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Empörung über Mord an jungem Umweltschützer

Regierung Costa Ricas leugnet die Mitverantwortung und verweist auf den Drogenhandel

Von Markus Plate, San José *

Der Mord an dem Biologen Jairo Mora Sandoval hat weit über die Landesgrenzen Costa Ricas für Empörung gesorgt. Die Reaktion der costa-ricanischen Regierung auf das Verbrechen sorgte dabei für ebensolche Empörung wie der Mord an sich.

Cristina Volkart ist immer noch erschüttert. Die Vizepräsidentin des Karibischen Meeresschildkröten-Netzwerks Widecast kannte den ermordeten Jairo Mora seit vielen Jahren, sein Mut und sein Engagement sei vielen ein Vorbild. Der 26-Jährige war am 30. Mai am Strand von Moin, in der Nähe der Hafenstadt Limón, erschlagen aufgefunden worden. Jairo sei ein passionierter Umweltschützer gewesen, der sein Leben den Meeresschildkröten gewidmet habe, so Volkart.

In der Vergangenheit hatte Mora mehrfach Anzeige gegen die Plünderung von Schildkröteneiern erstattet und Fälle über die Medien und soziale Netzwerke publik gemacht. Angesichts der zunehmenden Präsenz des Drogenhandels in der Region und dem parallel dazu wachsenden Schwarzmarkt für die Eier hatte Mora sich für ein Schutzgebiet am Strand von Moin starkgemacht und hatte oft nächtelang zum Schutz der Brutstätten an den Stränden der Umgebung patrouilliert. Bereits im April hatte eine lokale Zeitung von Morddrohungen gegen Mora berichtet. Doch hätten weder die örtliche Polizei noch die Provinzregierung in Limón in der Sache ermittelt oder dem Aktivisten Personenschutz zur Seite gestellt.

Derweil sorgte Vizepräsident Alfio Piva für amerikaweites Kopfschütteln. Pikanterweise am Vorabend des Weltumwelttages hatte Piva erklärt, der Tod des Umweltschützers sei »ein Unfall in einer gefährlichen Zone, wo viele Drogen – vor allem aus Kolumbien – angelandet werden«. Wer wie der junge Mann mitten in der Nacht bis zu 25 Kilometer am Strand patrouilliere, habe sich angesichts der Narco-Präsenz dort möglicherweise selbst in Gefahr gebracht. Der renommierte Professor für Umweltrecht an der Universität von Costa Rica, Nicolás Boeglin kommentierte die Äußerungen des Vizepräsidenten stellvertretend für viele seiner Landsleute: »Der Vizepräsident gibt quasi zu, dass der costa-ricanische Staat über Teile seines Territoriums keine Autorität mehr hat. Damit sendet er ein gefährliches Signal an die Mafia und an viele Unternehmer, die Orte als gefährlich deklarieren können, um nicht von Umweltschützern behelligt zu werden.«

Von der costa-ricanischen Regierung fordert Boeglin, sich ihrer Verantwortung zu stellen: »Wir erwarten von Alfio Piva, dass er die Mitverantwortung des Staates für den Mord einräumt, dass er sich bei Angehörigen und Kollegen von Jairo entschuldigt und dass er erläutert, wie er verhindern will, dass sich solche Taten in diesem Land wiederholen.« In den vergangenen Jahren sind in Costa Rica mindestens vier Umweltschützer gewaltsam zu Tode gekommen.

Der Mord an Jairo Mora und die Äußerungen des Vizepräsidenten bringen Costa Rica derweil zum zweiten Mal binnen eines Monats zusammen mit dem Drogenhandel in die internationalen Schlagzeilen: Erst vor gut zwei Wochen hatte Präsidentin Laura Chinchilla einräumen müssen, bei mindestens zwei Auslandreisen ein Privatflugzeug eines kolumbianischen Geschäftsmannes genutzt zu haben, dem Verbindungen zu Drogenkartellen nachgesagt werden. Für das gepflegte Umweltimage Costa Ricas ein Schlag ins Kontor – Touristen dürften sich fragen, ob die Schildkrötenbeobachtung an den Stränden noch sicher ist, wenn selbst der Vizepräsident auf die unkontrollierbare Existenz gefährlicher Drogenbanden hinweist.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 11. Juni 2013


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