Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Gegenwind aus dem eigenen Haus

El Salvadors Präsident Funes hält vor den Parlamentswahlen Distanz zur Linken

Von Michael Krämer *

Am 11. März werden in El Salvador die Bürgermeister und die Abgeordneten zum Parlament gewählt. Die Partei der ehemaligen Guerilla FMLN ist bisher stärkste Kraft im Parlament, steht aber einer rechten Mehrheit gegenüber.

Seit drei Jahren stellt die Front für die Nationale Befreiung Farabundo Martí (FMLN) mit Mauricio Funes den Präsidenten in El Salvador. Doch es sieht so aus, dass die ehemalige Guerillabewegung nicht vom Amtsbonus des ehemaligen Fernsehjournalisten Funes profitieren kann. Der ist zwar auf dem Ticket der FMLN in den Präsidentenpalast eingezogen, das Verhältnis zwischen Partei und Regierungschef hat sich seitdem jedoch deutlich abgekühlt.

Funes möchte sich als Präsident der Mitte profilieren und setzt auf eine strategische Partnerschaft mit den USA. Die FMLN sieht El Salvadors Zukunft eher im lateinamerikanischen Staatenbündnis ALBA unter Führung von Venezuelas Präsident Hugo Chávez und setzt sich für eine entschiedenere Unterstützung der armen Bevölkerungsmehrheit ein. Letzter Streitpunkt war die Remilitarisierung der öffentlichen Sicherheit durch den Präsidenten. Nach und nach entließ er in den vergangenen Monaten alle FMLN-Mitglieder aus dem sogenannten »Sicherheitskabinett« und setzte Ex-Militärs an die Spitze des Ministeriums für Justiz und öffentliche Sicherheit sowie der Polizei. Vor allem die Ernennung des bisherigen Vizeverteidigungsministers General Francisco Salinas zum neuen Chef der Zivilen Nationalpolizei (PNC) im Januar erzürnte die FMLN, aber auch Menschenrechtsorganisationen und zahlreiche weitere Organisationen der Zivilgesellschaft kritisierten Funes dafür. Schließlich war die Vereinbarung, der PNC-Chef dürfe kein Militär sein, eine der wichtigsten Errungenschaften des Friedensabkommens, das 1992 einen zwölfjährigen Bürgerkrieg mit über 70 000 Toten beendete; eine Vereinbarung, die Verfassungsrang erhielt.

Aber auch im Wahlkampf machte sich der Präsident bei der FMLN nicht eben beliebt. Den verbliebenen FMLN-Ministern untersagte er, sich im Wahlkampf zu engagieren, und verbot ihnen sogar, in rot, der traditionellen Parteifarbe der FMLN, aufzutreten. Dabei sind es gerade einige der von FMLN-Vertretern geführte Ministerien, die beachtenswerte Erfolge vorzuweisen haben. So erhalten heute alle Schüler kostenlose Schulkleidung und Schuhe, mittellose alte Menschen eine Grundrente, und die Untersuchungen des staatlichen Gesundheitssystems sind kostenlos.

Die Wechselstimmung von 2009 ist verflogen. Parteichef Medardo González hat zwar als Zielmarke mit 43 Sitzen die absolute Mehrheit im Parlament ausgegeben, »um Gesetze erlassen zu können, die der Bevölkerungsmehrheit zugute kommen«. Doch die FMLN kann zufrieden sein, wenn sie am Sonntag erneut stärkste Partei wird und ihre derzeit 35 Parlamentssitze halten kann. Schon der Zugewinn von ein oder zwei Mandaten wäre ein großer Erfolg.

Im Aufwind befindet sich die rechte Republikanisch-Nationalistische Allianz (ARENA), die 2009 32 Sitze erreichte, sich danach aber spaltete und fast die Hälfte ihrer Mandate an die neue Partei GANA verlor. Die Umfragen der letzten Wochen sahen FMLN und ARENA gleichauf oder gaben der ehemaligen rechten Regierungspartei sogar einen Vorsprung vor der FMLN. Dritte Kraft und damit potenzielle Mehrheitsbeschafferin sowohl für ARENA als auch für die FMLN wird aller Voraussicht nach GANA, die sich als Partei der moderaten Rechten zu präsentieren versucht.

Spannend werden auch die Kommunalwahlen, bei denen die Bürgermeister und Gemeinderäte der 262 Landkreise El Salvadors neu bestimmt werden. Bislang regiert die FMLN in 96 Landkreisen, darunter den meisten bevölkerungsreichen Kommunen der Hauptstadtregion. Aussichtslos scheint für die FMLN allerdings der Kampf um das Bürgermeisteramt der Hauptstadt San Salvador, das sie vor drei Jahren an ARENA verloren hat: Amtsinhaber Norman Quijano liegt in sämtlichen Umfragen deutlich vor seinem Herausforderer Jorge Schafik Handal, Sohn des legendären FMLN-Anführers Schafik Handal. Gut möglich wäre, dass Quijano nach einem erneuten Wahlsieg in der Hauptstadt nächster Präsidentschaftskandidat von ARENA für die Wahlen in zwei Jahren wird.

* Aus: neues deutschland, 10. März 2012


Zurück zur El-Salvador-Seite

Zurück zur Homepage