Rasmussen folgt auf Rasmussen
Dänemarks Finanzminister wird neuer Premier
Von Andreas Knudsen, Kopenhagen *
Finanzminister Lars Lökke Rasmussen soll neuer Ministerpräsident in Dänemark werden. Der
Führungswechsel ist eine Konsequenz der Nominierung des Amtsinhabers Anders Fogh
Rasmussen zum NATO-Generalsekretär.
Die letzten Wochen zehrten an den Nerven von Anders Fogh Rasmussen. Lange stand die Frage im
Raum, ob die Türkei ihren Widerstand gegen seine Kandidatur als NATO-Generalsekretär aufgeben
oder Veto einlegen würde. Innenpolitisch war Fogh Rasmussen bereits seit Längerem unter Druck,
seine Kandidatur offiziell zu bestätigen, um klare Verhältnisse zu schaffen. Die Minister seiner
konservativ-liberalen Regierung hatten bereits begonnen, während seiner längeren
Abwesenheitsperioden sich freier zu äußern, als es in den acht Jahren seiner Regierungsführung bis
dahin möglich gewesen war.
Die Meinungsumfragen widerspiegelten die Unsicherheit seiner Wähler und die Mitte-Links-
Opposition forderte bereits Neuwahlen im Fall eines Wechsels auf dem Stuhl des
Ministerpräsidenten, doch die Verfassung sieht in diesem Falle keine Neuwahlen vor. Dazu wird es
auch nicht kommen. Wie das dänische Fernsehen berichtete, traf sich Rasmussen am
Sonntagmittag mit Königin Margrethe im Königspalast von Kopenhagen. Nach einer halben Stunde
verließ er den Palast, ohne einen Kommentar abzugeben. Doch es ist ein offenes Geheimnis, dass
er seinen Rücktritt und die Übergabe des Postens als Regierungschef an Lars Løkke Rasmussen
übermittelte. Anders Fogh Rasmussen hatte 2001 Poul Nyrup Rasmussen abgelöst. Die königliche
Bestätigung ist nur eine Formsache. Als neuer NATO-Generalsekretär übernimmt Fogh Rasmussen
im August die höchste internationale Stellung, die je von einem Dänen eingenommen worden ist,
und selbst die Opposition applaudierte.
Sein Nachfolger Lars Løkke Rasmussen wurde 1998 stellvertretender Vorsitzender der liberalen
Venstre Partei, als Anders Fogh zum Vorsitzenden gewählt wurde. Seit 1994 ist er Folketingmitglied
und von 1998 bis 2001 war er gleichzeitig Bürgermeister im Großkreis Frederiksborg, wo er
insbesondere Verantwortung für das Gesundheitswesen hatte.
Nach dem bürgerlichen Wahlsieg 2001 wurde er Innen- und Gesundheitsminister und stand an der
Spitze einer einschneidenden Gebietsreform. 2007 wurden die 16 Kreise und 270 Kommunen durch
fünf Regionen beziehungsweise 98 Kommunen ersetzt und insbesondere das Gesundheitswesen
zentralisiert. Ziel war die Vereinfachung der regionalen Verwaltung und ein größeres politisches
Gewicht für die lokalen Kommunen, doch sind die Ergebnisse weiter politisch und ökonomisch
umstritten. 2007 wurde Løkke Rasmussen nach dem dritten Wahlsieg der bürgerlichen Koalition
hintereinander zum Finanzminister ernannt und seine Stellung als inoffizieller Nachfolger von Anders
Fogh Rasmussen bestätigt.
Der 45-jährige Jurist gilt als jovial, umgänglich und lebenslustig im Gegensatz zu seinem eher
asketischen Vorgänger. Mit (Partei-)Freunden trinkt er gern ein Glas Bier oder Wein und als
Gesundheitsminister wurde er eher widerwillig Nichtraucher, weil sich dieser Status politisch besser
vereinbaren ließ. Seinem Ansehen schädlich war die sogenannte Anlagenaffäre, die im Vorjahr eine
legere Haltung zur korrekten Abrechnung von Reisekosten erkennen ließ. Doch überlebte er den
politischen Sturmlauf der Opposition, zumal es sich nur um Kleinbeträge handelte.
Lars Løkke Rasmussen ist mit Solrún Jákupsdottir verheiratet, die von den Färöern stammt.
Gemeinsam haben sie drei Kinder. Seine Frau hatte bereits vor einigen Jahren gegenüber der
färöischen Frauenzeitschrift Kvinna geäußert, es sei nicht ihr Wunschtraum, dass ihr Mann das
höchste politische Amt Dänemarks einnehmen könnte, »doch das muss man pragmatisch sehen,
falls es soweit kommt.« Sie hat zunächst zweieinhalb Jahre, die Rolle der First Lady auszufüllen,
während ihr Mann daran arbeiten muss, schlechte Meinungsumfragen zu ändern und eine müde
Regierung zu neuer Schlagkraft zu verhelfen. Die Regierungsumbildung in den nächsten Tagen wird
zeigen, welchen Weg Lars Løkke Rasmussen zwischen Erneuerung und Fortsetzung des bisherigen
Kurses gehen will.
* Aus: Neues Deutschland, 6. April 2009
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