Parlament in Quito gestürmt
Volksbefragung zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung von Ecuador gefordert
Von Jürgen Vogt, Buenos Aires *
In Ecuador haben Anhänger von Präsident Rafael Correa am Dienstag das Parlament gestürmt. Es
geht um eine neue Verfassung für das nun von einem linksgerichteten Staatschef regierte
südamerikanische Land.
Demonstranten gelang es, in Quito in das Gebäude der Zentralbank, den gegenwärtigen Sitz des
Kongresses, einzudringen, wo sich das Parlament mit der von Präsident Rafael Correa
angeordneten Volksbefragung zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung befasste. Die
Abgeordneten wurden evakuiert. Die Polizei trieb die Demonstranten mit Tränengas zurück.
»Mit der gegenwärtigen Verfassung und dem aktuellen Wahlgesetz ist alles in den Händen dieser
politischen Mafia, die seit zwei Jahrzehnten das Land regiert«, erklärte Correa und machte damit
abermals klar, was seiner Meinung nach geändert werden muss. »Wie kann es sein«, so fragte der
Präsident, »dass 60 Prozent dieser Pseudovolksvertreter im Kongress sich gegen den Wunsch von
80 Prozent der Bevölkerung nach einer Volksbefragung über eine neue Verfassung stellen?«
Mit ihrer Protestaktion bekräftigten die Demonstranten nachhaltig ihre Forderung, dass das
Parlament ein solches Referendum umsetzt.
Correa hatte kurz nach seiner Amtseinführung Mitte Januar per Dekret die Volksabstimmung für den
18. März angesetzt. Die Bevölkerung solle darüber abstimmen, ob die Verfassung durch eine
Verfassunggebende Versammlung überarbeitet werden soll oder nicht. Das Oberste Wahlgericht
wurde vom Präsidenten aufgefordert, die Vorbereitung und Durchführung der Volksbefragung zu
organisieren. Trotz des Präsidentendekretes hat das Gericht jedoch die Entscheidung an den
Kongress weitergegeben.
Die Proteste hatten am Morgen mit einer Demonstration von mehreren tausend Campesinos,
Indigenas und sozialen Organisationen, die dem Präsidenten nahestehen, zum Sitz des Kongresses
begonnen. Rund 30 Gruppierungen haben sich in einer sogenannten Sozialen Front
zusammengeschlossen, um die Volksbefragung und die Forderung nach der Ausarbeitung einer
neuen Verfassung zu unterstützen. »Ab heute beginnen wir mit der Mobilisierung, bis der Kongress
den Willen der Ecuadorianer auf einen Wechsel respektiert und den Weg für die Volksbefragung
freimacht«, kündigte César Rodríguez von der Alianza País an.
Rafael Correa hatte als Kandidat des Linksbündnisses Movimiento Alianza País die
Präsidentschaftswahl gewonnen. Im Kongresse hat er aber keinen Abgeordneten, da die Alianza
País nicht mit eigenen Kandidaten zur Parlamentswahl angetreten war. In seiner Rede zur
Amtseinführung übte Correa harsche Kritik am Kongress, der, wie er betonte, in keiner Weise die
Interessen der Bevölkerung vertrete.
Von dem Sturm auif das Parlament hat sich allerdings die Regierung distanziert. Sie unterstütze
friedliche Protestaktionen, sei aber gegen Gewalt, unterstrich Regierungssprecherin Monica Chuji.
* Aus: Neues Deutschland, 1. Februar 2007
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