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Chinesen sehen Krieg mit Japan kommen

Der Streit um die Inselkette im Ostchinesischen Meer weckt auf beiden Seiten militärische Gelüste und Ängste

Von Susanne Steffen, Tokio *

Die Mehrheit der Chinesen erwartet einen Krieg mit Japan. Der Konflikt um eine Inselkette im Ostchinesischen Meer hat sich verschärft, da China Schiffe in die Nähe der japanischen Inseln entsandt hat.

Die Stimmung ist schlecht: Japan und China steuern auf einen militärischen Konflikt zu. Das glaubt mehr als die Hälfte der Chinesen, die über die bilateralen Beziehungen zum Nachbarn Japan befragt wurden. Auch in Japan rechnet knapp ein Drittel der Befragten mit Krieg. Grund für die Ängste ist der Territorialkonflikt um eine unbewohnte Inselkette, die Tokio vor zwei Jahren verstaatlicht hat.

53 Prozent der befragten Chinesen rechnen damit, dass der Streit um die Mini-Eilande im Ostchinesischen Meer irgendwann zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen der zweit- und der drittgrößten Wirtschaftsmacht der Welt führt. Gut ein Fünftel fürchtet sogar, dass es bereits »in wenigen Jahren« so weit sein könnte.

In Japan waren dagegen 38 Prozent der Befragten der Meinung, dass ein Krieg vermeidbar sei. Doch das sind fast zehn Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Knapp ein Drittel der befragten Japaner hielt nun ebenfalls eine kriegerische Auseinandersetzung für möglich.

Die Umfrage wird seit 2005 in jedem Sommer von der japanischen nichtstaatlichen Organisation Genron und der staatlichen chinesischen Zeitung »China Daily« durchgeführt.

Der Streit um die von Tokio kontrollierten Senkaku-Inseln, in China Diaoyu genannt, schwelt bereits seit Jahrzehnten. Doch seit die Regierung einen Teil der Eilande vor zwei Jahren von ihrem privaten Besitzer aufgekauft und verstaatlicht hat, eskalieren die militärischen Provokationen. China erhebt ebenfalls Ansprüche auf die Inselkette, die in fisch- und möglicherweise ölreichen Gewässern liegt.

Pünktlich zum zweiten Jahrestag der Verstaatlichung hat China am Mittwoch vier Schiffe seiner Küstenwache in die Nähe der Inseln geschickt und damit nach japanischer Auffassung in seine Hoheitsgewässer. Nach Schätzung japanischer Medien hat Peking seit dem vergangenen Jahr bereits mehr als 70 Mal Schiffe und Kampfflieger in das Gebiet um die Inselkette geschickt. Des Öfteren kamen sich dabei Kampfjets beider Seiten gefährlich nahe.

Nachdem Peking im vergangenen November auch noch eine Luftverteidigungszone im Ostchinesischen Meer ausgerufen hat, drängte Tokio seinen Bündnispartner USA dazu, eine Sicherheitsgarantie für die Senkaku-Inseln auszusprechen.

Laut der Umfrage gehen die Meinungen, wie der Konflikt zu lösen ist, stark auseinander. Während in Japan die meisten Befragten für prompte Verhandlungen über eine friedliche Lösung plädierten, lautete die häufigste Antwort der chinesischen Befragten, China müsse seine effektive Kontrolle über sein Territorium ausbauen, um es zu schützen. Erst an zweiter Stelle folgte der Wunsch nach Verhandlungen über eine friedliche Lösung.

Angesichts der anhaltenden militärischen Provokationen Pekings haben die anti-chinesischen Gefühle in Japan ein neues Rekordhoch erreicht. 93 Prozent der befragten Japaner hatten ein schlechtes Bild von ihren chinesischen Nachbarn – mehr als in allen anderen Umfragen zuvor. Auf der anderen Seite zeichneten 87 Prozent der Chinesen ein negatives Bild der Japaner – etwas weniger als bei der Umfrage im vergangenen Jahr. Hauptgrund war neben dem Territorialstreit die mangelnde japanische Aufarbeitung seiner Weltkriegsaggressionen.

Trotz allem waren sich knapp zwei Drittel der Befragten in beiden Ländern einig, dass solche negativen Einschätzungen kontraproduktiv seien und dass sich die Situation ändern müsse. In beiden Ländern favorisiert die Mehrheit bilaterale Gipfelgespräche.

Seit dem Amtsantritt von Premier Shinzo Abe im Dezember 2012 gab es keinen direkten Austausch zwischen den Regierungschefs beider Seiten mehr. Jetzt bemüht sich Abe um ein Treffen mit Präsident Xi Jinping im November in Peking.

* Aus: neues deutschland, Freitag 12. September 2014


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