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Klimaschutz am Amazonas gegen Dollar

Ecuador will sich den Einstieg ins "Post-Erdöl-Zeitalter" vom Ausland finanzieren lassen

Von Gerhard Dilger *

Klimaschutz einmal anders: Ecuador fordert von der internationalen Gemeinschaft 350 Millionen Dollar im Jahr und will im Gegenzug auf die Ausbeutung von Erdölfeldern im Amazonasbecken verzichten.

Ein origineller Vorschlag zum Klimaschutz ist im G8-Getöse der letzten Woche fast untergegangen. Ecuadors linker Präsident Rafael Correa startete eine Kampagne zur Nicht-Förderung von Erdöl im Amazonasbecken: Wenn es gelingt, zehn Jahre lang jeweils 350 Millionen Dollar – die Hälfte der erwarteten Erlöse – aufzubringen, werden die Ölfelder im 1900 Quadratkilometer großen Ishpingo-Tambococha-Tiputini-Gebiet (ITT) nicht erschlossen. Es gehört zum Yasuní-Nationalpark, der 1989 wegen seiner Artenvielfalt von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt wurde. Knapp eine Milliarde Barrel Rohöl soll dort lagern.

»Von der internationalen Gemeinschaft fordern wir keine Barmherzigkeit, sondern Mitverantwortung«, rief Correa. Ecuador brauche das Geld für Investitionen im lange vernachlässigten Bildungs- und Gesundheitswesen. »Unsere erste Option ist es, das Öl in der Erde zu lassen«, aber wenn die erste Rate innerhalb eines Jahres nicht aufzubringen sei, werde Ecuador die Förderung mit mo-dernster Technik aufnehmen lassen, kündigte der Staatschef an.

Die Idee stammt von Energieminister Alberto Acosta. Ausgangspunkt ist das Umweltdesaster, das vier Jahrzehnte Erdölförderung hinterlassen haben. »Aus dem Urwald wurden vier Milliarden Barrel Öl im Wert von 82 Milliarden Dollar gefördert«, sagt Acosta gegenüber ND. »Verdient haben daran US-Multis wie Texaco oder Occidental Petroleum. Uns sind vor allem Umweltzerstörung, Abhängigkeit, Korruption und Vetternwirtschaft geblieben.« Indigene Völker wie die Tetetes und die Sansahuaris seien »ausgerottet« worden.

Acosta, früher Marketingchef der Staatsfirma Petroecuador, will den Vorschlag nicht als »Erpressung« verstanden wissen. »Im Gegenteil, es wäre ein gutes Geschäft: Die Welt bekommt keine CO2-Emissionen, dafür Sauerstoff aus dem Regenwald sowie Schutz der Artenvielfalt und der indigenen Völker.« Modellrechnungen zufolge würden bei einer Förderung des ITT-Erdöls über 450 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt. Maßnahmen zur CO2-Reduktion setzt der jüngste UN-Klimabericht mit 100 Dollar pro einer Tonne CO2 an.

Umweltgruppen und Indígena-organisationen unterstützen die Kampagne. Multilaterale Kreditgeber, Staaten, Firmen, Stiftungen und Privatleute könnten den Betrag aufbringen, hofft Acosta. Neben Schauspielern und Nichtregierungsorganisationen habe sogar die Stiftung eines Multis Interesse signalisiert. »Wir müssen über einen anderen Lebensstil nachdenken und die Logik unseres Entwicklungsweges verändern«, sagt der Minister. »Wir brauchen eine Diskussion darüber, wie wir verantwortungsvoll mit unseren Ressourcen umgehen – auf lokaler, nationaler und globaler Ebene.« Seine Vision ist ein »Post-Erdöl-Zeitalter«.

Regierungsintern liegt Acosta allerdings mit der Erdöllobby und Wachstumsaposteln im Clinch. Konzerne aus Brasilien, Chile und China bemühen sich schon jetzt um Konzessionen. Acosta selbst wird demnächst sein Ministeramt aufgeben und für die Verfassunggebende Versammlung kandidieren. Dies habe mit der Rettungskampagne aber nichts zu tun, versichert er: »Präsident Correa hat eine klare Linie vorgegeben, in einem Jahr fällt die Entscheidung.«

* Aus: Neues Deutschland, 12. Juni 2007


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