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Streit um die Wirtschaftsregeln

Nach Xi-Besuch bei Obama bleiben die alten Reibungspunkte *

Chinas künftiger starker Mann war zu Besuch beim USA-Präsidenten. Der forderte, China müsse sich an Wirtschaftsregeln halten.

Der als künftiger chinesischer Staatschef gehandelte Vizepräsident Xi Jinping hat sich bei Präsident Barack Obama vorgestellt. Der anerkannte, dass China eine »außergewöhnliche Entwicklung« hingelegt habe. Mit mehr Macht und Wohlstand komme aber auch »mehr Verantwortung« für Peking, sagte Obama. »Wir wollen mit China zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass sich jeder an die Verkehrsregeln des Weltwirtschaftssystems hält.« Es müsse ausgeglichene Handelsströme zwischen China und den USA geben.

Auch Xi rief später bei einem Mittagessen mit US-Vizepräsident Joe Biden und Außenministerin Hillary Clinton zu »größerem Gleichgewicht« bei Handel und Investitionen auf. Er appellierte an die USA, die Differenzen durch Dialog und nicht durch den Aufbau von Handelsschranken zu lösen.

Die USA und China streiten vor allem um die niedrige Bewertung der chinesischen Währung, was Washington als unfairen Vorteil auf dem Weltmarkt anprangert. Im US-Kongress setzen sich Abgeordnete für Strafzölle auf chinesische Produkte ein. Obama kündigte die Schaffung einer neuen Behörde an, um die Einhaltung von Handelsregeln insbesondere durch China zu überprüfen.

Außerdem erklärte er, die USA pochten weiter darauf, dass »Hoffnungen und Rechte« der Menschen weltweit verwirklicht werden. Xi verwies auf »enorme« Fortschritte bei den Menschenrechten im Laufe der vergangenen 30 Jahre, räumte allerdings »Raum für Verbesserung« ein. China werde im Lichte seiner nationalen Bedingungen weitere Schritte unternehmen.

Zwischen den USA und China gibt es auch militärische Reibungspunkte. Während Washington auf die chinesische Aufrüstung vor allem bei der Marine verweist, lehnt Peking die geplante Ausweitung der US-Militärpräsenz im asiatisch-pazifischen Raum ab.

Xi war am Montag (13. Feb.) in den USA gelandet. Weitere Stationen der bis Freitag dauernden Reise sind der Bundesstaat Iowa, wo sich Xi in den 80er Jahren für ein Austauschprogramm aufgehalten hatte, sowie Los Angeles. Der Vizepräsident lud Obama nach Angaben des Weißen Hauses zu einem Gegenbesuch in China ein.

* Aus: neues deutschland, 16. Februar 2012


Chinas Kronprinz im Weißen Haus

Vizepräsident Xi für Beziehungen auf der Basis »gegenseitigen Respekts«

Von Olaf Standke **


Chinas Vizepräsident Xi Jinping, der als künftiger Partei- und Staatschef gehandelt wird, wurde zum Auftakt seines »Antrittsbesuches« in Washington am Dienstag (14. Feb.) von USA-Präsident Barack Obama empfangen.

Xi Jinping hat keine Illusionen. »Friktionen und Differenzen in unseren wirtschaftlichen Beziehungen und unseren Handelsbeziehungen sind kaum vermeidbar«, erklärte der chinesische Vizepräsident in einem Interview zu seiner Visite in der »Washington Post«. Ausdrücklich verwies er dabei auf den Streit zwischen beiden Ländern in Sachen Urheberrechte und Markenpiraterie oder bei Währungsfragen. Themen, die auch bei seinen Treffen mit Präsident Obama, dessen Vize Joe Biden und Außenministerin Hillary Clinton auf der Tagesordnung standen. Für den 58-Jährigen ist die viertägige Reise, die ihn zudem nach Iowa und Los Angeles führen wird, der bislang bedeutendste Auftritt auf dem diplomatischen Parkett.

Die USA, selbst mit Abstand stärkste Militärmacht der Welt, kritisieren nicht nur die wachsende militärische Präsenz Pekings oder Menschenrechtsverletzungen im Reich der Mitte. Gary Locke etwa, US-Botschafter in Peking, hat sich ungewöhnlich undiplomatisch über Washingtons Sorgen geäußert, wie sich China Rohstoffe in Afrika, Lateinamerika oder Asien sichere. Vor allem aber beklagt sich Washington seit Langem über den schwierigen Zugang zum chinesischen Markt und wirft Peking vor, seine Währung künstlich niedrig zu halten, um damit Exporte zu erleichtern. 2010 ist das Handelsdefizit auf 273 Milliarden US-Dollar gewachsen, Tendenz steigend. Xi wiederum weist darauf hin, dass China bereits Schritte zur notwendigen Reform der Wechselkurse unternommen habe.

Aber ohne Zusammenarbeit mit der weiter boomenden zweitgrößten Volkswirtschaft, die zugleich Exportweltmeister ist, geht es auch für die Supermacht nicht. China dürfte einer Prognose der Weltbank zufolge in diesem Jahr erneut der wichtigste Motor einer abflauenden Weltkonjunktur sein. Der Volksrepublik wird nach über neun Prozent im Vorjahr ein Wirtschaftswachstum von 8,4 Prozent vorausgesagt. Damit trägt sie mehr als ein Viertel zum globalen Wachstum bei. Die USA rechnen mit 1,5 bis zwei Prozent, bei einem Schuldenberg von über 15 Billionen Dollar.

Und China, zweitgrößter Handelspartner und drittgrößter Exportmarkt der USA, hält als wichtigster ausländischer Gläubiger derzeit US-Anleihen im Wert von rund 1,2 Billionen Dollar - weshalb allerdings auch Peking Interesse an einem starken Dollar haben muss, um seine Fremdwährungsreserven nicht zu gefährden. Die Abhängigkeit ist gegenseitig. Stabile bilaterale Beziehungen seien deshalb für alle wichtig, so Xi. Sie müssten auf der Basis »gegenseitigen Respekts« stehen, auch im asiatisch-pazifischen Raum, einem Hauptfeld der neuen, von Peking scharf kritisierten Militärstrategie der USA. »Der riesige Pazifische Ozean ist groß genug für China und die USA.«

** Aus: neues deutschland, 15. Februar 2012


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