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"Grüner Wartestuhl"

Gegner der Erdölförderung im Nationalpark Yasuní-ITT fordern Volksabstimmung

Von Lena Kreymann *

In Ecuador gewinnt eine Kampagne gegen den geplanten Rohstoffabbau im Nationalpark Yasuní-ITT immer mehr Unterstützer. In den betroffenen Amazonasgebieten sammeln seit vergangenem Dienstag auch die örtlichen Bürgermeister Unterschriften, um eine Volksabstimmung durchzusetzen. Umweltverbände wollen damit die Erdölgewinnung in dem Naturschutzgebiet verhindern, die Präsident Rafael Correa Mitte August angekündigt hat. In einer Fernsehansprache hatte er ein Projekt zum Schutz von Yasuní-ITT für gescheitert erklärt. Die 2007 von der Regierung gestartete Initiative sah vor, die Erdölvorkommen im Park unberührt zu lassen, wenn die Weltgemeinschaft Ecuador die Hälfte des Ertrags erstatte, den es durch den Rohstoffabbau erzielen kann. Es war aber nur etwa ein Prozent der Summe eingegangen, auch die geplanten Zahlungen der BRD waren nach einer deutlichen Absage des Entwicklungsministers Dirk Niebel 2010 ausgefallen.

»Die Welt hat die Chance nicht genutzt, die ITT geboten hat, aber die Zukunft Ecuadors muß darunter nicht leiden.«, heißt es auf der Regierungshome-page zu dem Projekt. Nach aktuellen Plänen soll nur auf 0,1 Prozent des gesamten Gebietes Öl gefördert werden.

Umweltverbände und Indigenengruppen setzen sich allerdings dafür ein, den gesamten Park unangetastet zu lassen. Mitte August hatten mehrere Organisationen eine Volksabstimmung beim Verfassungsgerichtshof beantragt. »Sind Sie damit einverstanden, daß die ecuadorianische Regierung das Rohöl von ITT, bekannt als Block 43, für immer unter der Erdoberfläche läßt?« Zu dieser Frage soll die Bevölkerung Stellung nehmen, wenn die Volksabstimmung zugelassen wird. Dafür müssen 5 Prozent der Wahlberechtigten, also rund 600000 Personen, bis März 2014 für die Befragung stimmen. YASunidos, eine der wichtigsten Organisationen der Protestbewegung, hat bereits Mitte Oktober mit der Unterschriftensammlung begonnen. Die Gruppe schlägt vor, die fehlenden Einnahmen aus der Erdölgewinnung durch höhere Steuern für die Reichen des Landes auszugleichen.

Doch das Geld aus der Rohstoffgewinnung in dem Park wird ohnehin nicht ausreichen, um die Vorhaben der Regierung zu finanzieren. »Es heißt, wir wollen mit dem Geld aus Yasuní-ITT die Armut abschaffen, aber das stimmt nicht. Wir wollen damit nur einen Teil der Armut abfedern, für mehr wird das Geld nicht reichen«, erklärte dazu der ecuadorianische Botschafter Jorge Jurado auf einer Veranstaltung in Berlin am 22. Oktober. In Ecuador sind nach Angaben der Weltbank immer noch 27,3 Prozent der Bevölkerung arm, 11,2 Prozent leben sogar in extremer Armut. Diese zu bekämpfen ist eines der zentralen Ziele der »Bürgerrevolution«, die mit dem Beginn von Correas Präsidentschaft 2007 eingeleitet wurde. Erst Ende Juli meldete die Nachrichtenagentur Andes, die ecuadorianische Regierung habe eine Strategie ausgearbeitet, um die extreme Armut um sieben Prozent zu verringern.

An das Verfassungsgericht waren insgesamt vier Vorschläge für Volksbefragungen zu der Erdölförderung gegangen. Die Organisation »Front zur Befreiung des Amazonas« wollte sogar zur Abstimmung stellen, ob Ecuador von jeglichem Rohstoffabbau und »jeder Aktivität, die Pachamama schadet« Abstand nehmen sollte. Mit »Pachamama« bezeichnen zahlreiche indigene Völker Lateinamerikas die als Gottheit verehrte Mutter Erde. Die Ureinwohner Ecuadors spielen in dem Konflikt eine besondere Rolle. So gibt es starke Bedenken, durch den Rohstoffabbau indigenen Gemeinden ihre Lebensgrundlage zu entziehen und die Ruhe abgeschiedener Amazonas-Völker zu stören. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Indigenen unterstützt jedoch das Projekt. Der andere große Streitpunkt sind die Umweltschäden, die durch die Ölindustrie angerichtet werden. Um dem entgegenzuwirken, sollen laut Regierung strenge Kontrollen durchgeführt und neue Technologien genutzt werden.

Unterstützung erfahren die Gegner des Rohstoffabbaus von der linken wie der rechten Opposition, insbesonondere von der Indigenenpartei Pachakutik als auch der rechten Partei CREO. Für sie bietet die Auseinandersetzung einen willkommenen Anlaß, um der »Bürgerrevolution« ihre Erfolge abzusprechen und sich selbst zu profilieren. Schließlich bezieht sich die Kritik auf zwei Bereiche, die ebenfalls eine zentrale Rolle in der »Bürgerrevolution« einnehmen: die Rechte der indigenen Bevölkerung und der Umweltschutz. So hat Ecuador in der neuen Verfassung von 2008 der Natur als erster Staat Rechte eingeräumt. Erst im August hatte die Exekutivsekretärin der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und Karibik der Vereinten Nationen (CEPAL) Ecuador dafür gelobt, seine Politik neben Bolivien am meisten zum Vorteil der Indigenen weiterentwickelt zu haben. Für Botschafter Jurado widerspricht die geplante Erdölförderung nicht diesem Anspruch der Regierung. Vielmehr könne sich Ecuador nicht »auf dem grünen Wartestuhl« ausruhen. Correa hätte bereits 2007 deutlich gemacht, daß sich Ecuador bei Scheitern des Projekts Yasuní-ITT zur Ölförderung gezwungen sähe. »Wir können nicht morgen die Ölfelder schließen, weil manchen Gruppen der Diskurs gefällt.«

* Aus: junge Welt, Dienstag, 5. November 2013


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