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Keine Mine mehr

In Costa Rica protestieren Umweltschützer gegen den Bau eines neuen Goldbergwerks

Von Laura Zierke und Laura Mc Quiddy, San José *

Seit zehn Tagen verweigern fünf Männer und drei Frauen in Costa Rica die Nahrungsaufnahme, um damit gegen den Bau einer neuen Goldmine zu protestieren. Die Umweltschützer wollen mit ihrem Hungerstreik die Regierung von Präsidentin Laura Chinchilla dazu bewegen, das Dekret 34801-MINAET außer Kraft zu setzen, durch das die Goldmine Las Crucitas zu einem Projekt »von öffentlichem Interesse und nationalem Nutzen« erklärt wird, und den Minenbau zu stoppen. Unter dem Motto »Hungerstreik für das Leben: Für ein Costa Rica und ein Crucitas ohne Zyanid und Minentagebau« setzen sie ihre bislang durch Demonstrationen und andere Aktionen geprägten Proteste nun in dieser neuen Form in der Nähe des Präsidentenpalastes in San José fort.

Die Costaricaner wehren sich seit Jahren gegen das Goldminenprojekt des kanadischen Unternehmens Infinito Gold Ltd. im Norden des Landes. Chinchillas Amtsvorgänger Oscar Arias, der wie sie der Nationalliberalen Partei (PLN) angehört, hatte die Interessen des Konzerns offen unterstützt. Seine Nachfolgerin hat zwar per Dekret die Neuzulassung von Minen verboten. Das betrifft jedoch nicht den Ausbau der Mine in Las Crucitas, für den die nötigen Verträge bereits vorher unterzeichnet wurden.

Nachdem die Polizei zu Beginn des Hungerstreiks den von den Protestierenden besetzten Platz vor dem Regierungsgebäude im Zentrum der Hauptstadt geräumt hatte, wichen sie nun auf einen Grünstreifen aus, wo sie trotz Regens unter freiem Himmel campieren. Zwei Ärzte überprüfen ständig den Gesundheitszustand der Hungernden, vorbeifahrende Autofahrer zollen den Aktivisten hupend Anerkennung.

Regierungsvertreter haben sich bislang weder öffentlich zu dem Hungerstreik geäußert noch den Dialog mit den Protestierenden gesucht. Auch in den großen Tageszeitungen und im Fernsehen wird der Hungerstreik kaum thematisiert, während in den letzten Wochen Anzeigen des Unternehmens Infinito Gold Ltd. breiten Raum einnahmen, in denen der Minenbetreiber versucht, sich den Anschein eines ökologischen Unternehmens zu geben.

Ein seit dem 4. Oktober laufendes Gerichtsverfahren macht den Goldminengegnern jedoch Hoffnung. Die meisten der bislang in den Zeugenstand getretenen Experten bemängeln die Machbarkeitsstudien des Unternehmens als unzureichend. So wurden die Untersuchungen, die das Unternehmen vorweist, nicht von entsprechenden Experten verifiziert. Umweltschützer, Anwohner und Experten hatten bereits im Vorfeld darauf aufmerksam gemacht, daß die Expertisen des Unternehmens zu möglichen Umweltschäden, die der Ausbau des Goldminentagebaus und die Förderung des Edelmetalls in der Region verursachen würde, mangelhaft seien. Eine an der Universität von Costa Rica (UCR) in San José durchgeführte Studie macht hingegen auf die verheerenden Auswirkungen des Goldtagebaus unter Nutzung von hochgiftigem Zyanid aufmerksam. Weder kann aufgrund der von starken Regenfällen geprägten Klimaverhältnisse der Abbau kontrolliert stattfinden, noch wird die Bevölkerung Costa Ricas von dem Abbau des Edelmetalls profitieren, stellen die Experten fest. Generell ist davon auszugehen, daß bei einer Umsetzung des Vorhabens Indigene und Campesinos, die das Gebiet bewohnen, unter den Auswirkungen des Goldtagebaus leiden würden. Die Wasserverschmutzung sowie die Vernichtung von Wald, Fischbeständen und Anbauflächen würden neben gesundheitlichen Beeinträchtigungen gravierende sozioökonomische Probleme mit sich bringen. Migration in die Städte, Verlust der kulturellen Vielfalt und Armut wären die Folgen.

Es ist den Hungernden anzusehen, daß ihr Protest nicht einfach ist. Kopf- und Bauchschmerzen hatten sie schon; Schwindel, Schwäche und Unkonzentriertheit sind nun ihre ständigen Begleiter. Doch sie sind entschlossen, mindestens bis zum Ende des Gerichtsverfahrens am 25. Oktober den Hungerstreik durchzuhalten. Schließlich vertreten sie mit ihrem Protest Umfragen zufolge 90 Prozent der costaricanischen Bevölkerung.

* Die Autorinnen arbeiten für das unabhängige Kommunikationszentrum Voces Nuestras in Costa Rica.

Aus: junge Welt, 19. Oktober 2010



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