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Energiewende auf Chinesisch

Der Staatsrat meint, dass die Industrie umweltfreundlicher werden sollte

Von Werner Birnstiel *

Auch für die Energiewende soll in China das Prinzip der makroökonomischen Steuerung des Marktes durch den Staat gelten.

Im August veröffentlichte der chinesische Staatsrat eine »Meinung zur beschleunigten Entwicklung von energiesparenden und umweltschonenden Industrien«. Diese entpuppt als weit mehr: nämlich als richtungweisende Orientierung für die gesamte Wirtschaft im Reich der Mitte.

Tatsächlich geht es nun darum, die Umweltziele des 12. Fünfjahrplans (2011-2015) und darüber hinaus umfassend durchzusetzen. Im Mittelpunkt stehen die Förderung »sauberer« Kohletechnologien, die Förderung erneuerbarer Energien, die Steigerung der Energieeffizienz und die Minderung des CO2-Ausstoßes um 45 Prozent bis 2020 im Vergleich zu 2005. Der Staatsrat erhob in seiner »Meinung« den Umweltbereich in den Rang einer »Schlüsselindus- trie«. Bis 2015 soll hier ein Produktionswert von 600 Milliarden Euro erreicht werden, was einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von über 15 Prozent entspricht und damit dem Doppelten des veranschlagten Wirtschaftswachstums. Als Schwerpunktbereiche gelten der Einsatz energiesparender und umweltschonender Ausrüstungen in der Industrie und die Entwicklung neuer Technologien. Bei aller Marktorientiertheit der Projekte sollen die Produkte das Lebensniveau der Bevölkerung erhöhen, gerade weil sie ressourcensparend verwendet werden können. Zugleich geht es um die Verstärkung der Innovationskraft chinesischer Unternehmen und damit um die Erhöhung ihrer Wettbewerbsfähigkeit in Schlüsseltechnologien. Die internationale Kooperation soll dabei vorangebracht werden.

Neben der Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Durchsetzung der Ziele ist die Gretchenfrage die Finanzierbarkeit der Vorhaben. Angekündigt werden staatliche Investitionen, Steuervergünstigungen und Subventionen, wovon insbesondere kleine und mittlere Unternehmen profitieren sollen. Preispolitik, Gebührenerhebung sowie die Grund- und Bodenvergabe werden vom Staat wirtschaftspolitisch gesteuert. Ein großes Thema ist auch, der breiten Bevölkerung Kenntnisse für ein umweltbewusstes Verhalten zu vermitteln bzw. diese zu erziehen. Der Staatsrat fordert schließlich, dass die Behörden in den einzelnen Territorien ihre Arbeit besser koordinieren, arbeitsteilig zu lösende Aufgaben festlegen und »Verantwortungsgefühl entfalten«, so dass der Aufbau der umweltschonenden Industrie tatsächlich vorankommt.

Zum politischen und sozialen Konfliktherd dürfte allerdings der massive Ausbau der Kernenergie heranwachsen. Derzeit sind 16 Atomkraftwerke in Betrieb, 26 in Bau und um die 50 sollen bis etwa 2020 hinzukommen. Immer mehr der ansonsten technikverliebten Chinesen fürchten sich aber vor einer Katastrophe, wie sie sich vor ihrer Haustür im japanischen Fukushima immer noch abspielt.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 25. September 2013


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