Generalprobe in El Salvador
Parlamentswahlen am Sonntag geben Fingerzeig für die Präsidentenkür im März
Von Michael Krämer *
Seit 20 Jahren regiert die ultrarechte ARENA-Partei in El Salvador. Doch bei den
Präsidentschaftswahlen am 15. März könnte es zu einem Machtwechsel in dem kleinen
mittelamerikanischen Staat kommen. Die Parlaments- und Kommunalwahlen am Sonntag könnten
die Wachablösung einleiten.
Seit er vor gut einem Jahr als Präsidentschaftsanwärter nominiert wurde, liegt der populäre
Fernsehjournalist Mauricio Funes deutlich vor dem ARENA-Kandidaten Rodrigo Avila. Funes tritt für
die ehemalige Guerillabewegung FMLN an, heute die größte Oppositionspartei. Als Generalprobe
für den Urnengang im März gelten die morgigen (18. Januar) Parlamentswahlen- und Kommunalwahlen.
Letzte Umfragen zeigen die FMLN deutlich vor ARENA. Doch während die FMLN in den meisten
Erhebungen nur wenig über den 39 Prozent liegt, die sie bei den Parlamentswahlen vor drei Jahren
erzielte, werden ARENA herbe Stimmenverluste prognostiziert. Nach ebenfalls 39 Prozent im Jahr
2006 könnte sie diesmal unter 30 Prozent rutschen – eine Enttäuschung für die erfolgsverwöhnte
Rechte im Land.
Mehrere Faktoren sind für den großen Abstand zwischen den beiden größten Parteien
verantwortlich. Zum einen präsentiert sich die FMLN geschlossen wie lange nicht, die
Kandidatenwahl verlief harmonisch und endete in einer perfekt inszenierten öffentlichen
Präsentation des Präsidentschaftskandidaten vor zehntausenden Anhängern. Zudem profitiert die
Partei von einem »Funes-Effekt«. Ihr als moderat geltender Präsidentschaftskandidat mindert die
Skepsis zahlreicher Wähler der Mitte, denen die FMLN bislang »zu links« war. Zudem unternimmt
die FMLN einiges dafür, Mauricio Funes´ Versprechen auf einen »Wechsel« mit Barack Obamas
»change« in Verbindung zu bringen.
Zum anderen befindet sich ARENA in der Krise. Erstmals zeigte sich die Partei bei der Auswahl des
Präsidentschaftskandidaten in der Öffentlichkeit gespalten. Nach 20 Regierungsjahren macht sich
immer mehr Unzufriedenheit mit ARENA breit. Immer weniger wird ihr zugetraut, die drängenden
Probleme des Landes zu lösen. Dies gilt auch für die enorme Gewalt im Land. El Salvador liegt bei
Tötungsdelikten weltweit seit Jahren in der Spitzengruppe.
Außerdem ist die Regierung mit ihrer »Politik der harten Hand« gegen die zahlreichen
Jugendbanden gescheitert. Dies belastet auch die Kandidatur Rodrigo Avilas, der zweimal Direktor
der Polizei und unter dem derzeitigen Präsidenten Antonio Saca Vizeminister für öffentliche
Sicherheit war. Es erscheint wenig glaubwürdig, wenn nun gerade er verspricht, das Gewaltproblem
im Land zu lösen.
Von der Schwäche der Regierungspartei werden am Sonntag vermutlich vor allem die beiden
anderen Rechtsparteien profitieren, die Christdemokraten (PDC) und die Partei der Nationalen
Versöhnung (PNC). Eine Parlamentsmehrheit der FMLN, auch gemeinsam mit kleineren Mitte-Links-
Parteien, gilt als wenig wahrscheinlich.
Von besonderer Bedeutung ist der Ausgang der Kommunalwahlen in der Hauptstadt San Salvador.
Hier regiert die FMLN bereits seit 1997. Die Wahlen 2006 gewann die Ärztin Violeta Menjívar für die
FMLN jedoch mit dem denkbar knappen Vorsprung von nur rund 60 Stimmen vor dem ARENAKandidaten.
Menjívar, die erste Frau auf diesem Posten, tritt erneut an. Ihr aussichtsreichster
Konkurrent ist der ARENA-Kandidat Norman Quijano, der in den meisten Umfragen jedoch hinter
Menjívar liegt.
Überschattet wird der Wahlkampf von mehreren gewalttätigen Zwischenfällen in den letzten Tagen,
die zahlreiche Verletzte vor allem auf Seiten der FMLN gefordert haben. María Silvia Guillén,
Präsidentin der Menschenrechtsorganisation FESPAD, macht die rechte für die zunehmende Gewalt
verantwortlich. Vor gut einer Woche wurden zwei FMLN-Aktivisten im östlichen Departamento
Morazán von schwer bewaffneten Männern erschossen.
Derweil setzt die Regierung auf eine Diffamierungskampagne gegen die FMLN. Vor einigen Wochen
verkündete das Verteidigungsministerium, in El Salvador existierten 40 bewaffnete, illegale Gruppen
und brachte diese mit der ehemaligen Guerilla in Verbindung. Der Leiter der EUWahlbeobachterdelegation,
Luis Yañez-Barnuevo, hat dies in einem Interview mit der Zeitschrift »El
Faro« am vergangenen Mittwoch jedoch als ein reines Wahlkampfmanöver abgetan. Trotz
mehrmaliger Aufforderung in den letzten Wochen habe die Regierung keinerlei Beweise vorgelegt.
Beobachter befürchten eine weitere Zunahme der Gewalt bis zu den Präsidentschaftswahlen am 15.
März. Die Anspannung wächst.
* Aus: Neues Deutschland, 17. Januar 2009
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