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Präsident im Alleingang

El Salvador: Mauricio Funes macht Exmilitär zum neuen Sicherheitsminister

Von Oliver Lüthi, San José *

In El Slavador wurde in dieser Woche David Munguía als neuer Sicherheits- und Justizminister vereidigt. Selbst in Polizeikreisen hatte es Widerstand gegen die Einsetzung des ehemaligen Militärs an der Spitze eines zivilen Ministeriums gegeben. Ähnliche Vorbehalte waren zuvor bereits von zahlreichen Mitgliedern der regierenden Nationalen Befreiungsfront Farabundo Marti (FMLN) geäußert worden. Diese Diskrepanzen deuten auf eine zunehmende Entfremdung zwischen Präsident Mauricio Funes und dessen Partei hin. Die Kluft wird auch im Zusammenhang mit einem kürzlich unterzeichneten Kooperationsabkommen zwischen El Salvador und den USA deutlich, welches den Einstieg von Privaten in Staatsbetriebe vorsieht.

Auch wenn führende Funktionäre der FMLN im Anschluß an die Amtseinsetzung von Munguía um eine Glättung der Wogen bemüht waren, betrachten sie dessen Ernennung als offene Provokation. Roberto Lorenzana, Sprecher der Parlamentsfraktion der regierenden Linkspartei, hatte diese als »bisher vielleicht schwerwiegendsten Angriff« auf die Friedensverträge von 1992 bezeichnet. Diese beendeten zehn Jahre Bürgerkrieg zwischen der Guerillabewegung der FMLN und der Militärdiktatur.

Ähnlich wie Lorenzana äußerte sich Parlamentspräsident Sigfrido Reyes, ebenfalls FMLN, der die angekündigte Ernennung von Munguía als einen »demokratischen Rückschritt« für das Land bezeichnete. Die Berufung von Munguía wurde auch von Menschenrechtsorganisationen kritisiert. Diese sei ein Angriff auf den Geist der Friedensverträge, welche die Befugnisse des Militärs massiv eingeschränkt hatten. Trotzdem hatte Funes bereits vor der Wahl von Munguía verlauten lassen, daß er sich nicht von seiner Entscheidung abhalten lassen werde.

Der Konflikt zwischen Funes, dessen eigener Partei und bedeutenden Teilen der sozialen Bewegung des Landes hatte sich schon im Vorfeld der Ernennung von Munguía zugespitzt. Hintergrund ist das im laufenden Monat unterzeichnete Kooperationsabkommen zwischen El Salvador und den USA, welches Staatsbetriebe des Landes für privates Kapital öffnet. Der Vertrag war anläßlich des Besuchs des US-Präsidenten im Frühjahr entworfen worden. Mit Verweis auf die angebliche Exportschwäche des Landes sieht dieses unter anderem den Bau und Betrieb von öffentlichen Infrastrukturprojekten durch Private vor. Zu den Objekten, welche im Kooperationsvertrag erwähnt werden, gehören der internationale Flughafen von El Salvador und der Hafen von La Unión im Osten des Landes.

Kritiker erkennen im Abkommen die bevorstehende Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. Die Menschenrechtsorganisation FESPAD hat in einem kürzlich veröffentlichten Kommuniqué außerdem auf die arbeitsrechtlichen Gefahren verwiesen, welche mit der Unterzeichnung des Kooperationsvertrags verbunden sind. Experten befürchten dadurch eine vermehrte Prekarisierung der Arbeitsbedingungen. Andere Opponenten sehen El Salvador zunehmend am Gängelband der USA. Für sie ist das Abkommen nichts weiter als Ausdruck des Versuchs der USA, in Zeiten wirtschaftlicher Krisen neue Absatzmärkte für die heimische Wirtschaft zu finden.

* Oliver Lüthi arbeitet für das unabhängige Kommunikationszentrum Voces Nuestras, Costa Rica.

Aus: junge Welt, 26. November 2011


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