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Peking umwirbt Staaten Lateinamerikas

Präsident Xi sichert mit Krediten und Investitionen Chinas Rohstoffversorgung ab *

Der chinesische Staatschef kündigt in Argentinien und Venezuela Milliardeninvestitionen an. Die südamerikanischen Staaten brauchen Geld, Peking will seine Versorgung mit Rohstoffen sicherstellen.

China baut seinen Einfluss in Lateinamerika aus. Staatspräsident Xi Jinping sagte bei seiner Reise durch die Region Kredite in Milliardenhöhe zu. In Venezuela sicherte sich die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt Zugriff auf die Erdölreserven, in Argentinien investiert sie in Energie- sowie in Verkehrsprojekte und verschafft dem von der Staatspleite bedrohten Land finanziellen Spielraum.

»Wir hauchen dieser Beziehung zwischen China und Venezuela neues Leben ein«, sagte Xi am Montag in Caracas. Mit seinem Kollegen Nicolás Maduro unterzeichnete er insgesamt 38 Abkommen. Eine neue Kreditlinie über vier Milliarden US-Dollar wird mit Schuldverschreibungen für venezolanisches Öl verrechnet. Derzeit liefert Venezuela pro Tag 524 000 Barrel (je 159 Liter) Öl an China.

Die Menge soll zunächst um 100 000 Barrel pro Tag erhöht werden. Der Präsident des staatlichen Energiekonzerns PDVSA, Rafael Ramírez, rechnet damit, dass die Lieferungen bis 2016 auf täglich eine Million Barrel steigen.

Künftig wollen China und Venezuela auch bei der Ausbeutung von neu entdeckten Erdölvorkommen kooperieren, den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten ankurbeln und Investitionen in Industrie sowie Technologie vorantreiben.

Venezuela ist das größte Empfängerland von Krediten der chinesischen Entwicklungsbank in Lateinamerika. Seit Gründung des binationalen Entwicklungsfonds 2008 hat China Kredite in Höhe von 45 Milliarden Dollar an Venezuela überwiesen. Trotz großer Erdölreserven fehlt es in dem Land allerdings teilweise an Dingen des täglichen Bedarfs. Zudem hat Venezuela mit einer Inflation von über 60 Prozent zu kämpfen.

Auch dem klammen Argentinien hilft China mit frischem Geld aus. Bei seinem Besuch in Buenos Aires am Wochenende kündigte Xi Investitionen von fast sieben Milliarden Dollar in den Bau zweier Wasserwerke und die Modernisierung der Eisenbahn an. Die Wirtschaftsdelegationen beider Länder vereinbarten Geschäfte im Umfang von 1,5 Milliarden Dollar.

»Unsere Länder befinden sich an einem historischen Scheideweg«, sagte Xi. »Vor zehn Jahren haben China und Argentinien eine strategische Partnerschaft geschlossen. Jetzt ist es an der Zeit, neue Perspektiven zu eröffnen.«

Mit einem Reservenaustausch der Zentralbanken (Swap) über elf Milliarden US-Dollar verschafft China dem südamerikanischen Land außerdem finanziellen Spielraum. Wegen des Schuldenstreits mit US-Hedgefonds ist Argentinien von den internationalen Kapitalmärkten derzeit weitgehend abgeschnitten.

Der Außenhandel Argentiniens wird von landwirtschaftlichen Produkten dominiert, während Venezuela vor allem Erdöl exportiert. China investiert auf der ganzen Welt seit Jahren massiv, um seine Versorgung mit Rohstoffen und Nahrungsmitteln sicherzustellen.

Am Montagabend (Ortszeit) reiste Xi nach Kuba weiter. Auch dort wollte der Präsident eine Reihe von Abkommen unterzeichnen. Erst vor wenigen Wochen war ein neues Gesetz in Kraft getreten, das Auslandsinvestitionen auf der sozialistischen Insel künftig vereinfachen soll.

Es handelt sich um Xis zweite Lateinamerika-Visite seit Amtsantritt 2013, nachdem er vergangenes Jahr bereits mehrere Länder Mittelamerikas bereist hatte. Im vorigen Jahr floss ein Fünftel der chinesischen Auslandsdirektinvestitionen im Umfang von rund 67 Milliarden Euro nach Lateinamerika. Die rohstoffreiche Region gilt politisch wie wirtschaftlich als traditionelle Einflusssphäre der USA, doch Peking macht Washington zunehmend Konkurrenz.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch 23. Juli 2014


Geld, Erdöl und ein Satellit

Beim Besuch von Chinas Präsident Xi Jinping in Caracas wurden zahlreiche Abkommen geschlossen

Von Lena Kreymann **


Chinas Staatspräsident Xi Jinping ist am Montag abend (Ortszeit) vom Flughafen der venezolanischen Hauptstadt Caracas aus nach Havanna geflogen, um in Kuba die letzte Station seiner Lateinamerikarundreise anzutreten.

Bei seinem Besuch in Venezuela unterzeichneten die beiden Staaten insgesamt 38 Abkommen, die die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern unter anderem bei technologischen Innovationen, im Erdölgeschäft, dem Wohnungsbau und der Landwirtschaft verbessern sollen.

Nach Angaben des staatlichen Fernsehsenders VTV wollen beide Staaten nun den venezolanisch-chinesischen Fonds aufstocken, mit dem Entwicklungsprojekte in dem lateinamerikanischen Land finanziert werden – Peking will vier weitere Millarden, Caracas zwei beisteuern. Die für die Zahlungen von chinesischer Seite zuständige Entwicklungsbank hatte erst am Samstag in Venezuela eine Filiale eröffnet. Als Form der Schuldenzahlung stimmte Caracas außerdem der täglichen Lieferung weiterer 100000 Barrel Erdöl zu, zusätzlich zu den bereits in früheren Verträgen vereinbarten 524000 Barrel.

Außerdem wurde das Programm VRSS2 zum Bau eines dritten venezolanischen Satelliten beschlossen, zu dem China vor allem durch den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse beitragen soll. Neben »Simón Bolívar« und »Miranda« soll dieser insbesondere der Fernerkundung und der Kartographie dienen.

Maduro betonte die Ähnlichkeit der bilateralen Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern und der gerade gefestigten Kooperation zwischen China und der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC). In Brasilien, der ersten Station von Xis Rundreise, hatte dieser vergangene Woche an einem Treffen der sogenannten BRICS-Staaten (Brasilien, Rußland, Indien, China und Südafrika) teilgenommen sowie sich am Donnerstag mit Vertretern der ­CELAC-Länder getroffen. Dort hatte Xi sein sogenanntes »1+3+6«-Programm vorgestellt. Demnach soll sich die Zusammenarbeit zwischen der Regionalstruktur und China von 2015 bis 2019 im Rahmen eines Gesamtprogramms durch die drei Entwicklungsfaktoren Handel, Investitionen und Kooperation in sechs Gebieten weiterentwickeln: Ressourcen, Energie, Infrastruktur, Landwirtschaft, Industrie und Hochtechnologie.

Wie AVN berichtete, besuchte Xi im Rahmen seines zweitägigen Besuchs in Venezuela am Sonntag zunächst das Panteón Nacional, wo der Nationalheld und Befreiungskämpfer Simón Bolívar begraben ist. Am Montag stattete Xi auch der Ruhestätte von Hugo Chávez einen Besuch ab. Vor seiner Teilnahme an der XIII. Konferenz der 2001 gegründeten gemeinsamen chinesisch-venezolanischen Wirtschaftskommission besichtigte Xi die venezolanische Nationalversammlung, zum Abschluß seines Aufenthalts wurde er durch den Wohnungskomplex Tiuna geführt, der in Caracas mit chinesischer Unterstützung entstanden ist und 13000 Wohnungen umfaßt.

Den ersten Besuch des seit März 2013 amtierenden Xi bezeichnete Maduro nach dessen Verabschiedung als »historisch bedeutsam«. Auch Erdölminister Rafael Ramírez betonte die Wichtigkeit der Beziehungen zu China für die Souveränität Venezuelas und »die Interessen unseres Volkes«. Die diplomatischen Beziehungen zwischen Venezuela und China bestehen bereits seit 1974, bekamen aber im Rahmen der von Hugo Chávez angestoßenen »Bolivarischen Revolution« eine verstärkte Bedeutung. Gerade zum Präsidenten des südamerikanischen Landes gewählt, erklärte Chávez 1999 den »strategischen Charakter« der Beziehungen zu China und legte damit den Grundstein für die Zusammenarbeit der folgenden Jahre.

** Aus: junge Welt, Mittwoch 23. Juli 2014


Chinas Kapital ist hoch willkommen

Martin Ling über die Lateinamerikareise von Chinas Präsident Xi Jinping ***

Brasilien, Argentinien, Venezuela, Kuba. Es ist eine illustre Reiseroute, die sich Chinas Präsident Xi Jinping vorgenommen hat. Und überall ist er willkommen, denn auch wenn er keine Geschenke mitbringt, so doch hochgeschätzte Offerten. Im vom internationalen Kapitalmarkt seit dem Bankrott 2002 abgeschnittenen Argentinien hat Peking Investitionen in Wasserkraftwerke und Eisenbahnnetz zugesagt, was Buenos Aires vor allem mit Sojaexporten langfristig zurückzahlen soll. Venezuela erhält Kredit jetzt für Öllieferungen in der Zukunft, und in Kuba ist China schnell nach dem Ende des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe als Handelspartner in die Bresche gesprungen – Scheckbuchdiplomatie, mit der China seinen Einfluss in Lateinamerika ausbaut.

Die Rollenverteilung zwischen China und Lateinamerika ist klar: Der asiatische Gigant braucht Rohstoffe und die Südamerikaner Kapital. Diese klassische Nord-Süd-Konstellation schreibt die Rolle der Südamerikaner als Rohstofflieferant fest. Vor allem Brasilien, das industrialisierteste Land Südamerikas, nimmt an dieser Arbeitsteilung Anstoß, versteht es sich doch selbst als Regionalmacht mit globalen Ambitionen – ob in Afrika oder in der UNO. China lässt sich davon freilich nicht groß beirren. Peking weiß, dass seine rein handelspolitische Ausrichtung allemal besser ankommt als ihre Vermengung mit Politikeinmischung à la USA. Dieser Trumpf sticht fast immer.

*** Aus: neues deutschland, Mittwoch 23. Juli 2014 (Kommentar)


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