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Verzicht zugunsten von Solis

Costa Rica: Opposition schmiedet Allianz, um Chancen für Mitte-links-Kandidaten bei den Präsidentschaftswahlen zu erhöhen

Von Torge Löding, San José *

Wenige Tage vor den Wahlen in Costa Rica haben drei Präsidentschaftsbewerber auf ihre Kandidatur verzichtet, um die Chancen für den Mitte-Links-Kandidaten Ottón Solis von der »Partei der Bürgeraktion« (PAC) zu erhöhen. Am Sonntag werden Präsident, Parlament und Kommunalvertretungen des zentralamerikanischen Landes neu gewählt. Bei Umfragen war Solis zuletzt abgeschlagen auf dem dritten Platz hinter Favoritin Laura Chinchilla von den regierenden Rechtssozialdemokraten (PLN) und dem Ultrarechten Otto Guevara (Libertäre Bewegung, ML) gelandet.

Sie hätten eine neue »Allianz« mit der PAC aus der Taufe gehoben, erklärten die beiden ehemaligen Kandidaten Rolando Araya von der »Patriotischen Allianz« (Mitte-links) und Walter Muñoz von der konservativen Sozialstaatspartei PIN. Der Dritte im Bunde, Eugenio Trejos, strebt nun statt der Präsidentschaft ein Abgeordnetenmandat an. Der Kandidat der Linkspartei FA (»Frente Amplio«, »Breite Front«) knüpfte indes keinen Wahlaufruf an den Verzicht auf die eigene Kandidatur. »Wir sind Befürworter eines Linksbündnisses und waren sehr enttäuscht, daß besonders Ottón Solis daran in der Vergangenheit nicht interessiert war. Wir begrüßen, daß er seine Weigerung nun als Fehler einsieht. An der ›Allianz‹ können wir uns jetzt aber nicht aktiv beteiligen, weil es dafür einer Einbeziehung unserer eigenen Basis bedarf in nur sieben Tagen vor der Wahl ist die nicht zu gewährleisten«, erklärte José Maria Villalta, Spitzenkandidat der FA in San José, gegenüber junge Welt.

Auch wenn den Umfrageergebnissen zu mißtrauen ist, muß die parlamentarische Linke diese ernst nehmen. Psychologisch und politisch haben die schlechten Umfragewerte für Ottón Solis, die ihn manchmal bei weniger als 15 Prozent sehen, große Auswirkungen: Nicht wenige Wähler nehmen Otto Guevara nun als den stärkeren Oppositionsvertreter wahr und erwägen, für ihn zu stimmen, um eine Regierung Laura Chinchilla zu verhindern. Zum anderen verwehren Costa Ricas Banken dem ehemaligen Direktionsmitglied der Nationalbank Solis und der PAC Kredite, die von der Partei bereits zur Wahlkampffinanzierung eingeplant waren. Sie begründen dies mit den schlechten Umfragewerten.

»In den vergangenen Tagen ist noch einmal viel Schwung in den Wahlkampf gekommen. Viele Costaricaner sind sauer über die ungerechte Behandlung der PAC, das weckt Sympathien! Es ist alles offen, denn die meisten Umfragen verschweigen, daß es eine große Anzahl unentschlossener Wähler gibt«, sagte Juan Carlos Mendoza, Zweitplatzierter auf der PAC-Liste in San José und entschiedener Privatisierungsgegnern gegenüber jW. Erstaunlich sind die schlechten Umfragewerte für Ottón Solis dann aber doch, wenn man bedenkt, daß er vor vier Jahren mit nur einem Prozentpunkt Unterschied gegen den Neoliberalen Óscar Arias (PLN) unterlag und noch vor zwei Jahren eine Massenbewegung gegen das CAFTA-DR-Freihandelsabkommen zwischen USA und Zentralamerika die Straßen und Plätze des Landes beherrschte. „Durch geschicktes Agieren hat Laura Chinchilla den Ultrarechten Otto Guevara zum ihr genehmen Rivalen aufgebaut. Die Massenmedien haben dabei mitgespielt«, konstatierte Politologe Alberto Cortes.

Der Kommunistischen Partei (PVP) untersagte das Oberste Wahlgericht die Wahlteilnahme. Sie ruft zur Wahl keiner anderen Gruppierung auf und schlägt ihren Anhängern statt dessen vor, für den Aufbau einer antikapitalistischen Alternative aktiv zu werden.

Vor sechs Jahren entstand die »Breite Front« als linke Sammelbewegung. Heute ist sie die dynamischste Gruppierung der Linken in Costa Rica. Neue Schichten von Aktivisten der Anti-CAFTA- und Umwelt-, Gewerkschafts- und feministischen Bewegung stießen dazu. In ihrem Wahlprogramm wendet sich die Partei gegen Privatisierungen und Neoliberalismus. Sie setzt sich für den Ausbau des Sozialstaates ein und bezieht sich positiv auf den Begriff des Sozialismus, ohne diesen näher zu definieren. Die FA hofft, zwei bis fünf der insgesamt 57 Parlamentsmandate zu erringen.

* Der Autor arbeitet für das unabhängige Kommunikationszentrum Voces Nuestras in Costa Rica.

Aus: junge Welt, 4. Februar 2010



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