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Pekings Doktrin betont die Defensive

Von Werner Birnstiel *

Alljährlich am 1. August wird Chinas zweithöchster nationaler Feiertag, der Jahrestag der Volksbefreiungsarmee, mit großem Aufwand begangen. Dem Ausland gegenüber treten Chinas Streitkräfte zurückhaltend auf, in der Sache jedoch wirkungsvoll.

Ende Juni hatte Chinas Präsident Hu Jintao ausdrücklich die guten Beziehungen – auch die militärpolitischen – zum Nachbarn Russland hervorgehoben. Bei chinesisch-US-amerikanischen Konsultationen zu Verteidigungsfragen in Peking wurde fast zeitgleich gefordert, dass die Streitkräfte beider Staaten nun endlich Barrieren überwinden und gegenseitiges Vertrauen aufbauen sollten. Noch im Oktober 2008 waren die militärpolitischen Beziehungen zu den USA nach deren Waffenverkäufen an Taiwan im Wert von 6,5 Milliarden Dollar ausgesetzt worden – ein Rückschlag, nachdem im April 2008 eine direkte Telefonverbindung zwischen den Verteidigungsministern beider Staaten geschaltet worden war.

Chinas Politiker und Militärstrategen betonen den defensiven Charakter ihrer Armee. Der werde aber immer wieder von den USA und deren Verbündeten in Ost- und Südostasien in Zweifel gezogen. Aus chinesischer Sicht sind beide Seiten »wie zwei mittelalterliche Ritter, die einander zwar respektieren, aber wissen, dass sie Konkurrenten bleiben werden«. Eine aktive Vertrauensbildung hinsichtlich der gegenseitigen militärischen und strategischen Ziele würde daher helfen, stabilere Beziehungen auf hoher militärischer Ebene zu installieren, ebenso wie Konsultationskanäle zu Marine- und Abrüstungsfragen. Befürwortet wird auch, dass demnächst Unterredungen der »drei wirtschaftsstärksten Länder der Welt« – USA, Japan und China – auf dem Niveau außen- und sicherheitspolitischer Planungsinstitutionen stattfinden. Wohl lehnt auch Peking die Atomtests der KDVR ab, zugleich vertritt Chinas Führung jedoch die Ansicht, dass sie ebenso wie Russland und Südkorea Kanäle nach Pjöngjang offen halten muss, um einer weiteren Zuspitzung der Lage auf der Koreanischen Halbinsel entgegenzuwirken.

Außerhalb Chinas erfülle die Armee strikt ihre Aufträge als Teil der UNO-Friedenstruppen. Sie ist gegenwärtig in 20 friedensstiftende Einsätze eingebunden, an denen Soldaten und Offiziere aus vielen Ländern beteiligt sind, bei fünf Operationen sogar mit jeweils über 10 000 Soldaten. Um künftig eine bessere Ausbildung des eigenen Personals zu erreichen und den Erfahrungsaustausch zu Einsätzen zu organisieren wurde am 25. Juni in Peking ein Zentrum für friedenserhaltende Operationen des Verteidigungsministeriums eingeweiht. 2007 habe China 270 Millionen US-Dollar für seine UNO-Mitgliedschaft pünktlich gezahlt, einschließlich des Beitrages für die UNOFriedenstruppen.

Chinas Führung ist ausdrücklich bemüht, den friedensstiftenden Charakter ihrer Streitkräfte herauszustellen. Im Lande selbst ist die herausragende Rolle der Volksbefreiungsarmee im Bewusstsein der Bevölkerung tief verankert und sie wird akzeptiert. In jüngster Zeit trug dazu bei, dass drei Taikonauten Ende September 2008 als drittes Team aus China ins All starteten und erstmals einen Weltraumspaziergang unternahmen.

Die nukleare Abrüstung wird von Chinas politischer und militärischer Führung nachdrücklich befürwortet. Peking tritt dafür ein, den START-I-Vertrag von 1991 über die Reduzierung nuklearer Sprengköpfe bis Jahresende zu erneuern. Unverändert wird aber darauf verwiesen, dass die USA mit etwa 4000 Sprengköpfen und Russland mit 3000 – wogegen China 180 aufbietet – in den Fragen der nuklearen Abrüstung vorangehen müssen.

* Aus: Neues Deutschland, 1. August 2009


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