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Warnschuß

Streit um Justizreform. Nach Abstimmungsniederlage im Parlament droht Ecuadors Präsident Correa mit Neuwahlen

Von Benjamin Beutler *

Ecuadors Regierungspartei »Alianza País« (AP) muß sich in Zukunft auf deutlich mehr Gegenwind einstellen. Bei einer turbulenten Abstimmung am vergangenen Freitag verhinderte die sonst in rechte und linke Lager zersplitterte Opposition überraschend die als sicher geglaubte Wahl von AP-Wunschkandidatin Tania Arias in eine Justizkommission, woraufhin Parlamentspräsident Fernando Cordero die Sitzung unter heftigen Protesten der Regierungsgegner vertagte. »Ich werde das Parlament auflösen Genossen«, drohte Ecuadors Präsident Rafael Correa noch am selben Tag. Er bezog sich damit auf die sogenannte muerte cruzada, ein Verfassungsmechanismus, der dem Staatspräsidenten die Auflösung des Parlaments bei gleichzeitiger Ausrufung von Neuwahlen erlaubt. Im Fernsehen verkündete er dann, er sei nicht im Parlament, um seinen »Sitz zu wärmen«. Schließlich wolle er »das Land verändern«, was die »Opposition der Blockade« jedoch verhindere. Sollte das Parlament »mit neuen Strategien« auch in Zukunft Mehrheiten gegen den Präsidenten zustande bringen, so werde er selbst Unterschriften für seine Abwahl sammeln, so der studierte Ökonom.

Correa sieht vor allem sein Projekt der Justizreform gefährdet. Als Vertreterin des Parlaments sollte Arias das »Triumvirat« vervollständigen, eine unabhängige »Drei-Parteien-Kommission« für die anstehende Demokratisierung der Richterwahl. In einer Volksbefragung im Mai dieses Jahres hatte eine knappe Mehrheit der Ecuadorianer für den Umbau der Rechtssprechung votiert, die kommenden 18 Monate soll die Justiz vom »Triumvirat« geleitet werden. Schon die Bekanntgabe der Referendumsergebnisse hatte die Opposition zwei Monate lang verhindert, erinnerte Correa.

Für den linken Jesuitenschüler wird es langsam eng. Zum ersten Mal gelang es der Correa-Fraktion nicht, den bunten Haufen ihrer Koalitionäre hinter sich zu vereinen. Erstmals seit Zusammentreten der Nationalversammlung Ende Juli 2009 verfehlte die seine Partei, die mit 59 von 124 Sitzen auf diverse Verbündete angewiesen ist, die erforderliche Mehrheit von 63 Stimmen. Gegen die Stimmen der Regierungspartei konnte ein einfacher Antrag auf Änderung der Tagesordnung die absolute Mehrheit erlangen und so die Wahl von Arias blockieren.

Schmerzlich wird der Correa-Regierung ihre Schwäche im Parlament vor Augen geführt. Unabhängige Parlamentarier wie Guillermina Cruz, Gioconda Saltos, Ramón Cedeño, Gerardo Morán und Galo Vaca hatten am Freitag die Seiten gewechselt. Aber auch in den eigenen Reihen fehlte die nötige Einheit. Neben zwei Enthaltungen gab der AP-Abgeordnete Washington Cruz einen leeren Stimmzettel ab. Genossen im Plenum umringten ihn danach und beschimpften ihn als »Verräter«. Auch Parteichef Correa brachte Washington auf die Palme. »Dieser Typ sucht nur seinen persönlichen Vorteil, diesem Herren sollte man sein Amt entziehen, er sollte nach Hause gehen«, polterte Correa gegen den »Abtrünnigen«.

Die Opposition feiert einen politischen Sieg. »Ich glaube, zum ersten Mal hat die Regierung gemerkt, daß die Opposition die 63 Stimmen hat«, erklärt sich Vicente Taiano von der gemäßigt rechten PRIAN-Partei die heftige Reaktion der Correa-Bank. »Das ist ein Warnschuß für die Regierung«, freute sich auch das ehemalige AP-Mitglied Fernando Gonzáles. Virgilio Hernández von der Regierungspartei hingegen sieht »keine Kräfteverschiebung« im Parlament, einzig und allein eine »tagespolitische Frage« habe das Ergebnis beeinflußt.

* Aus: junge Welt, 19. Juli 2011


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