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Dänische Volkssozialisten verlassen die Regierung

Uneinigkeit über Teilprivatisierung der Energieversorgung / Sozialdemokratische Ministerpräsidentin Thorning-Schmidt will weiter machen

Von Andreas Knudsen, Kopenhagen *

Lange schon stritt die dänische Regierung über den Verkauf von Anteilen an einem großen Energieversorger. Nun zerbrach die Dreiparteienkoalition.

»Wir ziehen uns aus der Regierung zurück. Es ist nicht möglich, in der Partei Einigkeit darüber zu erreichen, ob wir den Aktienverkauf an Goldman Sachs unterstützen sollen.« Mit diesen Worten setzte Annette Vilhelmsen, die Vorsitzende der dänischen Sozialistischen Volkspartei (SF), der zweijährigen Regierungsverantwortung ihrer Partei ein Ende und legte gleichzeitig ihr Amt nieder. Die verbleibenden Parteien der Mitte-Links-Koalition, die Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt und die sozialliberale Radikale Partei, werden ihr Bündnis fortsetzen. Neuwahlen sind nicht geplant, da die SF die Regierung grundsätzlich weiter stützt und das Kabinett ohnehin gewohnt war, Parlamentsmehrheiten fallweise mal links und mal rechts zu suchen.

Die vom sozialdemokratischen Finanzminister Bjarne Corydon geplante Teilprivatisierung der staatlichen Energiegesellschaft DONG brachte das Fass der Unstimmigkeiten zwischen den Koalitionspartnern zum Überlaufen. Die Hoffnungen, die die SF 2011 an die erstmalige Regierungsbeteiligung geknüpft hatte, erfüllten sich nicht. Die Parlamentarier und sechs Minister trugen Einsparungen beim Arbeitslosengeld und bei der Ausbildungsförderung wie auch Steuererleichterungen für Besserverdienende mit. Am Verkauf von 19 Prozent der DONG-Aktien an Goldman Sachs, einen Mitverantwortlichen für die Finanzkrise, schieden sich aber die sozialistischen Geister.

Der dänische Staat besitzt rund 76 Prozent des Energieversorgers und würde durch den Verkauf der Anteile acht Milliarden dänische Kronen (eine Milliarde Euro) einnehmen. Goldman Sachs sollen dafür jedoch Vetorechte bei entscheidenden Beschlüssen eingeräumt werden. Zum Erwerb der Anteile hat der Finanzriese eigens Schachtelgesellschaften auf den Caymaninseln und im US-amerikanischen Bundesstaat Delaware eingerichtet. In internen Papieren bezeichnet Goldman Sachs den Aktienkauf als risikofrei und äußerst profitabel.

Kritik an dem Geschäft übt auch die Rot-Grüne Einheitsliste. Sie hatte eine parlamentarische Abstimmung erzwungen, um den Verkauf zumindest auszusetzen. Binnen einer Woche unterschrieben zudem rund 200 000 Dänen eine Protestresolution gegen den Deal. Die Regierung will dennoch daran festhalten.

Annette Vilhelmsen war erst vor 15 Monaten zur Parteivorsitzenden gewählt worden, nachdem der damalige Chef Villy Søvndal das Vertrauen der Parteibasis verloren hatte. Søvndals wichtigstes politisches Projekt war es, die Volkssozialisten regierungsreif zu machen. Das ist genauso gescheitert wie Vilhelmsens Versuch, die Regierung weiter nach links zu bewegen. Die Reaktion der Wähler auf die Nachgiebigkeit der Volkssozialisten und deren Unvermögen, in der Koalition eigene Projekte umzusetzen, ließ nicht auf sich warten: Die Wählerzustimmung ist nicht einmal mehr halb so groß wie 2011 und liegt derzeit bei etwa fünf Prozent. Enttäuschte SF-Anhänger orientieren sich jetzt offenbar an der Rot-Grünen Einheitsliste. Sie liegt in Umfragen bei über zehn Prozent.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 31. Januar 2014


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