Kalter Krieg aus Bayern
Anfang 2009 wird in El Salvador ein neuer Präsident gewählt. Die Linke muß sich gegen die Regierung, deren US-Verbündete und eine CSU-nahe Stiftung zur Wehr setzen
Von Harald Neuber *
Zwölf Monate vor den Präsidentschaftswahlen in El Salvador warnt die Regierungspartei ARENA vor einer Diktatur. Wenn die Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) die Abstimmung gewinne, heißt es in der Hauptstadt San Salvador, drohe dem Land eine »kommunistische Diktatur«. Die Warnung vor Unrecht ist höchst unglaubwürdig: ARENA-Gründer Roberto D’Aubuisson hatte in den 70er und 80er Jahren persönlich rechtsradikale Todesschwadrone organisiert, die Tausende Zivilisten ermordeten. Doch geht es vor der Abstimmung in El Salvador weniger um Glaubwürdigkeit denn um finanziellen und propagandistischen Beistand. Und den erhält die rechte Regierung aus den USA und der EU.
Den Beginn machte im Februar der US-Geheimdienstkoordinator Mike McConnell. Venezuela unterstütze die salvadorianische Linkspartei »großzügig«, sagte er, um damit umgehend eine Krise auszulösen. Wie auf Kommando berief Salvadors Präsident Antonio Saca seinen Botschafter aus Caracas zu Konsultationen ein. Bewiesen werden konnten die Vorwürfe bis heute nicht. Nur wenige Wochen später aber reiste der Unternehmer Saca selbst ins Ausland, um Gelder zu erbitten – bei den regierenden Republikanern und rechten Gruppierungen in den USA.
Doch Hilfe bekommt er nicht nur aus Washington. Mitte Februar berichtete die deutsche Tageszeitung taz über eine Studie, die für ein ARENA-nahes Politikzentrum von der lokalen Vertretung der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung in Auftrag gegeben wurde. Der venezolanische Politikberater Alfredo Keller rät darin implizit, die Wechselwähler durch Diffamierung der linken Opposition zu beeinflussen. Bei einer sachlich gehaltenen Meinungsermittlung würden sich 40 Prozent der Befragten für die linke FMLN aussprechen, stellt Keller in dem Ende 2007 verfaßten Dokument fest. 50 Prozent aber würden zur ARENA-Partei tendieren, wenn die Frage manipulativ gestellt wird: »Wen würden Sie wählen, wenn Ihnen bewiesen würde, daß der Kandidat der FMLN, Mauricio Funes, das Land kommunistisch umwälzen, das Privateigentum abschaffen, die Kinder sozialistisch indoktrinieren, die Beziehungen zu den USA abbrechen und eine autoritäre Regierung errichten will?«
Auf 90 Seiten gibt Keller der ARENA-Führung und dem bayrischen Auftraggeber der Studie weitere solche Ratschläge. Auf die Frage nach den massiven Einkommensunterschieden, zunehmender Korruption und mangelnder Meinungsfreiheit in dem rechtsregierten Staat hat Keller eine einfache Lösung parat: »Schweigen«. Der Verfasser liegt dabei mit den Auftraggebern und den Adressaten politisch auf einer Linie. In Venezuela, so schrieb Alfredo Keller wenige Monate nach einem Putschversuch gegen Präsident Chávez, laufe ein »tödlicher Machtkampf« zwischen zwei ideologisch konträren Positionen: »Ein rachsüchtiger autoritärer Sozialismus steht einer dem Markt offenen Demokratie gegenüber.«
In Berlin sieht man in einer solchen Frontbildung der Hanns-Seidel-Stiftung kein Problem. Verstöße gegen rechtliche Bestimmungen seien »nicht erkennbar«, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion. Die Studie diene lediglich der »Erforschung gesellschaftlicher Veränderungen«. Im übrigen seien deutsche Stiftungen in El Salvador tätig, um »zu helfen, eine auf Versöhnung und Entwicklung gerichtete demokratische Ordnung aufzubauen«. Auch die bayrische Stiftung selbst sieht ihre Aufgabe darin, »die Grundlage einer demokratischen politischen Kultur zu schaffen«. Im Gespräch mit junge Welt bezeichnete die entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Heike Hänsel, die Reaktion der Bundesregierung als »skandalös«. Die Regierungskoalition bescheinigte in ihrer Antwort der ARENA-Partei einen »demokratischen Wandlungsprozeß«. Die beginnende Wahlkampage beweise aber das Gegenteil.
* Aus: junge Welt, 2. Mai 2008
"Sieg der FMLN würde die ganze Region verändern"
Übernahme der Regierung durch die Linke in El Salvador soll mit allen Mitteln verhindert werden. Ein Gespräch mit Sigrido Reyes Morales *
Sigfrido Reyes Morales ist Abgeordneter der Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) und Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Parlaments
Im kommenden März stehen in El Salvador Präsidentschaftswahlen an. Ihr Kandidat, Mauricio Funes, liegt derzeit in Führung. Was würde sich unter ihm verändern?
Unter einer FMLN-Regierung würde der lange notwendige Wechsel eingeleitet: der Kampf gegen die Armut, gegen die Ungleichheit und die soziale Ausgrenzung. Die Korruption in der Regierung wird zurückgedrängt werden.
Aus der rechten Regierungspartei ARENA heißt es, Sie wollen das Land in eine »kommunistische Diktatur« verwandeln. Sind solche Kampagnen erfolgreich?
In der Vergangenheit waren sie das, denn sie konnten mit der massiven Unterstützung der privaten Medienkonzerne und dem relativ unverhohlenen Beistand ultrarechter Funktionäre der Republikanischen Partei aus Washington rechnen. Inzwischen sind die Chancen geringer, weil die Leute die Diffamierungsversuche hinterfragen. Trotzdem sind sie nicht wirkungslos, denn die Rechte konzentriert sich bei diesen Angst- und Erpressungskampagnen auf die Teile der Bevölkerung, die am wenigsten in der Lage sind, sie zu entlarven: auf die Landbevölkerung und konservative religiöse Gruppen.
Vor wenigen Wochen wurde bekannt, daß die deutsche Hanns-Seidel-Stiftung für die ARENA-Partei eine Studie erstellen ließ, in der Ihre Partei als Marionette Kubas und Venezuelas dargestellt wird. War es das erste Mal, daß eine ausländische Kraft Einfluß nimmt?
Nein, ARENA arbeitet mit rechten Kräften in den USA und Lateinamerika ebenso zusammen wie mit Gesinnungsfreunden in Asien und Europa. Aus Europa hat sie bislang vor allem von der konservativen spanischen Volkspartei von José María Aznar Beistand bekommen. In der vergangenen Zeit haben wir gesehen, daß auch andere rechte Gruppen, unter ihnen die Hanns-Seidel-Stiftung, ihr zur Hilfe kommt. So soll ein progressiver und demokratischer Wandel in El Salvador offenbar verhindert werden. Seit diese aus Deutschland finanzierte Studie verfaßt wurde, hat sich der Wahlkampf der ARENA im Sinne der Empfehlungen verändert.
Was halten Sie von der Hilfe der Hanns-Seidel-Stiftung?
Was ich davon halte? Das ist eine unverfrorene und widerwärtige Einmischung in Angelegenheiten, die nur uns Salvadorianer etwas angehen. Was würden denn die deutschen Wähler sagen, wenn eine Stiftung aus unserem Land sich in den Wahlkampf einmischen würde? Es würde als interventionistischer Akt verurteilt werden und hätte womöglich sogar rechtliche Konsequenzen für die Verantwortlichen.
Die deutsche Regierung sieht das entspannter. In der Antwort auf eine Anfrage der Linkspartei teilte sie solche Bedenken nicht.
Am Ende wird es nicht der Regierung, sondern den Menschen in Deutschland obliegen, dieses beschämende Kapitel zu beurteilen. Es ist inakzeptabel, daß sich eine deutsche Stiftung derart in eine Wahlkampagne einmischt, auf wessen Seite auch immer. So wird Demokratie nicht gefördert!
Der amtierende Präsident Antonio Saca ist vor wenigen Wochen auch in die USA gereist, um finanzielle Unterstützung zu mobilisieren. Wer hilft ihm in Washington?
Neben dem rechten Flügel der Republikanischen Partei erhält Saca vor allem aus der kubanischen Exilgemeinde Hilfe. Das ist eine Symbiose: El Salvador dient im Gegenzug als Operationsbasis für terroristische Angriffe gegen Kuba. Luis Posada Carriles, einer der bekanntesten Terroristen gegen Kuba, wurde von der salvadorianischen Regierung unterstützt.
Von Europa aus betrachtet ist der Aufwand zunächst schwer nachvollziehbar, mit dem gegen Ihre Partei vorgegangen wird. Weshalb die Aufregung?
Mit einem Sieg der FMLN würde sich Mittelamerika politisch grundlegend verändern. Unser Land ist eines der letzten dieser Region, das von ultrarechten Kräften beherrscht wird. Wir sind das einzige Land der Region, das noch Soldaten für den US-Krieg in Irak zur Verfügung stellt und offen Verschwörungen gegen Kuba und Venezuela unterstützt.
Im salvadorianischen Comalapa befindet sich eine US-Militärbasis. Würde eine FMLN-Regierung ihr kündigen, wie es Ecuadors Präsident Rafael Correa im Fall der US-Basis in Manta plant?
Ja, denn wir waren schon immer gegen diese Basis, weil sie klar gegen das Prinzip der nationalen Souveränität verstößt.
Interview: Harald Neuber
* Aus: junge Welt, 2. Mai 2008
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