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Seltene Erden aus China

Die USA wollen Ausfuhrbeschränkungen Pekings nicht akzeptieren

Von Wolfgang Pomrehn *

Die Spannungen um Chinas Währung mögen nach dem Treffen der G-20-Finanzminister am Wochenende im südkoreanischen Kyongju etwas abgenommen haben, doch der Handelsstreit zwischen den USA und der Volksrepublik hat seit einigen Wochen ein neues Thema: Seltene Erden. Peking hat die Ausfuhr dieser Mineralien in letzter Zeit mehr und mehr eingeschränkt, mit dem Ergebnis, daß die Manager in diversen High-Tech-Industrien in den USA und Japan immer nervöser werden. Seit Ende September kursieren Meldungen, Japan sei gänzlich von chinesischen Exporten Seltener Erden abgeschnitten. Chinesische und einige andere Quellen bestreiten jedoch, daß es ein Embargo gebe.

Bei den Seltenen Erden handelt es sich um eine Gruppe von 18 unterschiedlichen Metallen mit so exotischen Namen wie Promethium, Europium, Neodym, Gadolinium oder Yterbium. Obwohl den meisten Laien unbekannt, sind sie aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. In den letzten beiden Jahrzehnten haben sie aufgrund ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften eine zentrale Bedeutung erlangt. Man findet sie in Glasfaserkabeln, wo sie das Laserlicht verstärken, in den Lasern selbst, sie werden für die Herstellung von Flachbildschirmen benötigt, für Transport und Lagerung von Wasserstoff, in supraleitenden Materialien sowie in Elektromotoren und Batterien. Auch für bestimmte Typen von Windkraftanlagen, sind Seltene Erden besonders wichtig. In den starken Permanent-Magneten der Generatoren getriebeloser Anlagen stecken jeweils mehrere Tonnen Neodym.

Anders als ihr Name vermuten läßt sind diese Metalle nicht unbedingt rar. Selbst das seltenste unter ihnen ist auf der Erde noch 20mal so oft zu finden wie Gold. Das Problem ist jedoch die Konzentration in den Vorkommen. Meist ist sie so gering, daß sich ein Abbau bisher kaum gelohnt hat. Da Preis und Nachfrage nach den oft zusammen auftretenden Metallen sich aber in den letzten Jahren rasant entwickelt haben, ändert sich das gerade.

Noch hat jedoch China mit 95 bis 97 Prozent der Weltproduktion quasi ein Monopol. Der Grund: In der Volksrepublik werden die Seltenen Erden günstiger als sonst irgendwo auf der Welt abgebaut. Daher hat sich zum Beispiel die USA, die bis in die 1990er Jahre hinein Selbstversorger waren, zuletzt fast vollkommen auf Importe aus China verlassen. Die US-Bergwerke in Kalifornien wurden wegen großer Umweltprobleme geschlossen. Die gibt es übrigens auch in China, und der laxe Umgang mit der Natur hat sicherlich zu den niedrigen Preisen geführt.

Der Umweltschutz könnte auch eine Rolle gespielt haben, wenn es tatsächlich zeitweise ein Embargo gegeben haben sollte. Ein Teil der chinesischen Produktion an Seltenen Erden wird nämlich in kleinen illegalen Minen im Süden des Landes gewonnen, die für ihre rücksichtlosen Umgang mit den Ressourcen berüchtigt sind. Offensichtlich hat die Zentralregierung in Peking es bisher nicht geschafft, dem Treiben Einhalt zu gebieten. Daher könnte ein vorübergehender Ausfuhrstopp auch dazu gedient haben, gegen diese Umweltsünder vorzugehen.

Aber ob nun Embargo oder keines, die Ausfuhren werden auf jeden Fall beschränkt, und zwar mit Ansage. Bereits 2005 hatte die Regierung in Peking verkündet, daß es seine Vorkommen möglichst für den Aufbau einer heimischen High-Tech-Industrie einsetzen möchte. Entsprechend stammen die ersten Ausfuhrobergrenzen aus dieser Zeit. Peking hat auch kein Geheimnis daraus gemacht, daß die Quoten mit der Zeit gesenkt werden würden.

Die jüngste Eskalation im Handelsstreit mit den USA rührt daher, daß sich dort einige nicht damit abfinden wollen. US-Gewerkschaften behaupten, China würde seiner Windanlagenindustrie einen unfairen Vorteil verschaffen. Die Ausfuhrbeschränkungen verknappten und verteuerten auf dem Weltmarkt das Neodym. Da in den USA Wahlkampf ist, hat die Regierung in Washington dem Druck nachgegeben und eine Untersuchung eingeleitet, die zu einem Verfahren vor dem Schiedsgericht der Welthandelsorganisation führen könnte.

Noch stärker ist allerdings Japan betroffen, das bisher 56 Prozent der chinesischen Ausfuhren abnahm. Vor einigen Wochen haben die chinesischen Behörden angekündigt, daß im kommenden Jahr die Obergrenze für den Export Seltener Erden noch einmal um 30 Prozent abgesenkt werden soll. Während also Japans Elektro- und Hybridautos immer mehr der High-Tech-Metalle benötigen, wird China deutlich weniger liefern.

Die japanische Regierung hat daher in letzter Zeit mit verschiedenen Ländern Verträge über die Erschließung von Vorkommen Seltener Erden abgeschlossen. In der Mongolei soll nach ihnen gegraben werden, Vietnam und auch Indien haben starkes Interesse an einer Zusammenarbeit mit Japan angemeldet. In anderen Weltregionen werden ebenfalls Bergbauunternehmen aktiv. In Argentinien überlegt man noch, auf Grönland gibt es bereits konkrete Planungen, in den USA wirdauf staatliche Zuschüsse gewartet, und in Südafrika soll die Förderung 2013 aufgenommen werden. Damit wird man dort vermutlich ganz vorne sein und darf sich einen Extraprofit auf einem zunächst noch knappen Markt erhoffen, denn der Aufschluß neuer Tagebaue benötigt mehrere Jahre.

* Aus: junge Welt, 25. Oktober 2010


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