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Ecuadors Präsident wirbt um Bestätigung

Volksabstimmung polarisiert die politischen Lager des Landes

Von Harald Neuber *

Gut elf Millionen Menschen sind am Sonnabend in Ecuador zu einer Volksabstimmung aufgerufen. Die politischen Lager stehen einander unversöhnlich gegenüber

Wochenlang haben die politischen Opponenten in Ecuador für oder gegen eine von Präsident Rafael Correa angeregte Volksabstimmung gestritten. Und dennoch wissen die wenigsten der 11,2 Millionen Stimmberechtigten am heutigen Sonnabend, worum es eigentlich geht. Nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts Cedatos bekennen 83 Prozent der Ecuadorianer, dass sie über die Bedeutung der zehn Fragen, die sie beantworten sollen, schlecht informiert sind.

Das ist kein Wunder: Die dominierenden privaten Medienkonzerne haben sich während der Kampagne auf Stimmungsmache gegen die linksgerichtete Regierung unter Präsident Correa beschränkt. Inhaltliche Informationen waren in der Privatpresse kaum zu finden.

Auch die Streubreite der zur Abstimmung stehenden Themen trägt zur Verwirrung der Wähler bei. In fünf Fragen geht es um Änderungen und Ergänzungen der Verfassung. Wesentliches Ziel sind Justizreformen. So soll ein neunköpfiger Rat der Justiz, der nach einer Verfassungsreform vor fünf Jahren eingerichtet worden war, für 18 Monate durch ein kleineres Gremium ersetzt werden, um Reformen in der weitgehend als korrupt angesehenen Justiz beschleunigen zu können. Um das Problem der Straflosigkeit zu lösen, will Correa die maximale Dauer der Untersuchungshaft verlängern. Illegale Bereicherung soll ebenso als Straftatbestand geahndet werden wie die Hinterziehung von Sozialabgaben durch Unternehmer. Nicht nur Glücksspiele sollen verboten werden, sondern auch Hahnen- und Stierkämpfe. Letzteres löste besonders starke Kontroversen aus.

Dass es in der Kampagne vor dem Referendum sonst kaum zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung kam, liegt auch an dem länger währenden Konflikt zwischen privaten Medienkonzernen und der Correa-Regierung. Die Privatpresse, in den Händen der wohlhabenden Elite, läuft Sturm gegen geplante Regulierungsmaßnahmen: Ein neu zu schaffender Medienrat soll die Verbreitung jugendgefährdender Inhalte unterbinden und die Verquickung von Privatkonzernen und Medienunternehmen soll verboten werden.

Trotz des strikten Neins der rechtsgerichteten Opposition sagen Umfrageunternehmen wie Cedatos und Gallup dem Regierungslager eine Zustimmung von gut 60 Prozent voraus.

Rafael Correa, seit 2006 im Amt, hatte die Abstimmung zuletzt praktisch zur Vertrauensfrage gemacht. Nach einem Putschversuch Ende September vergangenen Jahres will er offenbar seine Position auch gegenüber Kritikern in der Linken stärken, die ihm einen autoritären Führungsstil vorwerfen.

Zu seinen Opponenten gehört der ehemalige Minister und Präsident der verfassunggebenden Versammlung, Alberto Acosta, der vor allem den »Eingriff in die unabhängige Justiz« zurückwies. Auch indigene Organisationen wie Pachakutik und der Dachverband CONAIE haben sich der Kampagne für das Nein angeschlossen. Dessen ungeachtet warb Correa bis zuletzt gerade in den indigenen Hochburgen für sein Vorhaben.

Auch wenn der Präsident im Referendum Zustimmung für seine Vorhaben erntet, ist die wichtigste Aufgabe nicht gelöst: Correa muss die Spaltung der progressiven Kräfte überwinden, die in der Auseinandersetzung um die Abstimmung erneut zutage getreten ist.

* Aus: Neues Deutschland, 7. Mai 2011


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