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"Sie sind in ihrem System der Straflosigkeit bedroht"

Das ecuadorianische Urteil gegen Ölmulti Chevron wegen Umweltschäden soll international durchgesetzt werden. Ein Gespräch mit Pablo Fajardo *


Pablo Fajardo ist Anwalt und leitet den juristischen Stab der Kläger gegen Chevron-Texaco. Er lebt selbst seit vielen Jahren in ­Sucumbíos, einer der betroffenen Provinzen.


Der Konzern Chevron-Texaco ist in Ecuador auch auf höchstrichterlicher Ebene dazu verurteilt worden, die Beseitigung der Schäden zu finanzieren, die er bei der Erdölgewinnung im ecuadorianischen Amazonasgebiet in den 70er und 80er Jahren angerichtet hat. Der Ölmulti weigert sich aber zu zahlen. Wie wollen Sie als Vertreter der indigenen Kläger die Forderungen durchsetzen?

Während des Verfahrens hat Chevron alles verkauft, was es in Ecuador hatte und das Land verlassen. Chevron hat dort keine Anlagen. Der Konzern hat aber viele Güter auf der ganzen Welt – Bankkonten, Raffinerien oder Zweigstellen, die mit Kraftstoff handeln. Damit Chevron die Strafe begleicht, richten wir uns an Gerichtshöfe außerhalb Ecuadors. Wir sind beispielsweise nach Kanada gegangen, nach Brasilien, nach Argentinien und das werden wir so lange tun, bis Chevron die Strafe bezahlt hat.

Was fordern Sie vor den Gerichtshöfen in den anderen Ländern?

Wir wollen, daß das Urteil übertragen wird. Das ist so ähnlich wie die Anerkennung eines akademischen Titels im Ausland. Das Urteil gilt zunächst nur in Ecuador. Damit es auch in anderen Ländern gilt, muß es gerichtlich anerkannt werden. Wenn das einmal passiert ist, ist der zweite Schritt, es auch umzusetzen und die Strafzahlungen einzufordern. Je nach Möglichkeit wollen wir etwa die Bankkonten einfrieren, die Gewinne direkt auf ein Konto für die Betroffenen umleiten oder die Fabriken beschlagnahmen, verkaufen und den Erlös den Opfern zukommen lassen.

Wie wählen Sie die Länder aus, in die Sie das Verfahren tragen?

Wir analysieren einerseits die Anlagen, die Chevron in dem jeweiligen Land hat. Zweitens untersuchen wir die Rechtssysteme darauf hin, ob die Gesetze dieses Landes uns erlauben, das ecuadorianische Urteil umzusetzen. Wir nehmen also eine sehr umfassende soziale, ökonomische und juristische Analyse vor und entscheiden auf dieser Grundlage, in welches Land wir gehen.

Chevron hat Ecuador als Land verklagt. Was hat das mit dem Gerichtsverfahren zu tun?

Unser Verfahren, der Prozeß der Betroffenen gegen Chevron, wurde vor gut 20 Jahren in New York eröffnet. Chevron hat neun Jahre dafür gekämpft, daß der Prozeß nach Ecuador verlegt wird und sich schriftlich verpflichtet, die dortige Justiz anzuerkennen. Wir haben den Fall also vor dem Gericht gewonnen, das Chevron selbst ausgesucht hatte. Die ecuadorianische Regierung war in dem Verfahren weder auf unserer noch auf Chevrons Seite. Der Konzern will jetzt aber, daß Ecuador als Land für seine Verbrechen zahlt. Er hat eine internationale Kampagne gegen die Regierung gestartet. Das Unternehmen hat versucht durchzusetzen, daß die USA keine Wirtschaftsabkommen mit Ecuador schließen, hat eine Medienkampagne gestartet und drei Anträge vor dem internationalen Schiedshof in Den Haag gestellt. Es sind also verschiedene Verfahren, uns vereint nur der Gegner.

Warum wollte Chevron das Verfahren unbedingt nach Ecuador bringen?

Wahrscheinlich weil es vor acht oder zehn Jahren sehr gute Verbindungen zur ecuadorianischen Regierung hatte. Die Konzernvertreter haben wohl gedacht, wenn sie sich mit dieser zusammentun, können sie die Richter beeinflussen, damit sie in Chevrons Sinn entscheiden. Aber sie haben sich geirrt, denn als das Verfahren in das Amazonasgebiet getragen wurde, konnten sich die Betroffenen selbst beteiligen, aktiver werden und vermeiden, daß Korruption geschieht.

Was sind die juristischen Perspektiven?

Es gibt reale Chancen, daß Chevron zahlen muß. Wir arbeiten international an verschiedenen juristischen Fronten und haben sehr gute Chancen in Kanada oder Brasilien. Bald gehen wir auch in andere Länder in Europa und möglicherweise in Asien, vielleicht auch in Afrika. Wir versuchen, den Fall auf die Welt auszudehnen. Dabei erfahren wir viel Solidarität. Dieses Verfahren hat schließlich eine große Bedeutung für die ganze Welt: Wenn wir es gewinnen, fühlen sich die Konzerne bedroht in ihrem System der Straflosigkeit, das sie in Jahrzehnten etabliert haben.

Interview: Lena Kreymann

* Aus: junge Welt, Mittwoch 19. Februar 2014


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