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Lehren aus Honduras

Regierung strebt die Bildung von einer Million Familienkomitees zur Verteidigung der "Revolution à la Ecuador" an. Streit mit französischem Öl-Multi geht weiter

Von Benjamin Beutler *

Zur Verteidigung der »Revolution à la Ecuador« hat das linke Regierungsbündnis Alianza PAIS aufgerufen. Es kündigte am Mittwoch die »Bildung von einer Million Familienkomitees« im gesamten 15-Millionen-Einwohner-Land an. Diese sollen, notfalls auf der Straße, die »Demokratie und Stabilität der Regierung Rafael Correa verteidigen« als auch das »Projekt der Revolution« lebendig halten, so der Parlamentarier César Rodríguez auf einer Pressekonferenz in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito.

Diese Komitees seien eine neue Organisierungsform, die nicht vergleichbar sei mit Zusammenschlüssen »in Kuba oder Venezuela oder einem anderen Land«, so der Vertreter der Alianza. »Die Idee der Regierung ist es, durch eine organisierte Bevölkerung und Zivilgesellschaft jedem Versuch der Destabilisierung entgegenzutreten«, erläuterte die PAIS-Abgeordnete Gina Godoy das Projekt.

Das Oppositionslager verurteilte die Ankündigungen scharf. Das Kabinett Correa wolle einen »Nachbarschaftskontrollapparat wie in Kuba oder der ehemaligen Sowjetunion« errichten, schlug Alfonso Oramas Alarm. Dem politischen Kommentator der Tageszeitung El Universo widersprach Parlamentsberaterin María Augusta Calle. Sie verwies auf die existierenden über 800 Komitees des Oppositionsführers und Bürgermeisters von Guayaquil, Jaime Nebot. Dessen »Christlich-Soziale Partei« (PSC) dominiere damit die Oppositionshochburg nahe der Pazifikküste. »Wir sollten dieses Recht der politischen Bewegungen aber nicht skandalisieren. Die Verfassung sieht diese Formen der Organisation vor. Es handelt sich nicht um Parteien, die zu Wahlen kandidieren«, so Augusta. Der Kolumnist Xavier Zavala von der Zeitung Expreso hofft auf einen Impuls für die demokratische Beteiligung der Bevölkerung, und »daß die normalen Leute Politik machen«.

Erst vor zwei Jahren wurde in Ecuador das »Sekretariat des Volkes, sozialen Bewegungen und Bürgerbeteiligung« ins Leben gerufen, das als Schaltstelle zwischen Staat und Zivilgesellschaft für mehr öffentliche Teilhabe wirken und Einfluß auf politische Entscheidungen nehmen soll.

Unterdessen sorgt der Fall Perenco derzeit erneut für Aufsehen. Das französische Erdölunternehmen hatte seine Produktion wegen eines Streits um 350 Millionen US-Dollar nicht bezahlter Steuerzahlungen an den ecuatorianischen Fiskus eingestellt. Vor einem Monat übernahm dann die staatliche Erdölfirma Petroecuador die Ölfelder und stellte die 350 entlassenen Angestellten neu an.

An die Perenco-Konzernleitung gerichtet, setzte Erdölminister Germánico Pinto am Mittwoch eine Frist von zehn Tagen, »um zu erklären, warum sie den Vertrag nicht erfüllen«. Über 22000 Barrel tägliche Erdölproduktion (BPD) seien von dem Multi in Gefahr gebracht worden – ein zu hoher Verlust für das kleine OPEC-Land, wie Pinto meinte. Die Firma sprach derweil von »Enteignung«. Man werde vor dem Wirtschaftsgericht der Weltbank CIADI Klage einreichen. Der Streit war ausgebrochen, als Ecuador angesichts der steigenden Erdölpreise mehr Steuern verlangte. Perenco hatte dies verweigert und mit einer Einstellung der Förderung gedroht – ein offensichtlich gescheiterter Erpressungsversuch.

* Aus: junge Welt, 22. August 2009


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