eine Krise, die schlimmer ist als das, was wir erlebt haben«. Das jetzige Urteil scheint allerdings nicht dazu geeignet, die Spaltung zu überwinden. Trotz Beteuerungen der Regierung, auch Gewalttaten des Ouattara-Lagers untersuchen zu lassen, gab es bislang keine Anklagen in diese Richtung. Einer der Anwälte von Simone Gbagbo, Rodrigue Dadje, sagte laut Agenturmeldungen, dass er sich für die ivorische Justiz schäme. Das Urteil sei ein politisches, kein juristisches. Dadje kündigte zudem an, Berufung einlegen zu wollen.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 12. März 2015


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