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Flüchtlingstode vor der Küste

Mindestens 18 dominikanische Migranten bezahlten Ausreisewunsch mit dem Leben

Von Hans-Ulrich Dillmann, Santo Domingo *

Vor der Küste der Dominikanischen Republik sank ein Schiff mit illegalen Migranten auf dem Weg nach Puerto Rico. Es gab zahlreiche Tote.

Bei dem Schiffsunglück am Wochenende ertranken nach Informationen der dominikanischen Küstenwache mindestens 18 Personen, sechs Frauen und zwölf Männer, in der Bucht von Samaná. Zehn Überlebende mussten in Krankenhaus eingeliefert werden.

Nach rund 40 weiteren Insassen des knapp 40 Meter langen umfunktionierten Fischerbootes werde weiter gesucht, sagte ein Sprecher des Zentrums für Notfalloperationen im dominikanischen Fernsehen. Möglicherweise hätten sich mehrere Personen retten können und würden sich in Ufernähe aus Furcht vor ihrer Festnahme verstecken.Das Schiff war nach Aussagen von Überlebenden Freitagnacht im Norden der Insel, in der Nähe der Kleinstadt Nagua, in See gestochen. An Bord sollen 70 bis 90 Personen gewesen sein, die illegal in Puerto Rico einreisen wollten. Die benachbarte Insel, die durch die etwa 100 Kilometer breite Mona-Passage von der Dominikanischen Republik getrennt ist, ist freiassoziertes Mitglied der USA. Dort hoffen besonders arme Dominikaner auf ein besseres Einkommen, mit dem sie ihre Familienangehörigen zu Hause finanziell unterstützen können. Über zwei Milliarden US-Dollar werden von den Auslandsdominikanern jährlich in ihr Heimatland transferiert.

Wie das Boot in die Bucht von Samaná gekommen ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Möglicherweise wollten die Organisatoren der Überfahrt ihre »blinden Passagiere« lediglich ausnehmen und eine Ankunft in Puerto Rico simulieren. Der Unglücksort liegt Luftlinie 60 Kilometer entfernt weiter östlich. Das Boot muss zuvor Richtung Osten gesteuert und dann aber in die Bucht von Samaná eingelaufen und damit quasi den Rückweg angetreten haben. Eine durchaus nicht unübliche Praxis von unlauteren Bootsführern, die Illegale transportieren.

Nach Angaben eines Geretteten sei das Gefährt aufgrund hoher Wellen beschädigt worden und plötzlich durch den Boden Wasser eingedrungen, die »Yola« sei daraufhin innerhalb kurzer Zeit gesunken. Überlebende wurde zuerst von Fischer gerettet. Erst Stunden nach dem Kentern des Bootes wurde die Küstenwache benachrichtigt.

»Ich würde es wieder tun«, sagte die 28 Jahre alte María Sobeida Guzmán dominikanischen Reportern. Die Mutter von drei Kindern hatte 40 000 Pesos, umgerechnet etwa 800 Euro, für die Fahrt nach Puerto Rico bezahlt, wo bereits eine Cousine lebt und ihr eine Arbeit als Maniküre vermitteln wollte.

Fast alle Insassen des Bootes hatten zwischen 600 und 800 Euro für die gefährliche Überfahrt durch die Mona-Passage berappt, die zudem von dominikanischen und US-Küstenwachtbooten kontrolliert wird. Jedes Jahr versuchen Tausende, die Meerenge zu überqueren und nach Puerto Rico zu gelangen, wo Dominikaner die Mehrheit der illegalen Einwanderer stellen. Erst im vergangenen Dezember war in der Nähe von Nagua ein Boot mit mehr als 90 Illegalen gekentert. Offiziell wurden sechs Personen tot geborgen. Die Zahl der Opfer wurde nie offiziell bestätigt, dürfte aber wesentlich höher gewesen sein.

* Aus: neues deutschland, 7. Februar 2012


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