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"Es muss weiter gegen Ölförderung gekämpft werden"

Ecuadors Regierung lud deutsche Parlamentarier aus, die mit Umweltaktivisten reden wollten. Gespräch mit Alberto Acosta *


Alberto Acosta ist Politiker des ecuadorianischen Linksbündnisses Unidad Plurinacional de las Izquierdas. Als Präsidentschaftskandidat trat der Soziologe 2013 gegen Regierungschef Rafael Correa an, seinen ehemaligen Verbündeten, landete aber mit 3,2 Prozent auf dem vorletzten Platz.

Das ecuadorianische Außenministerium hat einer Delegation des Deutschen Bundestages nur vier Tage vor ihrer seit Monaten geplanten Reise in Ihre Heimat die Einreise verboten. Das Programm, darunter Gespräche mit der oppositionellen Umweltgruppe Yasunidos und einer oppositionellen Präfektin, sei politisch einseitig, hieß es zur Begründung …

In Ecuador trifft diese Entscheidung auf wenig Verständnis. Die Regierung hatte die Informationen zu den Gesprächspartnern, die ihr so unangenehm sind, lange vorliegen. Darum hatte sie auch immer die Möglichkeit, die Agenda noch zu beeinflussen, und andere Gesprächspartner festzulegen. Soweit ich weiß, hat einer der deutschen Abgeordneten das Außenministerium über die Reise informiert, und zwar Monate vorab. Für die Regierung in Quito gab es also überhaupt keine Überraschung. Die Absage der Reise ist etwas nie Dagewesenes: In einem demokratischen Land wird verboten, mit bestimmten Personen zu sprechen. Dennoch kommt es jetzt auf Deeskalation an.

Sie haben sich auf der Weltklimakonferenz in Lima mit den Abgeordneten getroffen. Wie wird diese Episode die deutsch-ecuadorianischen Beziehungen beeinflussen?

Die Beziehungen sind schon beeinträchtigt. Unsere Regierung verhält sich auch allgemein autoritär. So wurde einer Gruppe junger Yasunidos-Umweltaktivisten die Ausreise zur UN-Klimakonferenz erschwert. Solche Signale beeinträchtigen natürlich das Bild von Ecuador im Ausland und die Beziehungen zu Ländern der Europäischen Union.

Vielleicht wollte Ecuador ein Zeichen der Stärke senden: Seht her, wir erlauben keine Einmischung von außen, was im Land sicher vielen Menschen gefällt?

Soweit ich weiß, war die Reaktion vieler Menschen eher Unbehagen. Imperialistische Einmischung muss natürlich gestoppt werden. Aber der Besuch einer deutschen Delegation aus dem Bundestag, deren Reise niemand mitbekommen hätte? Das war ein Eigentor, genau wie die Geschichte mit den Yasunidos.

Aktuell gab es Medienberichte, dass der Mord am indigenen Bergbaugegner José Tendetza, der wenige Tage vor der Klimakonferenz tot und mit Folterspuren aufgefunden wurde, etwas mit der Auseinandersetzung um geplante Ölbohrungen im Yasuní-Nationalpark zu tun haben könnte …

Das hat nichts miteinander zu tun. Ich aber habe Informationen, dass Tendetza auch vor dem Tribunal der Naturrechte in Lima als Zeuge auftreten sollte. Er sollte über Umweltschäden Zeugnis ablegen, welche das chinesische Bergbauunternehmen Ecsa zu verantworten hat. Zwei Tage vor seiner Reise ist Tendetza verschwunden. An seiner Leiche wurde zunächst keine Autopsie gemäß der entsprechenden Vorschriften durchgeführt. Dann haben Generalstaatsanwaltschaft und Polizei sein Haus nach Unterlagen durchsucht, ohne Durchsuchungsbefehl. Da fragen wir uns natürlich: Was passiert da?

Was der Tendetza-Fall klar zeigt, das ist, wie sich das politische Klima durch Bergbauaktivitäten verhärtet. Raubbau von solchen Dimensionen erzeugen Gewalt gegen Mensch und Natur. Gemeinden werden zerstört. Es gibt Anzeichen, dass sich die Regierung in Richtung extremen Autoritarismus bewegt. Menschen werden kriminalisiert und verfolgt, seien es Jugendliche oder Umweltaktivisten.

Was kann Deutschland nach dem diplomatischen Affront aus Quito zum Waldschutz in Ecuador beitragen? Ist die Initiative zum Schutz von Yasuní, die auch am Unwillen der reichen Länder scheiterte, Ecuador für den Erhalt dieses Weltnaturerbes zu »bezahlen«, wiederbelebbar?

Es muss weiter für Yasuní gekämpft werden. Der Nationalpark ist ein Symbol, nicht nur in Ecuador, sondern weltweit. Die große Aufgabe ist, dass wir nicht nur ein Yasuní schaffen müssen, nicht zwei oder drei, sondern 1.000 Yasunís. Mit einer großen weltweiten Allianz von Regierungen und Zivilgesellschaft und der Botschaft an die Politik in Ecuador: »Lasst das Öl in der Erde! Gebt uns noch mal fünf Jahre, um die Gelder zusammenzubekommen.« Dann wäre eine neue Yasuní-Initiative möglich. Dafür müsste viel mit Ecuadors Zivilgesellschaft gearbeitet werden.

Interview: Interview: Benjamin Beutler

* Aus: junge Welt, Montag, 29. Dezember 2014


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