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Erdöl aus den Tiefen des Regenwaldes

Förderung im Yasuní-Nationalpark beginnt – Umweltbedenken bleiben

Von Harald Neuber *

Nahe dem Yasuní-Nationalpark in Ecuador wird nun das umstrittene Ölfördergebiet erschlossen. Die Regierung will die Einnahmen für die regionale Entwicklung nutzen. Streit gibt es mit Umweltschützern.

Drei Monate nachdem das Parlament in Ecuador die Ausbeutung von Erdölreserven im Amazonasgebiet im Osten des Landes erlaubt hat, beginnt nun die Erschließung. Nach Angaben der Regierungszeitung »El Telégrafo« sollen die vorbereitenden »Ingenieurarbeiten« noch im Januar starten, ein Datum wurde nicht genannt. Der Minister für nicht erneuerbare Energien, Pedro Merizalde, sagte gegenüber dem Regierungsblatt, dass die Arbeiten im Erdölfeld Tiputini in Angriff genommen werden. Zunächst seien aber »Tausende Arbeitsstunden« nötig, um die Umwelt bei der Förderung so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Die Bohrungen sollen im Förderblock 43 am linken Ufer des Río Tiputini beginnen – knapp außerhalb des artenreichen Yasuní-Nationalparks.

Die geplante Förderung im ökologisch sensiblen Amazonas-Regenwald schlägt in Ecuador und international hohe Wellen. Ursprünglich wollte die Regierung von Präsident Rafael Correa die dortigen Erdölreserven unangetastet lassen, wenn die Industriestaaten für einen Teil der ausbleibenden Gewinne aufkommen. Nachdem das Projekt am Desinteresse der Konsumentenstaaten scheiterte, beantragte Correa beim Parlament die Förderung. Nun hat er weltweit Umweltgruppen gegen sich.

Angesichts der aufgeheizten Debatte versucht die Regierung, die lokale Bevölkerung in die Entscheidungen einzubinden. In mehreren Gemeinden des Tiputini-Feldes seien in den vergangenen Wochen Informationsveranstaltungen und Befragungen organisiert worden. 1817 Bewohner sollen teilgenommen haben, heißt es von Regierungsseite. »Alle Personen wünschen sich, dass die Förderung beginnt, damit in soziale Projekte und den Arbeitsmarkt investiert werden kann«, so Merizaldes überschwängliches Urteil. Die Gemeinden bestehen laut »El Telegrafo« jedoch darauf, dass die Umwelt so wenig wie möglich beeinträchtigt wird und ein Teil der Einnahmen in das Gesundheits- und Bildungssystem, die Kommunikationsinfrastruktur sowie den Tourismus investiert wird. In jedem Fall müssten Jobs entstehen und Weiterbildungen angeboten werden.

Umweltschützer stellen das Meinungsbild in Frage. Die Stimmung zwischen einem Teil der Ökobewegung und der Regierung ist ohnehin aufgeheizt, seit eine Organisation wegen mutmaßlicher Beteiligung an gewaltsamen Protesten verboten wurde. Vor diesem Hintergrund ziehen Vertreter des Bündnisses Yasunidos die Rechtmäßigkeit der Abstimmungen in der Förderregion in Zweifel. Gegenüber der regierungskritischen Zeitung »El Universo« sagten Aktivisten, dass sich fast alle Gemeinden, in denen Befragungen stattfanden, außerhalb des Fördergebietes befinden. Nach recherchierbarem Kartenmaterial liegen die Orte jedoch im Block 43. Auf der Facebook-Seite von Yasunidos findet sich zudem ein Bericht, demzufolge die Bewohner des Ortes Yanchama drei anberaumte Veranstaltungen boykottiert haben. Überprüfen lassen sich die jeweiligen Angaben nicht. Um die Ölforderung Ecuadors wird ein für Außenstehende kaum noch durchschaubarer Meinungskrieg geführt.

Die Regierung beharrt indes auf ihr Recht, die Ressourcen auszubeuten. Nach dem reformierten Ressourcengesetz müssen mindestens zwölf Prozent der Gewinne aus dem Erdölgeschäft zur Entwicklung der betroffenen Region verwendet werden. In den Orten Pañacocha und Playas de Cuyabeno sind bereits Siedlungen mit je rund 80 Häusern entstanden. Insgesamt sollen in Ecuador 200 dieser Neubaukolonien in entlegenen Gegenden errichtet werden. Der Name der ersten dieser Siedlungen kommt wenig bescheiden daher – Ciudad de Milenio (Millenniumsstadt).

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 8. Januar 2014


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