Vage Hoffnung für Ecuador
Präsidentschaftskandidat Roldos verspricht soziale Reformen
Von Markus Plate*
Ecuador wählt im Herbst einen neuen Präsidenten. In den Umfragen liegt derzeit der Sozialdemokrat
León Roldós Aguilera klar vorn. Sollte Roldós gewinnen, steht er vor einer schweren Aufgabe: Das
Land ist regional und wirtschaftlich gespalten sowie politisch instabil. Das Vertrauen in sämtliche
Staatsinstitutionen ist tief erschüttert.
Der Widerstand der Indígenas zeigt Wirkung: Das geplante Freihandelsabkommen zwischen
Ecuador und den USA liegt auf Eis. Mit dem Abschluss des Abkommens ist bis zum Ende der
Präsidentschaft Alfredo Palacios Ende des Jahres kaum mehr zu rechnen.
Um den Protesten ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen, kündigte Palacio Anfang Mai die
Verträge mit Oxy. Der Ölkonzern, der für den Ausverkauf ecuadorianischer Interessen an die USA
steht, verdient kräftig am ecuadorianischen Öl, während die Bevölkerung des Andenlandes kaum
etwas vom Ölkuchen abbekommt.
Als Reaktion auf Palacios Manöver unterbrachen die USA die Verhandlungen über das
Freihandelsabkommen – zur Freude der sozialen und indigenen Bewegung Ecuadors. Begraben ist
die Sache aber noch nicht. Der für die Nachfolge Palacios favorisierte Sozialdemokrat Léon Roldós
Aguilera Bruder des ehemaligen Präsidenten Jaime Roldós Aguilera, zeigt sich einem Abkommen
durchaus aufgeschlossen. Während seiner Europareise, die ihn Ende Mai auch nach Berlin führte,
machte er dies deutlich: »Ich habe immer gesagt, dass ich mich keinem Freihandelsvertrag mit den
Vereinigten Staaten verweigere.« Ein solcher müsse aber klar im nationalen Interesse liegen.
Außerdem habe das ecuadorianische Volk das Recht, über einen Freihandelsvertrag abzustimmen,
fordert Roldós: »Ich verhandele, aber das letzte Wort hat das Volk«, betonte er.
Der Rechtsanwalt Léon Roldós Aguilera geht als Kandidat eines Mitte-Links-Bündnisses aus
Linksdemokraten und seiner eigenen Partei RED (Red Ética y Democartica) in die
Präsidentschaftswahlen, die in zwei Wahlgängen im Oktober und November dieses Jahres
abgehalten werden. Seine Chancen stehen gut, in den Umfragen führt er vor der Kandidatin der
Konservativen, Cintya Viteri, und dem Unternehmer Álvaro Novoa. Nachdem die letzten beiden
Präsidenten ihre Amtszeit nicht beenden konnten – im Jahr 2000 wurde Jamil Mahuad nach
massiven Mobilisierungen der Indígenas aus dem Amt gejagt und vor einem Jahr wurde Lucio
Gutiérrez vom Kongress des Amtes enthoben – kommt Roldós bei vielen Ecuadorianern wegen
seines seriösen und bedächtigen Auftretens gut an.
An eine Nationalisierung der Erdölindustrie wie in Bolivien sei jedoch nicht gedacht. Solange die
Verträge mit den ausländischen Unternehmen fair seien, werde er auch weiterhin mit diesen
zusammenarbeiten, erklärt der 64-Jährige. Innenpolitisch trägt Roldós’ Programm moderat
sozialreformistische Züge: Armutsreduzierung, 200 000 neue Jobs, eine Bildungsoffensive,
Gesundheitsprogramme. Das sind wohlklingende Pläne nach 15 Jahren neoliberaler Konzepte, die
über Dollarisierung, Sozialabbau und Privatisierung die Schere zwischen Arm und Reich immer
weiter geöffnet haben.
Doch ein Bruch mit der Wirtschaftspolitik seiner Vorgänger ist von Präsident Roldós ebenfalls nicht
zu erwarten: Die Dollarisierung habe die Währungs-, Finanz-, und Haushaltspolitik Ecuadors zwar
kastriert. Es sei aber absurd, jetzt über eine Rücknahme der Dollarisierung zu reden. Die für die
geplanten Sozial- und Jobprogramme nötigen Gelder sollen durch Effizienzsteigerungen,
Korruptionsbekämpfung und mit dem Ausland noch auszuhandelnde günstigere Modalitäten der
Schuldenrückzahlung aufgebracht werden. Konkret wird Roldós diesbezüglich allerdings nicht.
Auch die Kandidatur von Roldós leidet unter dem derzeitigen verworrenen Parteienspektrum aus
Konservativen, Wirtschaftsliberalen, den populistischen Bewegungen der Expräsidenten Mahuad
und Gutiérrez, Sozialdemokraten und Sozialisten, das kaum eine tragfähige Mehrheit für irgendein
politisches Programm erlaubt. Hinzu kommen die Verwerfungen zwischen dem Hochland und der
Pazifikküste sowie der Faktor einer außerparlamentarisch starken, aber institutionell wenig
verankerten Indígena-Bewegung.
Ohne eine breite Unterstützung im Kongress und innerhalb der Bevölkerung jedoch wird es auch
Präsident Roldós schwer haben, sich eine volle Legislaturperiode im Amt zu halten, geschweige
denn die institutionelle und wirtschaftliche Krise Ecuadors zu überwinden. Auf seiner Internetseite ist zu lesen: »Ein Roldós hält Wort!« Vielleicht auch um dieses Familienversprechen zu halten, gibt sich León Roldós im Wahlkampf zwar seriös, bleibt inhaltlich aber lieber vage.
* Aus: Neues Deutschland, 12. Juni 2006
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