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Opfer der Colonia warten auf Gerechtigkeit

Gerangel um Auslieferung des Sektenarztes Hopp

Von Harald Neuber *

Durch einen einstimmigen Beschluss hat der Oberste Gerichtshof Chiles den Antrag zur Auslieferung des verurteilten Straftäters Hartmut Hopp genehmigt. Hopp war Arzt in der Sektensiedlung Colonia Dignidad. Damit ist der Weg frei für ein offizielles Überstellungsgesuch der chilenischen Justiz an die deutschen Behörden.

Der Ball liegt bei Sebastián Piñera: Dem chilenischen Präsidenten liegt ein Auslieferungsantrag in Sachen Hartmut Hopp vor. Mit dem zweiten Gesuch binnen zwei Jahren will Chiles Staatsanwaltschaft Hopps habhaft werden, er war viele Jahre Arzt der Sektensiedlung Colonia Dignidad. Ein entsprechender Antrag des Obersten Gerichtshofs in Santiago wurde an Piñera überstellt.

Hopp wurde Ende Januar in Chile wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch Minderjähriger in 16 Fällen in Abwesenheit rechtskräftig zu fünf Jahren Haft verurteilt. Vollstreckt werden konnte das Urteil nicht. Hopp war mit Ehefrau bereits im Mai 2011 über mehrere südamerikanische Länder nach Deutschland geflohen. Die Bundesregierung lehnt nach Artikel 16 des Grundgesetzes die Auslieferung eigener Staatsbürger ab. Ausnahmen sind selten.

Die Colonia Dignidad war von dem evangelikalen Sektenführer Paul Schäfer 1961 gegründet worden. Schäfer schuf in Chile auf einem 30 000 Hektar großen Gelände eine abgeschottete Gemeinde, in der nach Zeugenaussagen über Jahrzehnte sexueller Missbrauch und Unterdrückung an der Tagesordnung waren. In den ersten Jahren der Militärdiktatur von General Augusto Pinochet (1973-1990) beherbergte die Colonia zudem ein Folterlager der berüchtigten Geheimpolizei DINA.

Die Schäfer-Clique unterhielt auch Kontakte zu deutschen Altnazis sowie zu bundesdeutschen Politikern und Geheimdienststellen. Hopp gilt als rechte Hand des 2010 verstorbenen Schäfer, Opfer des Sektenregimes erhoben mehrfach schwere Vorwürfe gegen ihn.

Offenbar ist den chilenischen Juristen klar, dass das neue Auslieferungsgesuch hohe Hürden zu überwinden hat. Vor allem, weil zwischen dem südamerikanischen Land und der Bundesrepublik kein Auslieferungsabkommen besteht. Der Antrag kann nur auf politischem Weg erfolgreich sein. Nach Jahren der Verschleppung auf beiden Seiten ist trotz vorgeblich positiver Signale aus Santiago und Berlin eine Einigung auf Regierungsebene unwahrscheinlich. Zwar verwies der Völkerrechtler Claudio Troncoso von der Universität Chile auf »vergleichbare Verhandlungen zwischen beiden Staaten«. Allerdings verschwieg der Jurist, dass es sich dabei eher um Negativbeispiele handelt. So wehrte sich das Pinochet-Regime Mitte der 80er vehement gegen die Auslieferung des Nazikriegsverbrechers Walter Rauff an die damalige Bundesrepublik.

Indes scheint es auch auf deutscher Seite einen Strategiewechsel gegeben zu haben. Bislang hatte der in Nordrhein-Westfalen zuständige Staatsanwalt Axel Stahl darauf gepocht, die rechtmäßige Verurteilung durch die chilenische Justiz in Deutschland zu vollstrecken. Dafür müssten die chilenischen Behörden aber einen entsprechenden Antrag stellen, was bisher nicht geschehen ist. Nun stellte Stahl im Interview mit dem »Tagesspiegel« nach Zeugenbefragungen ein eigenes Verfahren gegen Hopp in Deutschland in Aussicht. Chile hingegen beharrt trotz der hohen Hürden auf der Auslieferung, ohne direkt mit den deutschen Behörden zu verhandeln. Die Kommunikation läuft bislang über die Botschaften.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 3. August 2013


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