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Börsen feiern China

Vier Billionen Yuan vom Staat: Konjunkturprogramm treibt asiatische Leitindizes. Volksrepublik will Binnennachfrage und Infrastruktur stärken *

Der Effekt an den asiatischen Börsen war deutlich: Chinas Konjunkturprogramm hat am Montag die dortigen Indizes spürbar steigen lassen. Auch der Aktienhandel in Europa profitierte von der angekündigten massiven Intervention in den Reproduktionsprozeß des Landes. Die Tokioter Börse schloß am Montag mit einem Plus von 5,81 Prozent, und der Leitindex Nikkei übersprang die Marke von 9000 Punkten. In Schanghai kletterten die Kurse bis zum Nachmittag Ortszeit) um mehr als sieben Prozent und auch der Deutsche Aktienindex (DAX) profitierte zum Handelsauftakt von den psychologischen Effekten des Markteingriffs. Als Grund wurde von Börsenhändlern und Analysten genannt, daß das Konjunkturprogramm größer als erwartet ausgefallen sei. Dies habe das Vertrauen der Investoren gestärkt.

Am Sonnabend (8. Nov.) hatte die Regierung in Peking mitgeteilt, daß sie ein Maßnahmepaket beschlossen habe, um die Wirtschaft zu unterstützen. 4000 Milliarden Yuan, das sind umgerechnet etwa 465 Milliarden Euro, wird sich China die Stabilisierung seiner Konjunktur kosten lassen. Hauptsächlich wollen die staatlichen Finanzpolitiker die Binnennachfrage im Reich der Mitte ankurbeln. Dazu sollen Steuersenkungen und Investitionen dienen.

Chinas seit Jahren boomende Wirtschaft (zwölf Prozent durchschnittliche jährliche Wachstumsraten) krankt an der einseitigen Ausrichtung auf Exporte. Die weltweit deutlichen Rezessionserscheinungen und vor allem die sinkende Nachfrage der weltgrößten Konsummaschine USA bescheren Chinas Exporteuren nun eine prekäre Situation. In Erwartung anhaltend hoher Zuwächse waren die industriellen Kapazitäten des Landes Jahr für Jahr den hohen Wachstumsraten angepaßt worden. Neue Produktionsanlagen wurden errichtet, riesige Belegschaften rekrutiert. Jetzt droht ein beachtlicher Teil dieses Potentials – das selbst bei Nichtauslastung enorme Kosten verursacht – überflüssig zu werden. Der Internationale Währungsfonds IWF hatte vergangene Woche prognostiziert, daß es 2009 erstmals nach 1945 weltweit zu einer rezessiven Entwicklung kommen werde – was in diesem Falle heißt, daß die globale Wirtschaftsleistung nur noch um magere drei Prozent zunehmen soll.

In der Volksrepublik wurden in jüngster Vergangenheit bereits zahlreiche Werke geschlossen, es kam zu Massenentlassungen und Protesten der bis dahin Beschäftigten. Mitte Oktober war der größte chinesische Spielzeughersteller Smart Union in Konkurs gegangen. Einheimische Medien berichteten, daß bereits Tage zuvor dessen Fabriken in der südchinesischen Exportmetropole Dongguan dichtgemacht wurden.Bis zu 7000 Arbeiter hätten sich plötzlich auf der Straße wiedergefunden, ausstehende Löhne seien nicht gezahlt worden. Die Regierung Hatte bekanntgeben lassen, daß bis Oktober bereits 53 Prozent der chinesischen Spielzeughersteller Insolvenz angemeldet hätten – ein Problem von enormer sozialpolitischer Brisanz.

Auch dringend notwendige Investitionen in Infrastruktur und Umweltschutz will Peking vorziehen. Die Partei- und Staatsführung macht sich gegenwärtig besonders offensiv für nationalen und globalen Umwelt- und Klimaschutz stark. Mit dem Konjunktuurprogramm sollen auch hierbei deutliche Akzente gesetzt werden.

* Aus: junge Welt, 11. November 2008


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