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Versöhnung in Côte d’Ivoire (Elfenbeinkueste)?

Truppenabzug aus der Pufferzone, neue Regierung und Wiederherstellung der staatlichen Integrität

Von Anton Holberg *

Am Montag begann der Rückzug der 7000 Blauhelme und 3500 französischen Soldaten aus der Pufferzone, die die Côte d’Ivoire seit 2002 teilt. Seit einer Militärrevolte im September vor fünf Jahren kontrolliert die Rebellenarmee der »Forces Nouvelles« den Norden des Landes, den Süden dagegen Präsident Laurent Gbagbo. Dem Truppenabzug aus der sogenannten Vertauenszone vorausgegangen war ein in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou am 4. März unterzeichnetes Friedensabkommen, das die Bildung einer neuen Regierung unter Ministerpräsident Guillaume Soro, dem Chef der Rebellen, vorsah. Dessen Kabinett wurde am 14. April vorgestellt.

Soro ersetzt den bisherigen Ministerpräsidenten Charles Konan Banny. Dieser war Präsident Gbagbo von der UNO und hier vor allem von Frankreich aufgenötigt worden. Seit der Unabhängigkeit seiner ehemaligen Kolonie 1958 konnte sich Paris dort nicht nur wirtschaftlich und politisch, sondern auch militärisch eine weitgehende Kontrolle bewahren. Während in der neuen Regierung die Front Populaire Ivoirien, die Partei des Präsidenten, sowohl das Innen- wie auch das Verteidigungsministerium innehat, stellen die Forces Nouvelles u.a. den Justizminister, der eine besondere Rolle bei der Vorbereitung der Präsidentschaftswahlen spielen wird, die bis Februar 2008 stattfinden soll.

Angesichts der großen Zahl der Einwanderer aus Nachbarstaaten hat die Feststellung der Staatsangehörigkeit der Wähler und Kandidaten eine herausragende Bedeutung. Das Abkommen von Ouagadougou sieht die Aufstellung gemeinsamer Einheiten der bisher verfeindeten militärischen Kräfte zur Herstellung von Ruhe und Ordnung im Land vor.

Das neue Friedensabkommen ist beileibe nicht das erste seiner Art. Bisher hatte vor allem Präsident Gbagbo, Mitglied einer evangelikalen Sekte in einem Land, in dem maximal 30 Prozent der Bevölkerung Christen, überwiegend Katholiken, sind, einen chauvinistischen Diskurs gepflegt und wenig Bereitschaft gezeigt, seine Macht zu teilen. Er wurde 2000 nicht nur wegen seiner fremdenfeindlichen Propaganda nicht zuletzt von einer marginalisierten städtischen Jugend gewählt, sondern auch, weil der wichtigste Oppositionskandidat, Alassane Ouattara, unter dem Vorwand, daß seine Eltern aus Burkina Faso stammen, von der Wahl ausgeschlossen war. Als Gbagbo im November 2004 gleichzeitig in Abidjan die Büros der Oppositionsparteien und unabhängiger Zeitungen verwüsten und den Norden durch seine Luftwaffe angreifen ließ und dabei neun französische Soldaten fielen, zerstörten die französischen Streitkräfte alle Militärflugzeuge des Landes. Das ein halbes Jahr später unterzeichnete Friedensabkommen, das nicht zuletzt auch Neuwahlen vorah, wurde von Gbagbo hintertrieben.

Im September 2006 war Côte d’Ivoire erneut in die Schlagzeilen geraten, als bekannt wurde, daß ein ausländisches Schiff über 500 Tonnen Giftmüll in Abidjan abgeladen und damit über 1500 Menschen, von denen schließlich mindestens acht starben, vergiftet hatte. Damals wiesen Oppositionskreise darauf hin, daß die verantwortliche ivoirische Firma erst vor kurzem vom Verkehrsminister und von Gbagbos Frau Simone gegründet worden war und Schmiergelder in Millionenhöhe geflossen seien.

* Aus: junge Welt, 18. April 2007


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