Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Mit jedem Glas Wasser nimmst du Gift zu dir"

In Ecuador sind die vom Ölmulti Chevron-Texaco verursachten Umweltschäden immer noch spürbar. Ein Gespräch mit Donald Moncayo *


Donald Moncayo arbeitet seit 2002 mit der Organisation der Chevron-Texaco-Geschädigten zusammen. Er organisiert die Führung »Toxi-Tour« zu den Umweltschäden und den betroffenen Gemeinden im Amazonasgebiet.


Sie sind als Betroffener und Zeuge im Verfahren gegen Chevron-Texaco aufgetreten. In Ecuador wurde der Konzern für die Umweltschäden verurteilt, die der Vorgänger Texaco angerichtet hatte. Jetzt sollen die Strafzahlungen vor den Gerichtshöfen anderer Länder durchgesetzt werden, in denen Chevron-Texaco Anlagen hat, zum Beispiel in Kanada. Wie läuft der Prozeß aus Ihrer Sicht?

Das Verfahren läuft gut. Wir werden erreichen, daß die Justiz anerkennt, welchen Schaden Texaco angerichtet hat. In Ecuador gab es bereits drei Urteile. Wir denken, daß Chevron-Texaco zahlen muß, damit die Umweltschäden soweit wie möglich beseitigt werden können, und wir werden alles unternehmen, damit das passiert.

Was sind Ihre Gründe, sich an dem Verfahren zu beteiligen?

Ich bin 1973 im Amazonasgebiet geboren, etwa 200 Meter entfernt vom zweiten Förderbecken Texacos. Ich bin über das Öl gelaufen, das sie auf den Straßen ausgeschüttet haben. Ich sah, wie die Flüsse, in denen ich gebadet hatte, völlig verschmutzt vorbeiflossen und fast mehr aus Öl als aus Wasser bestanden. Sie haben das Leben in den Gewässern zerstört. Ihre Becken haben sich in Fallen für die Tiere verwandelt. Den Schaden gibt es immer noch. Chevron-Texaco hat nur Erde draufgekippt.

Ist es überhaupt möglich, alles zu reinigen?

Wir wissen, daß man nicht alles reinigen kann. Das zu behaupten, wäre eine Lüge. Aber man kann 80 bis 90 Prozent des Schadens beheben und ein gesundes Leben für die Bevölkerung in der Gegend garantieren, wenn der Boden und die Gewässer gereinigt sind. Es wird etwa 30 Jahre dauern, bis sich die Erde und die Flüsse erholt haben.

Wie wirken sich die Umweltschäden auf die Menschen aus?

Am meisten ist die Wasserversorgung beeinträchtigt – obwohl wir im Amazonasgebiet leben, von dem alle glauben, daß es dort mehr als genug Süßwasser gibt. Aber das ist kontaminiert. Wir haben Glück, daß es viel regnet und wir das Regenwasser nutzen können. Das Wasser aus den Flüssen ist schließlich nicht verwendbar. Mit jedem Glas davon nimmst du Gift zu dir, das dich langsam tötet, denn du kannst dir damit Krankheiten zuziehen wie Krebs oder Leukämie. Die Medikamente sind sehr teuer. Das Amazonasgebiet ist das ärmste des Landes. Warum? Du verlierst Tiere, gibst viel Geld für Medizin aus oder eben für Wasser. Der Schaden an der Flora und Fauna wirkt sich besonders auf die indigenen Gemeinden stark aus.

Was war das Schlüsselerlebnis für die Betroffenen, um sich gegen Chevron-Texaco zusammenzuschließen?

Ich erinnere mich, daß es Ende der 80er Jahre eine Krebsepidemie gab, bei der viele Menschen starben. Damals kamen auch Experten und haben Studien gemacht. So wurde festgestellt, daß das Problem der Gegend das Öl war – und damit das Unternehmen, das damals dort gefördert hat. Wir als Betroffene wußten, wenn wir uns gegen einen solchen Großkonzern nicht zusammenschließen, würden wir es nicht schaffen. Deshalb haben wir angefangen, uns zu treffen und zu reden – uns zu organisieren.

Wie ist das abgelaufen?

Wir haben Versammlungen einberufen. Daraus entwickelte sich 1994 die »Front zu Verteidigung des Amazonasgebiets«. Sie tritt weltweit als Initiative gegen die Verbrechen von Chevron-Texaco in dieser Region auf. Die ethnischen Gruppen haben auch eigene Organisationen. 2011 entstand die UdA, die Union der von Texaco Geschädigten – eine Art Dachverband mit einem Koordinator, einem Exekutivkomitee sowie der sogenannten Versammlung der Betroffenen. Die Delegierten treffen die Entscheidungen, besuchen aber auch die Gemeinden, um die Leute nach ihrer Meinung zu fragen. Das wird an die Versammlung zurückgetragen und dort sowie im Exekutivkomitee analysiert. Daraus ergibt sich die Orientierung, die wir an die Anwälte weitergeben. Das ist kein Verfahren der Juristen, es ist wirklich unser Verfahren.

Wie finanziert sich die Organisation?

Wir haben bis jetzt sehr viele finanzielle Einschränkungen. Um in die Gemeinden fahren zu können und die Treffen zu finanzieren, sind wir dringend auf Spenden von Nichtregierungsorganisationen angewiesen. Es ist sehr kompliziert, das ganze Gebiet abzudecken, auf dem Texaco operierte. Wir schaffen das durch unsere Delegierten. Sie und die Gemeinden tragen am meisten bei, auch wenn sie kein Geld haben. Aber sie kommen zu den Versammlungen

Interview: Lena Kreymann

* Aus: junge Welt, Samstag, 22. Februar 2014


Zurück zur Ecuador-Seite

Zur Ecuador-Seite (Beiträge vor 2014)

Zur Umwelt-Seite

Zur Umwelt-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage