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Konzern auf Goldsuche

Costa Rica: Tagebauprojekt gefährdet den wichtigsten Fluß Zentralamerikas

Von Torge Löding, San José *

Die schweren Baumaschinen und Kettensägen stehen still. Für den Moment haben die Gegner des Goldminentagebauprojektes La Crucitas im Norden Costa Ricas juristisch eine Atempause erstritten. Doch schon bald wird das Oberste Verfassungsgericht sein endgültiges Urteil sprechen. Für den 11. September haben die Richter einen Besuch in der entlegenen Region angekündigt; sie wollten sich persönlich ein Bild machen.

»Es darf nicht sein, daß ein transnationaler Konzern unseren Frieden zerstört«, sagt Anwohnerin Rosa Goméz und berichtet von zahlreichen lokalen und nationalen Protestaktionen, bei denen sie oder ihr Mann und die Kinder dabeigewesen sind. Bereits vor 17 Jahren installierte der transnationale Konzern Vanessa Ventures Infinito Gold Ltd mit Sitz in Kanada ein erstes Minencamp und begann mit der Erkundung der Goldvorkommen. Heute firmiert das Unternehmen unter dem Namen Infinito Gold Ltd und verfügt über erstklassige Kontakte in Politik und Wirtschaft. Der costaricanische Präsident Oscar Arías erklärte, das Vorhaben habe »nationalen Belang«. Daran änderte auch die Tatsache nichts, daß im März die Geschäftsbeziehung zwischen der Ehefrau des damaligen Umweltministers Roberto Dobles und dem Minenunternehmen herauskam. Dobles trat zurück - ein Bauernopfer.

Er verstehe die ganze Aufregung nicht, so Andreas Soto, der den Konzern in Costa Rica vertritt. Am Eingangstor des Minencamps in Las Crucitas prangt ein Schild, welches das Selbstverständnis des Projektes illustrieren soll: »Ökomine« steht da in geschrieben. Soto erläutert, die Mine arbeite mit moderner »Technologie des 21. Jahrhunderts«; durch Aufforstung an anderer Stelle sei die Klimabilanz positiv, und seltene Arten wie der gelbe Papagei würden dadurch überhaupt wieder erst Lebensraum erhalten.

Edgardo Araya, Anwalt und stellvertretender Vorsitzender des Naturschutzbundes UNO VIDA, weist diese Darstellung zurück: »Es gibt in Zentralamerika keinen Ort, wo eine Goldmine eine andere Konsequenz gehabt hätte als Umweltzerstörung, Vergiftung des Wassers, Krankheit und mehr Armut für die Anwohner.« Ein Hohn sei das Versprechen des Unternehmens, hochgiftige Substanzen wie Zyanid und Arsen, die im Tagebau zum Einsatz kommen, würden in einem geschlossenen Kreislauf zirkulieren. Costa Rica ist ein Land mit extremer seismologischer Aktivität. Kein System aus Behältern und Rohren sei gegen ein wirklich starkes Erdbeben gefeit. »Außerdem kommt Säure bei dem Vorgang der 'sauren Trocknung' des Bodens mit dem Grundwasser in Berührung«, fügt der Umweltschützer hinzu. Rund eine Tonne Erde und Gestein müßten aufgewühlt und bewegt werden, um ein Gramm Gold zu fördern.

Die ökologische Bedrohung geht nicht nur die umliegenden Gemeinden an. Nur drei Kilometer sind es vom Terrain des Minenunternehmens zum Rio San Juan, dem Grenzfluß mit Nicaragua. Der San Juan ist das größte und wichtigste Flußbecken Zentralamerikas. Er dient nicht nur als Transportader.Viele Menschen leben von seinem Wasser und betreiben Fischerei. Zudem ist das Gewässer ein Touristenmagnet. Wiederholt äußerten sich Regierungsvertreter aus Managua ablehnend zu dem Minenprojekt Infinito Gold Ltd.

Auch soziale Folgen sind absehbar: »Früher lebten die Menschen hier in Harmonie, fast alle von Viehzucht oder Landwirtschaft, dazu kamen einige kleine Betriebe wie meine Sägerei. Wenn es eine Scheune zu bauen galt, packten alle Nachbarn mit an. In den Gemeindesälen feierten wir gemeinsam«, sagt Guillermo Herrera Matamoros. Das habe sich mit der Präsenz der Minengesellschaft verändert. Diese habe mit ihren Versprechen von Arbeitsplätzen und Fortschritt die Gemeinschaft gespalten. Befürworter und Gegner der Minen stehen sich heute unversöhnlich gegenüber, die Gemeindesäle verkommen. Auf Arbeitsplätze oder Wohlstand warten alle Beteiligten vergeblich.

Laut Umfragen lehnen bis zu 80 Prozent der Costaricaner den Goldminentagebau ab. »Wir wollen den Goldabbau bis zu den Wahlen im Februar verzögern«, schlußfolgert Anwalt Edgardo Araya und hofft darauf, daß dann im neuen Parlament »mehr Abgeordnete mit Umweltbewußtsein« einziehen.

* Der Autor arbeitet für das unabhängige Kommunikationszentrum Voces Nuestras in San José, Costa Rica.

Aus: junge Welt, 24. August 2009



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