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Massenmorde in Côte d’Ivoire

UN berichtet von weiteren Leichenfunden. Gbagbo soll ausgehungert werden

Ist es bei dem Vormarsch der Rebellenarmee des Präsidentschaftskandidaten Alassane Ouattara in Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) zu weitere Massenmorden gekommen? Am Freitag berichtete der Sprecher des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, Rupert Colville, daß in den vergangenen Tagen an mehreren Orten im Westen mehr als hundert Leichen entdeckt wurden. »Alle Vorkommnisse scheinen zumindest teilweise etwas mit ethnischen Motiven zu tun zu haben«, sagte er. Auch gebe es Berichte von weiteren Massakern als Racheakte.

Bereits in der vergangenen Woche waren verschiedenen Berichten zufolge bei einem Massaker in Douékoué im Westen des Krisenlandes mehr als 800 Menschen umgekommen. Die Täter werden unter den Truppen des international häufig als »Wahlsieger« bezeichneten Ouattara vermutet. Dessen FRCI, die aus den Streitkräften des Nordens sowie Anhängern aus anderen Landesteilen besteht, kontrolliert inzwischen weite Teile des Landes. Sie belagert zudem die Residenz von Staatschef Laurent Gbagbo in Abidjan, nachdem Kampfhubschrauber der UN-Blauhelme gemeinsam mit der französischen »Opération Licorne« Angriffe gegen den Präsidentenpalast geflogen hatten.

Am Donnerstag abend hatte Ouattara in einer Fernsehansprache angekündigt, daß die FRCI nicht mehr – wie zuvor angekündigt – den Bunker, in dem sich Gbagbo aufhalten soll, militärisch einnehmen will. Vielmehr sollte das zur »Sperrzone« erklärte Gebiet belagert und Gbagbo ausgehungert werden. Patrouillen der Rebellen bestimmten inzwischen das Straßenbild von Abidjan, hieß es. Die meisten Bewohner hatten ihre Häuser wegen der Kämpfe seit Tagen nicht mehr verlassen.

Ouattara bat außerdem die Europäische Union darum, einige Wirtschaftssanktionen wieder aufzuheben. Der Sprecher von EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton bestätigte dies am Freitag in Brüssel. Er hoffe, daß man der Bitte bald werde entsprechen können, erklärte er. »Wir arbeiten daran.« Medienberichten zufolge soll es sich unter anderem um Sanktionen handeln, die die Hafenaktivitäten in Abidjan und San Pedro betreffen. Über die beiden Häfen laufen beträchtliche Exporte des größten Kakaoproduzenten der Welt. Unterdessen spitzte sich die humanitäre Lage in Côte d’Ivoire nach Angaben von Hilfsorganisationen immer weiter zu. Allein im Nachbarland Liberia hielten sich 130000 Ivorer auf. (dpa/dapd/AFP/jW)

* Aus: junge Welt, 9. April 2011


Schüsse auf die Residenz des Präsidenten **

In Abidjan, dem Regierungssitz von Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste), haben die Kämpfe auch am Donnerstag angehalten. Die Rebellenarmee von Präsidentschaftsanwärter Alassane Ouattara belagerte weiter die Residenz von Staatschef Laurent Gbagbo, der sich in einem unterirdischen Tunnel verschanzt haben soll. Auch französische Truppen beschossen das Gebäude. Trotzdem behauptete Frankreichs Verteidigungsminister Gérard Longuet, sein Land unterstütze die Offensive Ouattaras nicht aktiv. Für Gbagbo kämpften demnach noch »weniger als 1000 Soldaten«, davon rund 200 in der Residenz. An der Propagandafront ordnete Ouattara die Ausstrahlung von Szenen aus dem Film »Der Untergang« an, der von Hitlers letzten Tagen im Bunker der Reichskanzlei handelt.

Frankreichs Außenminister Alain Juppé bestätigte unterdessen in Paris, daß Soldaten der ehemaligen Kolo­nialmacht den japanischen Botschafter und mehrere seiner Mitarbeiter mit einem Hubschrauber in Sicherheit gebracht hätten. Die diplomatische Vertretung des asiatischen Landes liegt im selben Stadtviertel wie die umkämpfte Präsidentenresidenz. Mehrere andere Botschaften, darunter die Israels und Indiens, haben demnach ebenfalls Frankreich um Hilfe bei der Evakuierung gebeten.

Die russische Regierung kritisierte die Einsätze Frankreichs und der UNO in dem westafrikanischen Land. Die ausländischen Truppen nähmen für Ouattara Partei und mischten sich in einen internen Konflikt ein, hieß es in einer Mitteilung des Außenministeriums. »Die rechtlichen Aspekte der Einsätze der UN-Friedenstruppen und der französischen Einheit müssen unbedingt geklärt werden«, forderte Moskau.

In Côte d’Ivoire tobt seit der Präsidentenwahl vom vergangenen November ein blutiger Machtkampf, dem offiziellen Angaben zufolge bislang Hunderte Menschen zum Opfer gefallen sind. (dapd/AFP/dpa/jW)

** Aus: junge Welt, 8. April 2011


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