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China versucht umzusteuern

Asien-Pazifik-Wochen mit Konferenz zu Klima und Verkehr in Asien

Bei den Asien-Pazifik-Wochen in Berlin war die globale Mobilität Thema einer Fachkonferenz. Mit Wulf-Holger Arndt von der TU Berlin sprach für das "Neue Deutschland" (ND) Steffen Schmidt.



ND: Lassen sich Klimaschutz und wachsender Verkehr überhaupt unter einen Hut bringen?

Arndt: In absehbarer Zeit wird das auch mit den Technologien, die jetzt gefeiert werden, nicht gehen. Es ist allerdings die Frage, ob der Verkehr tatsächlich wachsen muss. Nachhaltige Verkehrsplanung sollte einer Dreierstrategie folgen: Verkehrsvermeidung, Verlagerung auf umweltverträglichere Verkehrsmittel und verträgliche Abwicklung des Restverkehrs. Das wichtigste ist die Verkehrsvermeidung. Die Mobilität muss dabei nicht sinken. Bedürfnisse zu befriedigen, muss nicht per se mit weiten Wegen verbunden sein.

In Asien wächst der Verkehr aber noch?

Nicht generell. In Japan wächst wie bei uns das Verkehrsaufkommen nicht mehr, wohl aber die Entfernungen. In China und anderen Schwellenländern wächst das Aufkommen noch.

Gibt es weitere Besonderheiten?

Ein Vergleich der Energie- und Verkehrsintensität der Stadtmodelle der stark zersiedelten USA mit Europa und den kompakten Städten Asiens zeigt, dass der Energieverbrauch pro Kopf in Asien viel geringer als hier oder in den USA ist. Das trifft auch auf den Verkehr zu. Je kompakter die Siedlungsstruktur, desto weniger Verkehr.

Aber gibt es nicht gerade in China einen Wechsel vom sparsamen Fahrrad zu Treibstoff verbrauchenden Motorfahrzeugen?

Noch gibt es in China Strukturen, wo sich ganze Stadtviertel selbst organisieren, wo regionale, lokale Kreisläufe befördert und damit grundsätzlich weite Wege und Autoverkehr vermieden werden. Diese Strukturen werden jetzt gerade bei sich schnell entwickelnden Städten wie Peking oder Schanghai zerstört. Da entstehen Monostrukturen, die Verkehr erzeugen. Aber die Chinesen haben in den letzten Jahren mitbekommen, dass sie auf dem westlichen Entwicklungspfad an Grenzen stoßen. Wegen des Smogs gibt es jetzt verschärfte Abgasgrenzwerte für Neufahrzeuge, so dass deutsche Hersteller inzwischen schon Probleme haben. Zudem wird der Öffentliche Verkehr sehr stark ausgebaut. Es gibt also einige Zeichen, dass die Chinesen versuchen umzusteuern.

Welche Verkehrskonzepte sehen Sie denn als Alternative zur Individualisierung des Verkehrs und dem Auto?

Da muss ich zu den drei Hauptstrategien zurückkommen: Zuerst sollte man versuchen, Verkehr zu vermeiden, ohne Einschnitte bei der Bedürfnisbefriedigung. Das heißt, die potenziellen Ziele müssen möglichst nahe am Wohnort liegen, statt Einkaufszentren auf der grünen Wiese baut man die Einkaufsmöglichkeiten in der Stadt aus. Da brauchen Verkehrsplaner die Mitarbeit von Stadtplanern, Verhaltensforschern und Psychologen. Als nächstes die Verkehrsverlagerung – also Förderung umweltfreundlicher Verkehrsträger: die Füße, das Fahrrad und der öffentliche Verkehr. Da gibt es auch ohne chinesischen Dirigismus Wege, beispielsweise Road pricing (direkte Bezahlung jeder Straßennutzung – d. Red.) wie bei der Lkw-Maut. Und die dritte Strategie ist die verträgliche Auslegung des Restverkehrs. Das heißt, die Pkw, die dann noch fahren müssen, legt man möglichst ökologisch aus, beispielsweise mit einem Elektroantrieb, für den die Elektroenergie regenerativ erzeugt wird.

* Aus: Neues Deutschland, 12. Oktober 2009


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