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Referendumserfolg für Rafael Correa

Ecuadors Präsident holt sich Rückhalt beim Wahlvolk und vergrößert seinen Einfluss auf die Justiz

Von Gerhard Dilger, Porto Alegre *

Ein gutes halbes Jahr nach einem gescheiterten Putschversuch durch rebellierende Polizeieinheiten sitzt Ecuadors Präsident Rafael Correa wieder fest im Sattel. Bei einer maßgeschneiderten Volksbefragung am Sonnabend (7. Mai) setzte sich der Staatschef bei allen angestrebten Maßnahmen durch. Unter hoher Wahlbeteiligung lag das »Ja« im Schnitt 15 Prozentpunkte vor dem »Nein«, meldete die Onlineausgabe der Tageszeitung »El Comercio« am Sonntag (8. Mai).

Die zehn Fragen reichten von einer Justizreform bis zum Verbot von Glücksspielen und Stierkämpfen. Fünf Verfassungsänderungen waren mit umfangreichen Anhängen versehen. Der Linkskatholik Correa hatte die Befragung im Januar angesetzt, um nach einer Medienkampagne zur angeblich verschärften Sicherheitslage wieder in die Offensive zu kommen.

Eine bislang verschleppte Justizreform wird nun einem dreiköpfigen, regierungsnahen Gremium übertragen, das auch Richter benennen kann. Zudem werden die Fristen für Untersuchungshaft ausgedehnt. Wegen verstrichener Fristen habe man in den vergangenen Jahren über 4000 Kriminelle aus der Untersuchungshaft entlassen müssen, hieß es. »Die Gegner der Befragung verteidigen die Rechte der Verbrecher, die Regierung die der Opfer«, hatte Justizminister José Serrano erklärt.

Anders als sein venezolanischer Amtskollege Hugo Chávez, der durch mehrere Referenden eine Radikalisierung seines staatssozialistischen Kurses anstrebte, nahm Correa in dieser Frage der konservativen Opposition den Wind aus den Segeln. Bei seinem Vorgehen gegen »mafiöse Kreise« in der Justiz hoffe er auf die Mitarbeit des spanischen Richters Baltasar Garzón, sagte Correa am Wochenende.

Wie seine Vorgänger wolle der Staatschef direkt Einfluss auf die Justiz nehmen, wirft ihm sein früherer Mitstreiter Alberto Acosta vor, der eine Front zur Verteidigung der Verfassung von 2008 anführt. »Der Präsident verrät die Grundlagen der Bürgerrevolution«, meint Acosta, der den Verfassungskonvent geleitet hatte und jetzt eine weitere Machtkonzentration in den Händen Correas befürchtet. »Es geht eben nicht darum, Personen zu vertrauen, sondern darum, vertrauenswürdige Institutionen zu schaffen und Spielregeln zu respektieren.«

Die in ihren Details kaum überschaubare Befragung hat vor allem die Kluft zwischen Correa und etlichen seiner früheren linken und linksliberalen Anhänger aus dem Bürgertum vertieft. Abgeordnete und Exminister traten aus der Regierungspartei aus, auch der Indianerdachverband CONAIE warb für das »Nein«. Correa setze auf trickreiches Gemauschel und Machtkonzentration statt auf transparente Partizipation, lautete ein Hauptvorwurf.

Umstritten sind auch Correas Pläne zur stärkeren Regulierung der Medien. So wird die bereits in der Verfassung vorgesehene strikte Trennung zwischen Banken und Medienverlagen festgeschrieben und ein Medienrat eingerichtet. Das Gremium wird Richtlinien zu Gewalt, Sex und Diskriminierung in Medien ausarbeiten, Verleger und Journalisten wittern Zensur.

Auch wenn sein Vorsprung bei zwei vorangegangenen Referenden noch klarer ausgefallen war: Der vor allem wegen seiner Sozialpolitik populäre, seit Anfang 2007 regierende Correa kann nun zuversichtlich auf seine zweite Wiederwahl 2013 hinarbeiten.

* Aus: Neues Deutschland, 9. Mai 2011


Erfolg für Correa

Regierungslager setzt sich bei Volksbefragung in Ecuador durch. Abstimmung über zehn Gesetzesänderungen

Von André Scheer **


Ecuadors Präsident Rafael Correa hat zum siebten Mal in Folge eine Wahl oder Abstimmung gewonnen. Bei der am Sonnabend (7. Mai) in dem südamerikanischen Staat durchgeführten Volksbefragung über eine Reihe von Verfassungsänderungen setzte sich die Regierung ersten offiziellen Ergebnissen zufolge in mindestens neun von zehn Punkten durch, meist mit deutlichem Abstand vor ihren Gegnern. Lediglich zu dem vorgeschlagenen Verbot von öffentlichen Veranstaltungen, deren Ziel die Tötung eines Tieres ist, gab der Nationale Wahlrat (CNE) noch keine Zahlen bekannt. Bei dem Vorschlag, ein Gremium zur Kontrolle der Medien einzurichten, um Gewaltdarstellungen, Pornographie und diskriminierende Inhalte zu ahnden, lagen das »Ja« nach Auszählung von knapp einem Drittel der Stimmen nur 0,9 Prozentpunkte vor dem »Nein«. Trotzdem ging die Wahlbehörde in einer ersten Stellungnahme in der Nacht zum Sonntag auch in diesem Fall von einer gesicherten Mehrheit aus, da die Fehlerspanne lediglich bei 0,5 Prozent liege.

Am deutlichsten stimmten die Ecuadorianer einer Verfassungsänderung zu, die es dem Parlament künftig erlaubt, die maximale Dauer der Untersuchungshaft festzulegen, sprich: zu verlängern. Derzeit beschränkt das erst 2008 in einer Volksabstimmung verabschiedete Grundgesetz die Höchstdauer auf sechs bis zwölf Monate. Präsident Correa hatte jedoch kritisiert, daß korrupte Richter die Verfahren hinauszögerten, so daß die Haftbefehle gegen die Tatverdächtigen ausliefen.

Mit deutlicher Mehrheit wurde auch angenommen, daß es künftig eine Straftat sein soll, wenn ein Unternehmer seine Beschäftigten nicht bei der Sozialversicherung anmeldet. Ebenfalls verabschiedet wurde, die »nicht gerechtfertigte persönliche Bereicherung« als eigenständiges Vergehen in das ecuadorianische Strafrecht aufzunehmen. Auch das kommerzielle Glücksspiel und der Betrieb von Kasinos und Spielhallen sind künftig verboten.

Zwar hat sich Correa mit dieser Initiative erneut durchgesetzt, allerdings gelang es dem Regierungslager bei keiner der zehn vorgelegten Fragen, 50 Prozent oder mehr Zustimmung zu erreichen. In allen Fällen enthielten sich rund zehn Prozent der Wähler, in dem sie leere oder ungültige Stimmzettel abgaben. Für die rechte Presse des Landes stellt dies bereits einen Achtungserfolg der Regierungsgegner dar. »Die Regierung von Rafael Correa beginnt, Boden an die Opposition zu verlieren«, kommentierte etwa El Comercio.

Präsident Correa räumte ein, daß die Wahlkampagne »sehr schwer« gewesen sei. »Unsere Hauptgegner waren die Medien, der Bankensektor und bestimmte Teile der Kirche, die sich wieder in die Politik einmischen«, sagte er der staatlichen Nachrichtenagentur ANDES. »Während wir über die zehn Fragen informieren, erklären und aufklären mußten, haben diese Leute nur gesagt: ›Weil wir es nicht verstehen, stimmt mit Nein‹.«

** Aus: junge Welt, 9. Mai 2011


Gute Nachricht

Von André Scheer ***

Der Erfolg beim Referendum in Ecuador ist eine gute Nachricht für die Mitglieder des antiimperialistischen lateinamerikanischen Staatenbündnisses ALBA. Auch aus Ecuador waren zuletzt eher Berichte über bröckelnde Unterstützung für die progressiven Regierungen der Region und wachsende Widersprüche innerhalb der linken Bewegungen dieser Länder gekommen. Mit den nun beschlossenen Gesetzesänderungen wie dem Versuch einer Entflechtung von Medien- und Finanzmacht in dem südamerikanischen Land setzt Ecuador wieder ein Zeichen.

Aber: Bereits zweieinhalb Jahre nach der Verabschiedung einer neuen Verfassung, die unter eigener Dominanz ausgearbeitet wurde, bereits Änderungen vornehmen zu müssen, deutet nicht auf eine längerfristige strategische Planung hin. Auch wenn wir berücksichtigen, daß in Ecuador Verfassungsänderungen und die Verabschiedung neuer Grundgesetze eine lange Tradition haben – die gegenwärtig gültige Magna Charta ist einer Zählung von Wikipedia zufolge bereits die 21.Verfassung seit der Unabhängigkeit 1830.

Vor dem Referendum hatten Umfragen teilweise Zustimmungswerte von bis zu 60 Prozent ergeben. Tatsächlich jedoch wurden den vorläufigen Ergebnissen zufolge zwar mindestens neun der zehn Punkte mit relativer Mehrheit angenommen, aber kein einziger von ihnen fand die Zustimmung von mehr als 50 Prozent der Abstimmenden. Rund ein Zehntel der Ecuadorianer gab leere oder ungültige Stimmzettel ab, verweigerte also ebenso dem Projekt der Regierung das »Ja« wie der wütend gegen Präsident Rafael Correa agitierenden Opposition das »Nein«.

Die Mehrzahl der diesmal Unentschlossenen dürfte eigentlich eher dem Regierungslager zuzurechnen sein. Darauf deuten jedenfalls die Umfragen hin, die für Correa immer wieder die Zustimmung von zwei Dritteln der ecuadorianischen Bevölkerung ermitteln. Grund dafür sind die progressive Sozialpolitik und auch die klare Kante, die Correa immer wieder gegen ausländische Regierungen und Konzerne beweist. Das eint ihn auch mit seinen linken und indigenen Kritikern und Gegnern. Diese nehmen dem studierten Wirtschaftswissenschaftler jedoch übel, daß er immer wieder zu Konzessionen gegenüber den Großunternehmen bereit ist, wenn er es für die Entwicklung der Infrastruktur des Landes für notwendig hält. Auch wenn diese zu Lasten der Natur und indigener Gemeinden gehen.

Wer aber davon spricht, darf vom Yasuní-ITT-Projekt nicht schweigen. Der weltweit einzigartige Vorschlag des ecuadorianischen Präsidenten lautet: Wir tasten die Erdölreserven im Yasuní-Nationalpark nicht an, wenn die Industrienationen dafür die Hälfte der uns entgehenden Einnahmen ersetzen. Doch beim Geld hört der Umweltschutz auch in Berlin auf, Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel stoppte im vergangenen September die von Diplomaten bereits zugesagten Zahlungen aus Deutschland. Sonntagsreden sind halt billiger.

*** Aus: junge Welt, 9. Mai 2011 (Kommentar)


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