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"Schwarzer Tag für Chile"

Parlament schränkt Demonstrationsrecht ein. Proteste von Menschenrechtsorganisationen

Von Marinela Potor, Santiago de Chile *

Bereits zum zweiten Mal hat das chilenische Parlament am Mittwoch (Ortszeit) die endgültige Verabschiedung eines Gesetzes vertagt, durch das Demonstranten, die während einer Protestaktion »Unordnung« verursachen, mit Gefängnis bis zu 541 Tagen bestraft werden sollen. Mildere Sanktionen wie etwa Geldbußen sollen hingegen abgeschafft werden – zur größeren Abschreckung, wie die Regierung erklärte. Der nach Chiles Innenminister Rodrigo Hinzpeter benannte Gesetzentwurf sollte ursprünglich bereits am 4. Juli im Kongreß behandelt werden. Die Sitzung wurde jedoch um zwei Wochen verschoben, weil Abgeordnete der sozialdemokratischen Opposition einen eigenen Antrag einbringen wollten, während Parlamentarier der rechtskonservativen Partei Renovación Nacional Nachbesserungen forderten. Am Mittwoch wurde nun zwar ein Teil des Gesetzes verabschiedet, die endgültige Entscheidung soll jedoch erst am 1. August im Senat fallen. Es bestehen kaum Zweifel, daß das Gesetz dort mit der Mehrheit der Rechtsparteien verabschiedet werden wird.

Zu den bereits beschlossenen Teilen gehört ein Vermummungsverbot bei Demonstrationen. Das Kabinett von Staatschef Sebastián Piñera argumentiert, daß von den »Vermummten« gezielt Auseinandersetzungen mit der Polizei provoziert würden. Durch das Gesetz werde deshalb nicht die Demonstrationsfreiheit eingeschränkt, sondern es diene dem Schutz friedlicher Kundgebungsteilnehmer und Bürger. Kritiker weisen diese Darstellung zurück. »Es sind vielmehr Studenten, Bürgerrechtler, Umweltschützer oder auch die Frauenbewegungen, die unter dem Gesetz leiden. »Das ›Hinzpeter-Gesetz‹ hilft diesen Protestierenden nicht, es kriminalisiert sie«, sagte etwa Juan Pablo Paredes vom Studienzentrum Enzo Falleto der Universidad de Santiago. »Seitdem die Bürger verstärkt auf die Straße gehen, um für ihre Rechte zu kämpfen, fühlt sich die Regierung bedroht und versucht daher auf diesem Weg, die sozialen Bewegungen im Land zu schwächen.« Im Internetdienst Twitter werteten zahlreiche Nutzer die Entscheidung im Kongreß als einen »schwarzen Tag für Chile«.

Auch chilenische und internationale Menschenrechtsorganisationen attackieren das Gesetz scharf. Der Präsident von Amnesty International in Chile, Hernán Vergara, kritisierte etwa: »Der Entwurf sucht Wege, um soziale Proteste allgemein und ohne klare rechtliche Rahmenbedingungen zu bestrafen.« Damit verletze die Einschränkung des Demonstrationsrechts die chilenische Verfassung, kritisierte ai. Das Gesetz sei sehr schwammig formuliert, bemängelte auch Jean Pierre Matus, der an der Universidad de Chile Jura lehrt.

Im ursprünglichen Gesetzentwurf war sogar vorgesehen, daß die Polizei Film- und Fotoaufnahmen von Journalisten ohne Durchsuchungsbefehl beschlagnahmen dürfe. Dazu wäre ausreichend gewesen, daß die Beamten das Material für »relevant« halten würden. Nach heftigen Protesten des Verbandes der Auslandskorrespondenten Südamerikas wurde zumindest dieser Passus gestrichen.

* Aus: junge Welt, Freitag, 20. Juli 2012


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