Partei der Armen
El Salvadors FMLN-Regierung verweist auf Erfolge, doch rechte Opposition erstarkt
Von André Scheer *
Am kommenden Montag (19. Dez.) soll in El Salvador der erste Regierungsbezirk zu einem vom Analphabetismus befreiten Gebiet erklärt werden. Comacarán im Departamento San Miguel, rund 160 Kilometer östlich der Hauptstadt San Salvador, sei damit die erste Region, in der die nach dem Wahlsieg der linken Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) 2009 begonnene Alphabetisierungskampagne erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Das sagte El Salvadors Vizepräsident Salvador Sánchez Cerén am vergangenen Sonntag bei einer Parteiveranstaltung. Drei weitere Bezirke sollen ebenfalls noch im Dezember in dieser Weise ausgezeichnet werden.
Als der von der FMLN aufgestellte Mauricio Funes am 1. Juni 2009 das höchste Staatsamt antrat, zählte das zentralamerikanische Land den offiziellen Angaben zufolge rund 650000 Menschen über 15 Jahren, die nicht lesen und schreiben konnten. Das entsprach 17,9 Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Als Ziel gab die Regierung daraufhin aus, diesen Anteil bis zum Ende ihrer Amtszeit 2014 mit Hilfe von mehr als 16000 Freiwilligen zumindest um vier Prozentpunkte zu senken. Seither hätten bereits 100000 Menschen mit Hilfe der kubanischen Unterrichtsmethode »Yo Sí Puedo« (Ja, ich kann) lesen und schreiben gelernt, berichtete die Agentur Prensa Latina.
Am Dienstag (13. Dez.) kündigte Funes an, die Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut auszubauen. Im zu Ende gehenden Jahr habe seine Regierung 173 Millionen US-Dollar für soziale Maßnahmen ausgegeben, 2010 seien es 134 Millionen gewesen. Demgegenüber habe die vorherige Administration, die von der Rechtspartei ARENA gestellt worden war, 2008 nur 24 Millionen Dollar in solche Vorhaben investiert.
Um mehr Mittel für die Sozialprogramme zu gewinnen, betreibt Funes’ Kabinett im Parlament derzeit eine Steuerreform zugunsten der untersten Einkommensschichten. Gehälter unter 503 US-Dollar im Monat sollen künftig abgabenfrei sein, wovon mehr als 260000 Arbeiter profitieren würden. Demgegenüber werden die Steuern für drei Prozent der Zahlungspflichtigen, diejenigen, die mehr als 6000 Dollar im Monat verdienen, erhöht. Außerdem sollen die derzeit bei 25 Prozent liegenden Abgaben auf Unternehmensgewinne auf 30 Prozent steigen, was dem Niveau der Nachbarländer entspreche, so Funes.
Zählen kann der Regierungschef auf die Unterstützung der 35 FMLN-Abgeordneten, obwohl es zwischen Funes und der Partei in den letzten Monaten verstärkt zu Konflikten gekommen war. Die sozialistisch orientierte FMLN-Basis nimmt dem Präsidenten dessen offenen Schulterschluß mit den USA und die im November erfolgte Ernennung eines Militärs, des Generals David Munguía Payés, zum neuen Justiz- und Sicherheitsminister übel (siehe jW vom 26.11.). An die Streitkräfte haben die Aktivisten der früheren Guerillaorganisation böse Erinnerungen aus dem erst 1992 beendeten Bürgerkrieg, der Schätzungen zufolge 75000 Menschen das Leben kostete. Die meisten zivilen Opfer dieses zwölfjährigen Krieges gingen auf das Konto der vom damaligen Militärregime und der ARENA-Partei gebildeten Todesschwadronen.
Trotzdem kann die erst 2009 aus der Regierung abgewählte ARENA darauf hoffen, bei den im kommenden März stattfindenden Parlamentswahlen die FMLN als stärkste Kraft im Abgeordnetenhaus abzulösen. Jüngste Umfragen sagen derzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen beiden Parteien voraus, nachdem die Befreiungsfront noch vor wenigen Monaten einen Vorsprung mit zweistelligen Prozentwerten verbuchen konnte. Vizepräsident Sánchez Cerén räumte deshalb bereits ein, daß auf die Linkspartei ein harter Wahlkampf zukomme: »Wir müssen die Ansicht der Menschen besiegen, daß sich nichts verändert habe und daß eine Stimme für die FMLN nichts bringt. Wir müssen ihnen zeigen, daß es die Partei war, die ihnen alle vorgenommenen Veränderungen gebracht hat.« Bei den Wahlen gehe es um eine Richtungsentscheidung: Die ARENA sei die Partei der Reichen, die FMLN die der Armen.
* Aus: junge Welt, 15. Dezember 2011
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