Ecuador entdeckt den Umweltschutz
Indígenas fordern mit ständig wachsendem Erfolg ihre Rechte ein
Von Knut Henkel *
Die Rechte der Ureinwohner galten in Ecuador in der Vergangenheit nicht viel. Immer wieder wurden
indigene Völker von ihrem Land vertrieben, weil dort Rohstoffe wie Erdöl gefunden wurden. Unter
dem neuen Präsidenten Rafael Correa scheint sich das zu ändern.
Die Indígenas in Ecuador sind optimistisch. Ab 31. Oktober dieses Jahres wird die
verfassunggebende Versammlung Ecuadors zusammenkommen und auch über eine Stärkung ihrer
Rechte beraten. Schon der 10. Juli war für die Awá ein besonderes Datum. An diesem Dienstag
wurden die Vertreter des kleinen indigenen Volkes in Quito, der Hauptstadt Ecuadors, im
Präsidentenpalast empfangen. Mit Vizepräsident Lenín Moreno und Kabinettschef Carlos Larrea
waren es die höchsten staatlichen Vertreter des Landes, die den im Ausland weilenden Präsidenten
Rafael Correa im Palacio de Carondelet vertraten. Keine Selbstverständlichkeit, denn in Ecuador
stehen die indigenen Völker in der Gesellschaftshierarchie nicht gerade an erster Stelle. Es waren
nicht nur schöne Worte, die die staatlichen Vertreter für Olindo Nastacuaz, den Präsidenten der Awá-
Vereinigung, und die Delegation hatten, sondern auch die konkrete Zusage, deren Landrechte zu
respektieren.
Marsch für das eigene Territorium
Darüber freuten sich nicht nur die Betroffenen, die im Norden Ecuadors, an der Grenze zu
Kolumbien, leben, sondern auch zahlreiche nationale und internationale
Umweltschutzorganisationen wie »Rettet den Regenwald« aus Hamburg. Die haben die Awá in den
letzten Jahren bei ihrem Kampf für den Erhalt des Regenwaldes, der zu neunzig Prozent ihr
Territorium bedeckt, unterstützt. Unter anderem wurde zu Spenden aufgerufen, um sowohl
zusätzliche mit Regenwald bedeckte Flächen zu kaufen als auch um Öffentlichkeitsarbeit für den
Erhalt des traditionellen Territoriums der Awá zu fördern. Das war aufgrund des
Ressourcenreichtums in den Fokus der Holzindustrie geraten, obgleich das Areal den letzen Rest
tropischen Tieflandregenwaldes beinhaltet. Die Flächen gehören zum Chocó, dem nach den
Amazonaswäldern und den Regenwäldern in Zentralafrika größten Regenwaldareal der Welt. Diese
ist für seine extrem hohe Artenvielfalt bekannt und weitgehend unerforscht. Für die Awá ist der Wald
Vater und Mutter zugleich und deshalb wehren sie sich gegen die Begrenzung ihres traditionellen
Territoriums durch die Zentralregierung. Die hatte den Awá erst durch das Katasteramt 6000 Hektar
im November 2006 entzogen, dann im Januar 2007 durch das Umweltministerium verfügt, dass
weitere 17 000 Hektar von Awá und afroecuadorianischen Gemeinden gemeinsam zu nutzen seien.
»Diese Gemeinden haben ihr Land an die Palmölunternehmen verkauft und nun ein Auge auf
unsere Wälder geworfen«, so Hugo Paredes von der Vereinigung der Awás gegenüber der
Tagesszeitung »La Verdad«. In der Vereinigung haben sich die rund 4000 in Ecuador lebenden Awá
zusammengeschlossen. Paredes und Olindo Nastacuaz, Präsident der Vereinigung, führten den
Protestmarsch der rund achthundert Awá Anfang Juli nach Quito an. Sie vermuten hinter den
afroecuadorianischen Gemeinden zahlungskräftige Holz- und Palmölfirmen. Diese sind in den
angrenzenden Landstrichen längst präsent. »Seit zehn Jahren roden neben den Holz- auch
Palmölfirmen den Regenwald zur Anlage von Plantagen für den Palmölexport«, erklärt Klaus
Schenk. Der Diplomholzwirt berät die Awá bei der nachhaltigen Bewirtschaftung ihrer Wälder und
weist auf die rasant gestiegenen Palmölpreise hin: »Allein seit Januar 2007 kletterte der Preis pro
Tonne von 573 auf 718 US-Dollar und geeignete Flächen für neue Plantagen sind knapp.« Darum
steigt der Druck auf das Awá-Land, über das die Regierung nach langem Zögern nun die Hand hält.
Für den nachhaltigen Umgang mit der Mutter Erde hat sie sich bei den Awá ausdrücklich bedankt.
Ein Meilenstein, hofft Schenck und mit ihm Alberto Acosta, der ehemalige Energieminister des
Landes.
Nachhaltigkeit als Regierungspolitik?
Acosta ist Spitzenkandidat für die verfassunggebende Versammlung und gehört zu den Ökologen in
Ecuadors linker Regierung. Der 59-Jährige hält viel von dem Einsatz der indigenen Völker gegen die
zügellose Ausbeutung der Ressourcen. Während im Norden die Awá einen Etappenerfolg errangen,
sind es weiter südlich von Quito im Amazonastiefland der Provinz Pastaza die Sarayaku, die sich
gegen Biopiraterie, die Bohrgestänge großer multinationaler Erdölunternehmen und den Pipelinebau
wehren. Mit beachtlichem Erfolg, denn die 120 Familien haben sich nicht kleinkriegen lassen vom
US-amerikanischen Ölunternehmen Burlington und dem argentinischen Pendant CGC, die in der
Region die Bohrlizenzen innehaben. Der große Traum der Sarayaku ist es, den Süden Amazoniens
zu bewahren, und dafür kämpfen sie seit etlichen Jahren. Etappenerfolge wie der Rückzug der West-
LB aus der Finanzierung des Pipeline-Baus in der Region vor wenigen Jahren, sind beachtlich. Für
Acosta sind diese kleinen indigenen Völker zu gallischen Dörfern des Widerstands geworden. Er
spricht ehrfürchtig von ihrem Organisationstalent und dem Glauben an die eigene Kraft als »deren
Zaubertrank«. Und der scheint auch in der Regierung von Rafael Correa mehr und mehr respektiert
zu werden. CO2-Reduzierung, die Rechte der Indios und ökologisches Wirtschaften stehen auf der
Regierungsagenda. Und der Vorschlag der Regierung Correa, auf die Ausbeutung eines Ölfeldes im
Yasuní-Regenwald, Teil des Amazonas-dschungels, zu verzichten, wenn die internationale
Gemeinschaft fünfzig Prozent der ausbleibenden Erträge von 700 Millionen US-Dollar jährlich
übernimmt, hat international für viel Aufsehen gesorgt. Ob das engagierte Projekt auf den Weg
gebracht wird, ist bisher kaum abzusehen. Ohne den Widerstand der indigenen Völker, die für den
Schutz der natürlichen Ressourcen eintreten, wäre es jedoch kaum so weit gekommen.
* Aus: Neues Deutschland, 28. August 2007
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