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Bremer Bürgermeister Böhrnsen will nicht mehr

LINKEN-Geschäftsführer Höhn: Rücktritt nach «Wahlschlappe» folgerichtig / SPD-Politiker zieht Konsequenzen aus schlechtem Abschneiden der Sozialdemokraten nach Landtagwahl / CDU bietet sich als Koalitionspartner an *

Update 18.30 Uhr: Wer folgt auf den zurückgetretenden Jens Böhrnsen? Die SPD will sich dazu noch beraten, doch bereits in der Vergangenheit wurden mögliche Kandidaten gehandelt. Darunter:

Carsten Sieling: Dem 56 Jahre alten Bundestagsabgeordneten trauen Weggefährten zu, einen Senat zu führen. Sieling hatte in der Bremer SPD und der Bürgerschaft bereits herausgehobene Ämter übernommen. Der Diplom-Ökonom war von 2004 bis 2006 Landesvorsitzender und von 2005 bis 2009 Fraktionschef. Seit 2009 ist Sieling im Bundestag, seit 2011 Mitglied im SPD-Bundesvorstand. Der Abgeordnete ist Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion.

Björn Tschöpe: Der SPD-Fraktionschef in der Bürgerschaft gilt qua Amt als möglicher Böhrnsen-Nachfolger. Der 47 Jahre alte Rechtsanwalt ist seit 1983 in der SPD und seit 2003 Bürgerschaftsabgeordneter. Den Fraktionsvorsitz übernahm er 2009 von Sieling.

Martin Günthner: Der 39 Jahre alte Wirtschafts- und Justizsenator ist im Bremer Senat eine feste Größe. Günthner wurde 1999 Bürgerschaftsabgeordneter und 2010 Senator. Günthner ist Vorsitzender der Bremerhavener SPD. Die politische Verankerung in der kleineren der beiden Städte des Landes könnte ein Nachteil für den redegewandten Politiker sein. Er war vor seinem Eintritt in den Senat als selbstständiger Kommunikationsberater tätig.

Update 16.40 Uhr: Die Bremer SPD will noch am Montag über ihr weiteres Vorgehen nach dem Rücktritt von Bürgermeister Jens Böhrnsen in einer Sitzung des Landesvorstandes beraten.

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi äußerte die Erwartung, dass der Rücktritt Böhrnsens nichts daran ändern werde, dass die Bremer SPD erneut eine Koalition mit den Grünen bilden werde.

«Wir verstehen dieses Wahlergebnis trotz der Verluste auch als klaren Auftrag, weiter zu regieren», warb der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir in Berlin ebenfalls für eine Fortsetzung von Rot-Grün in Bremen.

Update 15.50 Uhr: Der Bundesgeschäftsführer der Partei DIE LINKE, Matthias Höhn, hat den Rücktritt von Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen nach «dieser Wahlschlappe» als folgerichtig bezeichnet. «Was bleibt, ist die Frage, ob die SPD auch willens und in der Lage ist, inhaltliche Konsequenzen zu ziehen. Ihre momentane Tuchfühlung zur Union zeigt mehr als deutlich, sie hat nicht verstanden. So wird's nix mit einem sozialeren Bremen, liebe SPD.»

Update 15.20 Uhr: Der frühere SPD-Landesvorsitzende Andreas Bovenschulte hat erklärt, er bedaure den Rücktritt Böhrnsens sehr, könne ihn aber verstehen. «Jens Böhrnsen ist ein ganz hervorragender Bürgermeister, der viel erreicht hat.» Das gelte besonders auch für die Zusammenarbeit mit den Umlandgemeinden. Bovenschulte ist Vorsitzender des Kommunalverbundes Niedersachsen-Bremen.

Update 14.20 Uhr: Nach dem angekündigten Rückzug von Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) hat die CDU den Sozialdemokraten eine Zusammenarbeit angeboten. Rot-Grün sei am Sonntag abgewählt worden, deshalb biete die CDU eine Regierungsbeteiligung an, sagte die Bremer CDU-Spitzenkandidatin Elisabeth Motschmann am Montag in Berlin. Die SPD brauche nach dem Rückzug von Böhrnsen nun eine «Selbstfindungsphase». «Unser Angebot steht», betonte Motschmann.

Nach Ansicht von Motschmann hat Rot-Grün eine klare Absage bekommen, auch wenn es rechnerisch für eine Neuauflage der Koalition reiche. Zugleich stellte sie Bedingungen für ein mögliches rot-schwarzes Bündnis. Die CDU würde sich nicht um jeden Preis daran beteiligen, sondern nur dann, wenn es auch inhaltliche Veränderungen in der Bremer Politik gebe, sagte Motschmann. Dabei müsste sich die Christdemokraten mit ihren Themen wiederfinden: «Nur unter der Voraussetzung würden wie in eine Koalition gehen.»

Update 13.45 Uhr: Auch aus dem Willy-Brandt-Haus in Berlin gibt es eine erste Reaktion, die allerdings im netz für Erheiterung sorgt. Wörtlich heißt es auf dem Twitterkanal des SPD-Vorstands: «#Fahimi: Nehmen Rücktritt von Jems #Boernsen mit Bedauern zur Kenntnis. Boernsen hat sich um #Bremen sehr verdient gemacht.» Nach zehn Jahren im Amt, kennen die Genossen in Berlin offenbar noch nicht einmal den richtigen Namen.

Update 13.35 Uhr: Erwartungsgemäßg reagiert die Bremer CDU auf den angekündigten Rückzug von SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen. CDU-Spitzenkandidatin Elisabeth Motschmann nannte den Rücktritt die «richtige Konsequenz».

Update 13.24 Uhr: Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen tritt nach den Verlusten seiner SPD bei der Landtagswahl nicht wieder als Regierungschef an. Das teilte der Politiker am Montag in einer Erklärung mit. «Als Spitzenkandidat der SPD übernehme ich selbstverständlich Verantwortung für das enttäuschende Wahlergebnis für meine Partei am 10. Mai 2015. Ich habe mich daher entschlossen, nicht erneut für das Amt des Bürgermeisters und des Präsidenten des Senats in der neugewählten Bürgerschaft zu kandidieren, damit die SPD durch eine personelle und inhaltliche Neuaufstellung die politischen Weichen für ein besseres Ergebnis bei der nächsten Bürgerschaftswahl 2019 stellen kann.»

Ich danke den Wählerinnen und Wählern, die mir über so viele Jahre die Möglichkeit gegeben haben, für Bremen zu arbeiten. Und ich danke meiner Partei für die großartige Unterstützung.«

Update 12.45 Uhr: Am Tag nach der Bürgerschaftswahl in Bremen haben die Landesvorsitzenden von SPD und Grünen kein klares Bekenntnis zur Fortsetzung ihrer Koalition abgelegt. Dieter Reinken (SPD) und Ralph Saxe (Grüne) sagten am Montag, sie wollten zunächst das endgültige Ergebnis abwarten und die Situation dann bewerten. »Zu Koalitionen werde ich heute keine Aussage machen«, sagte Reinken. Er ergänzte auf Nachfragen, dass neben der bestehenden rot-grünen Koalition aus seiner Sicht nur ein Bündnis mit der CDU infrage komme, nicht jedoch eine Dreierkoalition mit Grünen und Linken.

Rot-Grün verliert 13 Prozent - und will weitermachen

Berlin. Nach der schweren Schlappe bei den Wahlen in Bremen suchen SPD und Grüne nach den Ursachen - steuern aber weiter auf eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition in der Hansestadt. Der amtierende SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen zeigte sich überrascht von der Höhe der SPD-Verluste: »Es gab schönere Wahlabende, das ist ein bitterer für die Bremer SPD.« Gleichwohl habe die SPD einen klaren Regierungsauftrag erhalten, hob Böhrnsen hervor.

Die SPD werde »den Kopf nicht in den Sand stecken«, sagte Böhrnsen auf der Wahlparty der Bremer Genossen im vollbesetzten Traditionslokal »Ständige Vertretung« in der Altstadt. »Wir nehmen das als Herausforderung an, für Bremen noch bessere Politik zu machen.« Die 26-jährige Aygün Kilincsoy zeigte sich »schockiert«: Sie könne es im Moment »nicht erklären. Ich finde, dass wir in den letzten vier Jahren gut gearbeitet haben«.

»Erste Wahl bleibt die Fortsetzung von Rot-Grün in Bremen«, bekannte er sich auch zur bisherigen Koalition, »die aus unserer Sicht erfolgreich gearbeitet hat«. Ähnlich äußerte sich die Generalsekretärin der Bundes-SPD, Yasmin Fahimi.

Die Grünen verloren etwa sieben Prozentpunkte auf nun rund 15 Prozent. Grünen-Politiker verwiesen auf einen Sondereffekt bei der Wahl vor vier Jahren kurz nach der Atomkatastrophe von Fukushima. Auch Grünen-Spitzenkandidatin Karoline Linnert sagte, ihre Partei sei zu einer Neuauflage von Rot-Grün bereit: »Bremen braucht die Grünen.«

Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter hatte am Wahlabend die schwierige soziale und finanzielle Lage in Bremen als eine der Ursachen für die Verluste der Koalitionspartner SPD und Grüne genannt. »Wir haben ein Haushaltsnotlage-Land. Da sind die haushalterischen Herausforderungen groß«, sagte Peter am Sonntagabend dem ZDF. Nach acht Jahren rot-grüner Regierung hätten die Koalitionspartner dies zu spüren bekommen. Peter setzte auf eine Fortsetzung der Koalition mit der SPD, deren Mehrheit nach den ersten Prognosen aber in Frage stand. Peter räumte ein, dass die Grünen ihr Traumergebnis von 2011 kurz nach der Atomreaktorkatastrophe im japanischen Fukushima nicht annähernd halten konnten. »Wir haben starke Verluste zu verzeichnen.«

»Am Ende war die Bürgerschaftswahl eher ein Votum für Jens Böhrnsen und weniger deutlich als 2011 ein Regierungsauftrag für einen Senat mit sichtbaren Verschleißerscheinungen«, bilanzierte die Forschungsgruppe Wahlen. »Während Rot-Grün klar als Koalitionsmodell an Attraktivität verloren hat, bleibt die Bremer CDU weiterhin keine überzeugende Alternative.«

Dass die SPD »dennoch klar stärkste Partei bleibt, basiert nach den Mustern früherer Bremen-Wahlen auch jetzt auf ihrem Spitzenkandidaten, Strukturvorteilen, Parteiansehen sowie Sachkompetenzen, mit denen die Sozialdemokraten auch über die Mitte hinaus bürgerlich-wirtschaftsnahe Wählermärkte erreichen. Begünstigt wird die relative SPD-Stärke von einer schwachen CDU, die aufgrund inhaltlicher und vor allem personeller Defizite nicht als überzeugende Alternative zu Rot-Grün wahrgenommen wird«, so die Wahlforscher.

Laut amtlicher Hochrechung des Landeswahlamts reichte es für SPD und Grüne am Sonntag für eine Mehrheit von 44 der insgesamt 83 Sitze in der Bürgerschaft. Bisher hatten beide zusammen eine Zwei-Drittel-Mehrheit.

Die größten Gewinne verzeichnete die Linkspartei mit ihrer Spitzenkandidatin Kristina Vogt. Die Linke konnte mit gut 9 Prozent ihr Ergebnis der letzten Wahl 2011 fast verdoppeln. Auch absolut konnte sie die Zahl ihrer Stimmen von 73.769 (2011) auf 104.745 (2015) steigern. Eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei sieht der amtierende SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen nicht als Option. »In Bremen ist angekommen, dass wir eine konstruktive Oppositionspolitik von links gemacht haben«, sagte Spitzenkandidatin Vogt. Von einem grandiosen Erfolg sprach Bundes-Parteichef Bernd Riexinger.

Die Bundestagsabgeordnete Elisabeth Motschmann holte für die Union in Bremen ein im Vergleich zu 2011 leicht verbessertes Ergebnis und machte die CDU wieder zur zweitstärksten Partei.

Während die FDP die Rückkehr in die Bremer Bürgerschaft feiern konnte, musste die Rechtspartei AfD nach fünf erfolgreichen Landtagswahlen in Folge bei ihrem Debüt in Bremen lange zittern und zieht knapp in die Bürgerschaft ein.

Das vorläufige Endergebnis wird erst für Mittwoch erwartet. Nach der amtlichen Hochrechnung (Basis: 100 Prozent der Stimmzettel in Bremerhaven, 89 Prozent in Bremen) kommt die seit 1946 ununterbrochen regierende SPD nur noch auf 32,9 Prozent (2011: 38,6). Die CDU wird mit 22,6 Prozent (2011: 20,4) zweitstärkste Kraft, gefolgt von den Grünen mit 15,3 Prozent (2011: 22,5). Die Linke holt 9,2 Prozent (2011: 5,6). Mit 6,5 Prozent (2011: 2,4) schafft die FDP deutlich den Einzug in die Bürgerschaft. Der Rechtspartei AfD gelingt dies nach der Wahlamtshochrechnung mit 5,5 Prozent, ARD und ZDF sehen sie noch knapper über der Fünf-Prozent-Hürde.

Dies ergäbe folgende Sitzverteilung: SPD 30, CDU 20, Grüne 14, Linke 8, FDP 6, AfD 4. Die rechtspopulistische Gruppierung »Bürger in Wut« (BIW) holte wieder ein Mandat. Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 50 Prozent - so niedrig wie nie zuvor in einem westdeutschen Bundesland.

* Aus: neues deutschland, Montag, 11. Mai 2015


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