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Hongkong: Bunte Revolution ohne Farbe

Von Rainer Rupp *

Die unter dem Titel »Occupy Central« firmierende Protestbewegung in der Sonderverwaltungszone Hongkong der Volksrepublik China hat in den vergangenen Wochen eine beeindruckende Zahl an Menschen auf die Beine gebracht, in der Mehrheit Schüler und Studenten. Westliche Medien berichten von der nach Demokratie und Freiheit lechzenden Jugend Hongkongs, während prochinesische Journalisten den USA vorwerfen, hinter den Studentenprotesten zu stecken. Das behauptete z. B. vergangenen Donnerstag die Hongkonger Tageszeitung Wen Wei Po. Unter Berufung auf namentlich nicht genannte chinesische Regierungsbeamte warf das Blatt dem 17jährigen Joshua Wong und seiner Familie vor, in enger Verbindung zu US-Institutionen zu stehen. Wong, der seine Protestkarriere von knapp zwei Wochen als Anführer der kaum bekannten Studentengruppe »Scholarism« begonnen hatte, ist inzwischen dank westlicher Medien zum gefeierten Superstar der Protestbewegung geworden.

In dem Wen Wei Po-Bericht heißt es, dubiose US-Umsturzexperten hätten bereits vor drei Jahren das Potential des jungen Wong als begnadeter Agitator erkannt und ihn seither systematisch politisch geschult und aufgebaut. Als Beweise für die »engen Beziehungen« Wongs zu den USA zeigte das Blatt Fotos von Treffen mit Mitarbeitern des US-Konsulats in Hongkong. Und es verwies auf verdeckte Spenden aus US-amerikanischen Quellen an Wong und seine Familie. Dazu gehörte auch, dass der Schüler mit seinen Verwandten im Jahr 2011 auf Einladung der Amerikanischen Industrie- und Handelskammer das Spielerparadies Macau besucht haben, wo sie im Luxushotel »Venetian Macao« der US-Kette »Las Vegas Sands Corp« untergebracht waren.

Dies ist nicht das erste Mal, dass Peking-freundliche Medien ausländische Mächte der verdeckten Wühlarbeit in der ehemaligen britischen Kolonie anklagen. Chinas Regierung ist seit langem über die Versuche westlicher Geheimdienste besorgt, die Stadt zu mißbrauchen zur Verbreitung destabilisierender westlicher »Demokratievorstellungen« im Rest des 1,3-Milliarden-Einwohnerlandes. Der Aufmerksamkeit Pekings sind die verschiedenen »bunten Revolutionen«, die seit über einem Jahrzehnt unter der Ägide Washingtons in etlichen Staaten der ehemaligen Sowjetunion stattfanden, nicht entgangen. Sie führten zum Sturz teils demokratisch gewählter Regierungen und brachten US-freundliche Putschisten an die Macht wie zuletzt in der Ukraine. Ebensowenig unbeachtet blieben die westlichen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die unter harmlosem, prodemokratischem Deckmantel politisch subversive Arbeit leisten.

Der früheste Zeitpunkt, für den Peking den Bewohnern der einstigen britischen Kronkolonie versprach, ihre Regionalregierung direkt bestimmen zu können, ist 2017. Besonders in Anbetracht der Vorbereitungen auf diese Wahlen häuften sich in Hongkongs prochinesischen Medien Vorwürfe über ausländische Wühlarbeit. So haben z. B. unlängst die Zeitungen Wen Wei Po und Ta Kung Pao die Briten beschuldigt, sie würden versuchen, ihre Spione in möglichst viele Behörden Hongkongs einzuschleusen. Zugleich wurde der Medienmogul Jimmy Lai, ein eingefleischter Gegner Pekings, wiederholt mit der CIA in Verbindungen gebracht. Lai ist einer der wichtigsten Geldgeber der sogenannten Pro-Demokratie-Gruppen in Hongkong.

Laut Wen Wei Po scheut die CIA derzeit keine Anstrengungen, Schulen und Universitäten etwa mit Hilfe des US-geführten »Hong Kong America Center« zu infiltrieren, das offiziell gute Beziehungen zwischen der Stadt und den Vereinigten Staaten fördern soll. Tatsächlich aber nütze die CIA die über dieses Zentrum geknüpften Kontakte, um Schüler und Studenten in die USA einzuladen, wo die Fähigsten für zukünftige »bunte Revolutionen« in Hongkong vorbereitet würden.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 7. Oktober 2014


US-Wühlarbeit in Hongkong

Finanzhilfen und mediale Unterstützung für »Occupy Central«-Proteste: Führende Aktivisten der »Regenschirmrevolution« sind mit sogenannten Nichtregierungsorganisationen in den USA verbandelt

Von Rainer Rupp **


Es sollte nicht lange dauern, bis sich die US-Regierung ganz offen in Hongkong einmischte und sich hinter die inzwischen »Regenschirmrevolution« genannte Protestbewegung »Occupy Central« stellte. Das Weiße Haus verfolge die »Demokratieproteste in Hongkong sehr genau« und unterstütze »die Bestrebungen der Menschen«, erklärte der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Josh Earnest, am 29. September. Noch Anfang des Jahres hatte die amerikanische Regierung die »Occupy«-Proteste in Thailand heftig verurteilt. Der Unterschied zu Hongkong: Die Demonstrationen in Bangkok hatten sich gegen einen lokalen Statthalter der USA gerichtet. Dagegen sollen die in Hongkong den Weg für US-Marionetten in der Verwaltungsspitze frei machen.

Hinter den »Occupy Central«-Proteste stecken Finanzhilfen sowie politische und mediale Unterstützung aus den USA und dem übrigen westlichen Ausland. Wie immer in solchen Situationen ist auch dieses Mal wieder das US-Außenministerium vor allem durch seine »Nicht«-Regierungsorganisationen »National Endowment for Democracy« (NED) und deren Tochter, das »National Democratic Institute« (NDI), federführend. Inzwischen hat Washington sogar Aussichten, wenigstens einen Teil seiner Agenda für Hongkong durchzusetzen. Peking soll nämlich daran gehindert werden, weiterhin die in der Sonderverwaltungszone zur Wahl stehenden Kandidaten erst zu prüfen. Wenn das wegfällt, und genau das verlangt »Occupy Central«, wäre die Tür für antichinesische bzw. US-freundliche Politiker zur Führungsetage Hongkongs offen. Das US-Außenministerium könnte ihren Weg dahin problemlos finanziell und medial unterstützen.

Tatsächlich gibt es auf der NDI-Webseite mehrere laufende Interventionen mit diesem Ziel. Dort heißt es unter anderem: »Seit 1997 hat das NDI eine Reihe von Missionen in Hongkong durchgeführt, um die Entwicklung der Rahmenbedingungen für die Wahlen, den Autonomiestatus, die Rechtsstaatlichkeit und die Bürgerrechte unter chinesischer Souveränität zu studieren und die sich daraus ergebenden Aussichten und Herausforderungen für eine Demokratisierung zu analysieren.« In diesem Zusammenhang erfährt man dann, dass das NDI seit 2005 ein sechsmonatiges Programm für »junge politische Führer« betreibt, das Aktivisten in die USA bringt, wo sie in der Kunst der »politischen Kommunikation« (also Agitation) ausgebildet werden.

Weiter heißt es: »Das NDI bemüht sich auch, politische Parteien, Regierungsmitglieder und Akteure der Zivilgesellschaft in öffentlichen Foren zusammenzubringen, um die Entwicklung politischer Parteien, die Rolle der Parteien in Hongkong und politische Reformen zu diskutieren. Im Jahr 2012 zum Beispiel beteiligte sich das NDI an einer Konferenz der Hongkonger Denkfabrik ›Synergy Net‹ auf der Diskussionsteilnehmer aus dem gesamten ideologischen Spektrum zusammenkamen, um zu untersuchen, wie das Gesetzgebungsverfahren durch die Einführung einer aus unterschiedlichen politischen Parteien zusammengesetzten Koalitionsregierung verbessert werden könnte.«

Aber das sind bei weitem nicht alle Aktivitäten des NDI, um die Kontrolle Pekings über Hongkong zu untergraben. So rühmt sich das US-Institut, 2007 verschiedene politische Bildungsprogramme für Frauen aufgelegt zu haben, unter anderem das »Women Political Participation Network« (WPPN) und die »Hong Kong Federation of Women’s Centres« (HKFWC). Hier werden Frauen in Taktiken ausgebildet, um ihre Interessen verstärkt in den politischen Entscheidungsprozess einzubringen. Eigentlich ein tolles Programm, wenn am Ende nicht US-Interessen mit denen der Frauen vermischt wären.

An anderer Stelle der NDI-Webseite werden die gemeinsamen Projekte mit der University of Hong Kong beschrieben. So gibt es eine enge Kooperation mit dem »Zentrum für Vergleichendes und Öffentliches Recht« (CCPL). Letzteres »arbeitet mit Unterstützung des NDI daran, die Stimmen der Bürger im politischen Prozess über die Zukunft des Hongkonger Wahlsystems durch die Schaffung der Webseite ›Design-Demokratie Hong Kong‹ in einzigartiger Weise zu verstärken«. Offensichtlich mit großem Erfolg, wie »Occupy Central« zeigt.

** Aus: junge Welt, Dienstag, 7. Oktober 2014


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