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Feminismus ist eine komplizierte Sache

Millaray Painemal über die Situation indigener Frauen in Chile *


Millaray Painemal ist Mapuche und Koordinatorin für indigene Fragen bei des Nationalen Verbandes ruraler und indigener Frauen Anamuri in Chile. Anamuri ist eine Nichtregierungsorganisation (NRO), die es sich zum Ziel gemacht hat, die Interessen ruraler und indigener Frauen zu vertreten und ist Mitglied in der Via Campesina, einem globalen Netzwerk der Kleinbauern und -bäuerinnen und Landlosen. Mit ihr sprach für »nd« David Rojas-Kienzle.

nd: Was sind die größten Probleme, die indigene Frauen in Chile haben?

Millaray Painemal: Es gibt viele! Zum Beispiel haben sie keinen Zugang zu Krediten. Im Normalfall haben nur Männer den Zugang dazu. Die wenigen Kreditangebote, die sich an Frauen richten, haben einen Haken: Mit ihnen sollen die Frauen dazu gebracht werden, zu Kleinunternehmerinnen zu werden. Das heißt, dass sie von der Subsistenzwirtschaft dazu übergehen sollen, sich mit ihren Waren dem Wettbewerb auf dem Markt zu stellen. Wenn sie scheitern, bleiben sie mit den Schulden zurück.

Außerdem haben Frauen auf dem Land eine große Arbeitsbelastung. Neben der Hausarbeit, der Arbeit im Gemüsegarten fällt immer noch die Erziehung der Kinder an. Oft müssen die Frauen auch für die Ausbildung ihrer Kinder bezahlen, weil Bildung in Chile privatisiert und sehr teuer ist.

Eine der aktuellen Kampagnen des Frauenverbandes Anamuri ist die sogenannte Saatgutkampagne. Was hat es damit auf sich?

Diese Kampagne wurde 2001 auf dem Weltsozialforum von Via Campesina gestartet. In dieser Kampagne werden verschiedene Themen verbunden: Das des Saatguts, weil es eine Gesetzesvorlage gibt, die die Privatisierung des Saatguts vorsieht, die Problematik des Wassers und die Landfrage - das ist alles miteinander verbunden.

Was wir machen, ist Saatgutaustausch zu organisieren, aber das Ganze verbinden wir mit politischen Forderungen: der Forderung nach Ernährungssouveränität, einer Agrarreform, den Forderungen der indigenen Völker nach Territorium.

Und das alles wird durch das geplante Gesetz der Privatisierung des Saatguts bedroht. Dadurch wird Saatgut Eigentum von Unternehmen: Jeder Samen hat einen Eigentümer. Wenn man also künftig Saatgut einsetzen will, muss man um Erlaubnis von einem großen Unternehmen bitten beziehungsweise teuer dafür bezahlen. Dagegen leisten wir Widerstand, weil ohne diesen wird das Gesetz verabschiedet werden. Das hätte enorme Konsequenzen für Bauern und vor allem indigene Frauen.

Und wie steht Anamuri zur Forderung der indigenen Mapuche nach Land?

Anamuri hat die Forderungen der Mapuche in der Vergangenheit über Erklärungen unterstützt. Ich bin der Ansicht, dass sich die Organisation klarer positionieren sollte, indem sie die Leute vor Ort besuchen und die Forderungen langfristig und nicht voneinander isoliert unterstützt. Kürzlich hat sich eine Menschenrechtskommission gegründet, die genau das macht: Sie dokumentiert die Fälle von Kriminalisierung und die Forderungen der Mapuche.

Werden andere Problem ähnlich bearbeitet?

Es gibt eine Kommission von Agrararbeiterinnen, die alle Fälle, in denen Frauen Pflanzenschutzmitteln ausgesetzt sind, dokumentieren. In Copiaipó beispielsweise sind zwei Frauen umgekommen, weil sie Ammoniak ausgesetzt waren.

Es gab bisher drei ethische Tribunale gegen Unternehmen, die Agrargüter exportieren. Auch Gerichtsverfahren wurden angestrengt. Aber diese dauern sehr lange und bis jetzt gab es noch keine Urteile gegen diese Unternehmen.

Welche Probleme haben Agrararbeiterinnen noch?

Sie arbeiten generell unter schlechten Bedingungen. Die Belastung durch Pflanzenschutzmittel ist riesig, weil sie ohne Schutzkleidung arbeiten. Manche Frauen haben deswegen Kinder mit Behinderungen bekommen. In manchen Fällen gibt es keine Sitzmöglichkeiten für die Arbeiterinnen und sie haben nicht einmal das Recht, sich in Gewerkschaften zusammenzuschließen.

Und der Staat befördert mit der Förderung der Agroexporte diese Situation. Deswegen versuchen wir hier in Europa, interkontinentale Bündnisse zu schließen.

Es gab aber auch Fortschritte. So haben Arbeiterinnen, die länger als drei Monate arbeiten, mittlerweile Zugang zur Gesundheitsversorgung.

Würden Sie Anamuri als feministisch bezeichnen?

Anamuri ist Teil des World March of Women, einem Netzwerk von Basisgruppen. Einige Organisationen, die in ihm vertreten sind, definieren sich feministisch. Nach außen hin also ja. Nach innen würde ich sagen, dass die Sache komplizierter ist. Innerhalb der indigenen Gemeinschaften bezeichnen sich Frauen nicht als feministisch, weil das für sie bedeutet, sich von den Männern zu trennen. Der Diskurs erscheint vielen zu aufgedrängt. Aber es gibt eine Debatte darüber. Wir werden darüber ein Treffen abhalten und darüber diskutieren, ob wir uns als feministisch bezeichnen und was das für uns bedeutet.

* Aus: neues deutschland, 16. April 2013


Baustopp in Pascua Lama

Gericht in Chile gibt Klage indigener Anwohner recht

Von Antje Krüger **


Der Spruch »Wasser ist mehr wert als Gold«, der seit Eröffnung des binationalen Bergbauprojekts Pascua Lama der Firma Barrick Gold auf der Grenze von Chile und Argentinien auf die möglichen Umweltfolgen des Tagebaus aufmerksam macht, hat jetzt rechtlichen Zuspruch erhalten. Indigene Anwohner vom Volk der Diaguita haben geklagt, dass die Arbeiten an der Mine zu hohen Anteilen von Arsen, Aluminium, Kupfer und Sulfaten im Fluss Estrecho führten, der inmitten der Atacamawüste Wasser für eine Oase spendet, an deren Quelle vor vier Jahren die Arbeiten an Pascua Lama begonnen hatten. Sprecher des kanadischen Bergbaukonzerns äußerten sich bislang nicht zu dem Urteil. Die Barrick Gold steht diversen Anklagen in Chile und Argentinien gegenüber. Erst kürzlich wurde sie mit einer Strafe von fast 200 000 Euro aufgrund fehlender Aufsicht im Wasser- und Gletscherschutz von der chilenischen Umweltbehörde Comisión de Evaluación Ambiental belangt.

Die Arbeiten am Projekt auf argentinischer Seite sollen derweil fortgesetzt werden. Umweltaktivisten hoffen, dass sich die argentinischen Gerichte an den chilenischen Kollegen ein Beispiel nehmen. Seit Mitte letzten Jahres steht eine öffentliche Anhörung vor dem Obersten Gericht Argentiniens aus. Für die Minen Pascua Lama sowie Veladero im Biosphärenreservat San Guillermo wurde die fehlende Zahlung einer obligatorischen Umweltversicherung eingeklagt. Der Kreis um Barrick Gold wird enger. Greenpeace sendet gerade einen TV-Spot, der zum Schutz des vom Aussterben bedrohten Puma aufruft, der im Gebiet von Veladero und somit auch von Pascua Lama in den Anden seine Heimat hat.

** Aus: neues deutschland, 16. April 2013


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