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"Majestätisches Land"

US-Präsident lobt China und fordert Einhaltung der Menschenrechte

US-Präsident Barack Obama hat zu Beginn seines ersten Besuchs in China die Einhaltung der »universellen« Menschenrechte eingefordert.

Vor Studierenden in Shanghai sagte Obama am Montag (16. Nov.), Grund- und Freiheitsrechte sollten für alle Menschen gelten, auch in der Volksrepublik. Zugleich erklärte der Präsident vor seiner Weiterreise nach Peking, die USA versuchten nicht, anderen Ländern ihr Regierungssystem aufzuzwingen.

Obama sprach sich für Meinungs- und Religionsfreiheit sowie das Recht auf freie Information für alle Menschen aus. Dabei spiele es keine Rolle, ob diese in den USA, in China oder anderswo lebten oder ethnischen oder religiösen Minderheiten angehörten. Der US-Präsident vermied es allerdings, direkt auf die chinesische Politik in Tibet oder in der mehrheitlich von muslimischen Uiguren bewohnten Provinz Xinjiang einzugehen.

»Die Auffassung, dass wir Gegner sein müssen, ist nicht vorherbestimmt«, sagte Obama. Gute Beziehungen zwischen Peking und Washington könnten zu einer glücklicheren und friedlicheren Welt führen, fügte er hinzu und rühmte China als ein »majestätisches Land«.

Der US-Präsident wandte sich gegen Zensur im Internet sowie in Kommunikationssystemen wie Facebook oder Twitter, die in China einer starken Kontrolle unterliegen. Obamas Rede und die anschließende Diskussion mit handverlesenen Studierenden von chinesischen Universitäten wurde landesweit im Internet, aber nicht im nationalen, sondern nur im örtlichen Shanghaier Fernsehen übertragen. Der Präsident beantwortete auch Fragen chinesischer Bürger aus dem Internet.

Bei Obamas Gesprächen mit dem chinesischen Staatschef Hu Jintao in Peking standen unter anderem die Wirtschaftspolitik, der Klimaschutz und das Atomprogramm Nordkoreas und Irans auf dem Programm. Kurz zuvor prangerte Peking wirtschaftlichen Protektionismus der USA an. Ein Sprecher des chinesischen Handelsministeriums erklärte, Washington solle keine Handelsbarrieren zum Schutz der US-amerikanischen Industrie aufbauen.

Die US-Regierung dürfe auch keinen Druck auf die Volksrepublik zur Aufwertung ihrer Landeswährung Yuan ausüben, während sie den Dollar-Kurs fallen ließe, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Notwendig sei ein stabiler Wechselkurs, um das weltweite Wirtschaftswachstum zu unterstützen und die chinesischen Ausfuhren zu fördern, fügte der Sprecher Yao Jian hinzu.

Der dreitägige Aufenthalt in China ist nach Japan und dem Asien-Pazifik-Wirtschaftsgipfel in Singapur die dritte Station von Obamas neuntägiger Asienreise. Am Mittwoch und Donnerstag (18. und 19. Nov.) besucht er zum Abschluss Südkorea.

Die USA wollen China, den aufstrebenden Konkurrenten, in eine umfassende Zusammenarbeit einspannen. Beide Volkswirtschaften sind seit den 90er Jahren zunehmend verflochten. Die USA sind der größte Schuldner der Welt, China ist der größte Gläubiger der USA. Peking hält mehr als 800 Milliarden Dollar an US-Staatsanleihen. Den Devisenüberschuss aus dem florierenden Handel mit den USA nutzt China, um sich in großem Maßstab Bodenschätze in Afrika und Lateinamerika zu sichern - in direkter Konkurrenz zu westlichen Ländern.

* Aus: Neues Deutschland, 17. November 2009

Presseschau **

Zum China-Besuch des US-Präsidenten schreibt die schwedische Zeitung SYDSVENSKA DAGBLADET:
"Obama hat bei seinem Besuch in China auch indirekt die Zensur in dem Land kritisiert. Das war richtig, aber die Auswirkungen blieben begrenzt: Die staatliche chinesische Nachrichtenagentur zensierte die Übertragung von Obamas Treffen mit Studenten in Schanghai. Die Kritik von Obama ist nicht repräsentativ für seine Linie gegenüber der Politik seines Gastlandes: Der US- Präsident zieht die Diplomatie der Konfrontation vor. So entschied er sich erst kürzlich gegen einen Empfang des Dalai Lama, als dieser in den USA zu Besuch war, und auch die Tibetfrage wurde in China nicht angesprochen. Im besten Fall wird Obamas Bereitschaft, Chinas zunehmende Macht anzuerkennen, zu einer verantwortlicheren Politik in Peking führen", befindet SYDSVENSKA DAGBLADET aus Malmö.

Die spanische LA RAZON hat es so beobachtet:
"Der Besuch des US-Präsidenten hat große Erwartungen geweckt, und Obama hat sie nicht enttäuscht: Er hat in der größten kommunistischen Diktatur das Lied der Freiheit angestimmt. Was als Besuch für eine Annäherung im Bereich Wirtschaft gedacht war, ist damit zu einem deutlichen politischen Akzent geworden, sehr zum Verdruss der chinesischen Führung. Obama ist für Pekings Geschmack zu beliebt und zu extravagant, und dies könnte den eigentlichen Zweck seiner Reise gefährden: Möglichkeiten für eine Allianz zwischen den beiden Mächten auszuloten. Allzu deutliche Anspielungen auf die Zensur könnten dazu führen, dass China jede Form der Öffnung und Zusammenarbeit mit dem Westen beendet", vermutet LA RAZON aus Madrid.

Die russische Zeitung ROSSIJSKAJA GAZETA beleuchtet die ökonomische Dimension:
"Der Hauptgläubiger der USA ist offenbar nicht bereit, sich mit der amerikanischen Zentralbank in den Fragen der Währungsund Finanzpolitik zu verständigen. Bei den gestrigen Gesprächen mit seinem chinesischen Amtskollegen hat Barack Obama dazu aufgerufen, die chinesische Währung nicht weiterhin abzuwerten. Dabei erscheint bemerkenswert, dass solche Vorschläge bereits von drei US-Präsidenten an China herangetragen wurden. Die Position der USA lässt sich leicht nachvollziehen: Der niedrige Kurs des Yuan erleichtert nicht nur chinesische Exporte, sondern stimuliert mit niedrigen Preisen auch die Binnennachfrage. Dadurch verliert die US-Währung ebenso an Wettbewerbsfähigkeit wie amerikanische Waren", erläutert ROSSIJSKAJA GAZETA aus Moskau.

Die NEW YORK TIMES konstatiert:
"Die Chinesen haben einen starken Glauben in ihr wissenschaftliches und technologisches Potenzial. Die US-Wirtschaft hat sich zu stark in Richtung Konsum, Schulden und Import entwickelt, und zu wenig in Richtung Produktion, Forschung und Export. Die ansteigende Staatsverschuldung sorgt zwar kurzfristig für Entlastung, stellt aber langfristig eine Belastung dar. Früher konnten die Amerikaner sicher sein, dass ihr Land immer produktiver wurde, weil die nächste Generation qualifizierter war als die letzte. Das ist heute nicht mehr so", betont die NEW YORK TIMES.

Die Zeitung WENWEIPO aus Hongkong vermerkt:
"Man muss eingestehen, dass Obamas Ansinnen, die Herzen der jungen Menschen in China für sich zu gewinnen, von strategischer Weitsicht zeugt. Sein erster Chinabesuch ist auch eine Art PR-Reise mit dem Ziel, die eigenen Wertvorstellungen zu verbreiten. In ihren Fragen an den US-Präsidenten machten die Shanghaier Studenten aber auch deutlich, dass chinesische Ideale auch einen wertvollen Beitrag zu einer kulturell pluralistischen und harmonischen Welt leisten."

Die Zeitung TAKUNGPAO, ebenfalls aus Hongkong, wendet ein:
"Der Begegnung chinesischer Studenten mit Präsident Obama fehlte es etwas an Schärfe und Konfrontation, so dass er seine rhetorische Brillianz gar nicht unter Beweis stellen konnte. Seine anschließende Rede enthielt hingegen die freundlichsten aber auch ehrlichsten Worte, die ein US-Präsident je gegenüber China geäußert hat."

** Aus: Deutschlandfunk - Presseschau, 17. November 2009; www.dradio.de




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