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"Regierung will keine Debatte über Waffendeal"

Staatssekretär gesteht erstmals Gespräche über Verkauf von Kriegsschiffen an Israel ein. Ein Gespräch mit Wolfgang Gehrcke

Wofgang Gehrcke ist Außenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Bundestag.



Im Oktober vergangenen Jahres wurde bekannt, daß Israel zwei Kriegsschiffe vom Typ Korvette bei der Hamburger Werft Blohm & Voss in Auftrag geben will – trotz mehrfacher Erkundigungen verweigert die Bundesregierung jeglichen Kommentar dazu. Sie haben nun angefragt, ob es Gespräche zwischen Berlin und Tel Aviv gab?

Im Januar hat es eine deutsch-israelische Regierungskonsultation gegeben, an der die Kanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu teilgenommen haben. Ich habe die Regierung gefragt, ob bei diesem Treffen Zusagen an die israelische Regierung bezüglich des Korvettengeschäfts gemacht wurden. Geantwortet hat mir der parlamentarische Staatssekretär Peter Hinze, bekannt als Erfinder der »Rote-Socken-Kampagne«. In seinem Schreiben heißt es: »Es wurden keine Zusagen gemacht.« Das bedeutet im Klartext: Wir haben über das Rüstungsgeschäft geredet, sind uns aber noch nicht über den Preis einig. Damit hat die Regierung erstmals öffentlich eingestanden, daß es Gespräche über den Kauf der Korvetten gab.

Was ist außerdem über die Unterredung bekannt?

Nichts. In der Antwort heißt es: »Der Inhalt des Gesprächs ist vertraulich«. Das ist ein Skandal. Was daran vertraulich sein soll, ist mir schleierhaft. Vielmehr wird einem Bundestagsabgeordneten die ihm zustehende Einsicht in Dokumente verweigert.

Warum bewertet die Bundesregierung Gespräche über einen Rüstungsverkauf als vertraulich, über den in der Presse ausführlich berichtet wurde?

Rüstungsgeschäfte werden in der Öffentlichkeit sehr kontrovers diskutiert. Dem will sich die Regierung entziehen, sie will keine Debatte über den Waffendeal .

Wie verhält sich der Rüstungsdeal zu den 2000 von der Regierung aus SPD und Grünen beschlossenen »Grundsätzen für den Export von Kriegswaffen«? Die verbieten ja Lieferungen in Länder, »die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind«.

Es ist die Grundlinie der Regierung, gegen Recht und Verfassung zu verstoßen. Das war schon im Afghanistan-Krieg so. Denn Artikel 26 des Grundgesetzes stellt die Beteiligung an Angriffskriegen unter Strafe. Und in puncto Waffenlieferungen geschieht dasselbe. Der Libanon-Krieg im Sommer 2006 sowie der Gaza-Krieg, der bis Januar 2009 dauerte, sind eindeutig »bewaffnete Auseinandersetzungen« im Sinne der politischen Grundsätze der Bundesregierung. Damit verstößt Deutschland gegen das Waffenexportverbot. Es waren aber nicht nur die Korvetten. Deutschland liefert zudem U-Boote der Dolphin-Klasse an Israel. Rüstungsexperten gehen davon aus, daß von diesen auch nuklear bestückte Marschflugkörper abgeschossen werden können. Die Linke will, daß Deutschland in kein Land des Nahen Ostens Waffen liefert.

Wie paßt der Waffenexport zur »Vermittlerrolle«, die Deutschland im iranischen Atomkonflikt einnehmen will?

Deutschland gehört zu den Ländern, die aktiv die Politik der Sanktionen gegen den Iran vorangetrieben haben. Aber selbst wenn man unterstellt, daß die Regierung tatsächlich vermitteln wollte, macht sie sich vollkommen unglaubwürdig, wenn sie Israel U-Boote liefert, von denen atomar bestückte Raketen abgefeuert werden können. Wer nicht will, daß der Iran Atomwaffen besitzt, der muß zu Sicherheit in der Region beitragen. Und die beste Sicherheitsgarantie ist eine atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten. So wie es im Mai auf der UN-Konferenz zum Atomwaffensperrvertrag in New York gefordert wurde.

Eine Forderung, die die Bundesregierung mitträgt ...

Womit wir wieder bei der Unglaubwürdigkeit dieser Regierung sind. Sie kann nicht auf der einen Seite einen solchen Aufruf unterschreiben, was ich gut finde, und gleichzeitig als Waffenhändler auftreten. Die Linke fordert, keine Waffenexporte in den Nahen Osten, keine militärische Zusammenarbeit und eine Ratifizierung des Atomwaffensperrvertrages, der Biowaffenkonvention, der Konvention gegen Chemiewaffen und des Atomwaffenteststoppabkommens durch alle Staaten der Region. Ein demilitarisierter Naher Osten wird leichter zu Frieden finden können.

Interview: Johannes Schulten

* Aus: junge Welt, 10. Juli 2010


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