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Putschversuch gescheitert

Burundi: Aufständische Militärs geben auf. Staatschef Nkurunziza offenbar wieder in Hauptstadt Bujumbura *

In Burundi ist der Aufstand von Einheiten des Militärs gegen Staatschef Pierre Nkurunziza offenbar gescheitert. Der Präsident sei in die Hauptstadt des ostafrikanischen Landes zurückgekehrt, er befinde sich »an einem sehr sicheren Ort in Bujumbura«, verlautete am Freitag aus seinem Umfeld. »Er wird sich noch heute an die Nation wenden.«

Kurz zuvor hatten die Putschisten den Staatsstreich für gescheitert erklärt. »Wir haben uns dazu entschieden, uns zu ergeben«, sagte General Godefroid Niyombare der Nachrichtenagentur AFP in einem Telefonat. Der Sprecher der Putschisten, Venon Ndabaneze, und Niyombares Stellvertreter Cyrille Ndayirukiye wurden festgenommen. Der General selbst entzog sich nach Polizeiangaben einer Festnahme durch regierungstreue Sicherheitskräfte. »Aber wir wissen, wo er sich versteckt«, sagte ein ranghoher Polizist. Vermutlich halte er sich im Süden der Hauptstadt auf.

Der frühere Geheimdienstchef Niyombare hatte am Mittwoch die Absetzung Nkurunzizas verkündet. Vorausgegangen waren wochenlange Proteste gegen die Bewerbung des Präsidenten für eine dritte Amtszeit bei der im Juni bevorstehenden Präsidentschaftswahl. Zum Zeitpunkt des Putschversuchs befand sich der Präsident in Tansania zu politischen Gesprächen über die Krise in seinem Land.

Am Donnerstag abend verkündete das Präsidentenamt die Rückkehr Nkurunzizas nach Burundi. Niyombares Stellvertreter Cyrille Ndayirukiye räumte daraufhin ein, »dass unsere Bewegung gescheitert ist«. Die Putschisten seien auf eine »überwältigende Entschlossenheit zur Unterstützung des herrschenden Systems« gestoßen.

* Aus: junge Welt, Freitag, 15. Mai 2015


Chaos nach Putschversuch

Burundi: Aufständisches Militär erklärt Präsident Nkurunziza für abgesetzt

Von Jörg Tiedjen **


Der burundische Präsident Pierre Nkurunziza war am Mittwoch ins tansanische Daressalam gereist, um an einem Gipfeltreffen der Ostafrikanischen Gemeinschaft teilzunehmen. Auf ihm sollte über eine Lösung der Krise in seinem Land beraten werden. Die Konferenz hatte noch nicht begonnen, da traf aus Burundis Hauptstadt Bujumbura die Nachricht von einem Putsch ein. Radio France International (RFI) berichtete, Generalmajor Godefroid Niyombaré habe die Regierung des Zehn-Millionen-Einwohner-Landes im Namen eines »Komitees zur Wiederherstellung der nationalen Einheit« für abgesetzt erklärt. Im Rundfunk sprach er vom »Zynismus« Nkurunzizas, der sich bei den für Juni vorgesehenen Präsidentschaftswahlen entgegen der Verfassung für eine dritte Amtszeit bewirbt. Seit der Bekanntgabe der Kandidatur Ende April seien Demonstrationen brutal unterdrücken worden; 20 Menschen starben. Das Präsidialamt dementierte umgehend die Nachricht vom Gelingen des Staatsstreichs.

Es scheint den Putschisten nicht gelungen, das gesamte Militär auf ihre Seite zu bringen. Ebenso wie die Polizei, von der es heißt, dass sie mit Anhängern Nkurunzizas durchsetzt ist. Allerdings soll sie nicht eingegriffen haben, als nach der Ankündigung Niyombarés Menschen auf den Straßen Bujumbaras den Umsturz feierten. Niyombaré war Generalstabschef der burundischen Armee, Chef des Geheimdiensts und Berater des Präsidenten, bis er im Februar abgesetzt wurde. Im Unterschied zur Polizei gilt das Militär in Burundi allgemein als angesehene Institution.

Am Donnerstag wurden heftige Kämpfe um die Rundfunksender in der Hauptstadt gemeldet. Eine private Station sei in der Nacht zerstört worden. Offensichtlich sind am Mittwoch angekündigte Verhandlungen zwischen den verschiedenen Armeefraktionen gescheitert. Erstmals äußerte sich am Donnerstag morgen der oberste Armeechef, General Prime Niyongabo, zu den Geschehnissen. Er sprach davon, dass die Putschisten »aufgehalten« werden konnten. Ein Sprecher der Putschisten widerrief seine Angaben prompt und betonte, die Hauptstadt sei unter Kontrolle der Aufständischen. Unklar ist, wie sich die Milizen von Nkurunzizas Regierungspartei verhalten.

Nkurunziza soll RFI zufolge nach der Putschmeldung Daressalam eilig verlassen und den Rückflug angetreten haben. Allerdings hatte Niyombaré im Radio die Bevölkerung aufgefordert, den internationalen Flughafen von Bujumbura zu blockieren, so dass Nkurunzizas Flugzeug nicht landen konnte. So musste er nach Tansania zurückkehren, von wo aus er die Putschisten zur Aufgabe aufforderte.

Der UN-Sicherheitsrat traf am Donnerstag zu einer Krisensitzung zusammen. Mahnend in Erinnerung steht der 6. April 1994, als das Flugzeug mit den Präsidenten Ruandas und Burundis abgeschossen wurde. Beide kamen von einem Gipfeltreffen im tansanischen Arusha, das die damaligen Bürgerkriege in den beiden Ländern beenden sollte. Gleichzeitig putschten in Ruanda Hutu-Extremisten – der Völkermord begann. Auch in Burundi fanden in den darauffolgenden Jahren Hunderttausende im Bürgerkrieg den Tod.

** Aus: junge Welt, Freitag, 15. Mai 2015


Putschversuch in Burundi gescheitert. Drei Anführer der Revolte festgenommen

Präsident Pierre Nkurunziza soll angeblich auf dem Weg in die Hauptstadt Bujumbura sein/ Staatschef plant Rede an die Nation/ Massenflucht aus Burundi/ Opposition setzt Proteste fort ***

Bujumbura. Der Putschversuch im ostafrikanischen Burundi ist gescheitert: Die Anführer der Revolte gestanden am Freitag ihre Niederlage ein. »Wir haben uns dazu entschieden, uns zu ergeben«, sagte Putschgeneral Godefroid Niyombare der Nachrichtenagentur AFP in einem Telefonat. Dem früheren Geheimdienstchef gelang nach Polizeiangaben die Flucht, drei weitere Anführer der Putschisten wurden festgenommen. Der nach Burundi zurückgekehrte Staatschef Pierre Nkurunziza kündigte eine Rede an die Nation an.

Der Sprecher der Putschisten, Venon Ndabaneze, bestätigte einem AFP-Reporter per Telefon, dass der Umsturz gescheitert sei. »Wir haben unsere Waffen niedergelegt.« Er selbst, Niyombares Stellvertreter Cyrille Ndayirukiye und ein weiterer ranghoher Vertreter der Putschisten seien von regierungstreuen Soldaten festgenommen worden.

Putsch-Anführer Niyombare flüchtete. »General Niyombare ist entkommen, aber wir wissen, wo er sich versteckt«, sagte ein ranghoher Polizist. Vermutlich halte er sich im Süden der Hauptstadt auf. Die Fahndung sei im Gange. Den Festgenommenen solle der Prozess gemacht werden. »Wir werden sie nicht töten«, sagte der Polizist.

General Niyombare hatte den Präsidenten am Mittwoch für abgesetzt erklärt, als dieser sich gerade in Tansania zu politischen Gesprächen über die Krise in seinem Land aufhielt. Vorausgegangen waren wochenlange Proteste gegen die Bewerbung des Präsidenten um eine dritte Amtszeit, die nach Ansicht seiner Gegner gegen die Verfassung verstößt. Am Donnerstag kam es zu schweren Gefechten zwischen Unterstützern des Putsches und regierungstreuen Soldaten.

Es zeichnete sich aber rasch ab, dass der umstrittene Staatschef den Machtkampf in dem verarmten Land für sich entschieden hat. Das Präsidentenamt erklärte noch am Donnerstag, Nkurunziza sei nach Burundi zurückgekehrt. Der Vize-Chef der Putischisten, Ndayirukiye, räumte daraufhin ein, »dass unsere Bewegung gescheitert ist«. Die Putschisten seien auf eine »überwältigende Entschlossenheit zur Unterstützung des herrschenden Systems« gestoßen.

Der UN-Sicherheitsrat verurteilte am Donnerstag den Putschversuch und forderte eine rasche Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit in dem ostafrikanischen Staat sowie die Abhaltung »glaubwürdiger Wahlen«. Die US-Regierung erklärte, sie erkenne den Präsidenten Nkurunziza weiterhin als legitimen Staatschef Burundis an.

Aus dem Umfeld des Präsidenten hieß es am Freitag, Nkurunziza sei am Vortag in Ngozi eingetroffen. Die Heimatstadt des Präsidenten liegt etwa 140 Kilometer nordöstlich von Bujumbura. Nkurunziza werde sich noch am Freitag in einer im staatlichen Fernsehen und Radio übertragen Rede an die Nation wenden, sagte einer seiner Vertrauten. Der Staatsrundfunk berichtete, der Präsident sei bereits auf dem Weg in die Hauptstadt Bujumbura.

Die Kandidatur Nkurunzizas für eine dritte Amtszeit hatte in den vergangenen Wochen zu erbitterten Protesten der Opposition geführt. Mindestens 25 Menschen wurden seit Ende April bei gewaltsamen Auseinandersetzungen getötet. Die Unruhen führten auch zu einer Massenflucht aus dem ostafrikanischen Krisenstaat, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) mitteilte. Mehr als 105.000 Burundier hätten Zuflucht in den Nachbarländern gesucht. In dem kleinen tansanischen Ort Kagunga lebten derzeit 50.000 Flüchtlinge unter äußerst prekären Lebensbedingungen. Dort herrsche ein Mangel an Trinkwasser, sanitären Anlagen und Unterkünften. Zudem gebe es keine ausreichende Gesundheitsversorgung.

Die Gegner des Staatschefs setzten am Freitag ihre Proteste fort. Ein AFP-Reporter beobachtete, wie sie brennende Barrikaden errichteten; Polizeikräfte waren im Einsatz, um die Proteste zu unterdrücken.

*** Aus: neues deutschland, Freitag (online), 15. Mai 2015


Burundi in Turbulenzen: Lage nach Putsch unklar

Plan des Präsidenten für eine dritte Amtszeit trifft nun auch auf den Widerstand des Militärs

Von Anne Gonschorek, Kapstadt ****


Präsident Pierre Nkurunziza sitzt in Tansania fest. Nachdem er zu einem Gipfel mit der Afrikanischen Union geflogen war, muss er nun zusehen, wie ihn Generalleutnant Niyombare zu stürzen versucht.

Der Geruch von Tränengas lag noch immer in der Luft, als die Menschen am Mittwochabend in Bujumbura auf die Straßen strömten und - etwas voreilig - ihren Sieg feierten. »Keine dritte Amtszeit, keine dritte Amtszeit!«, hörte man die Burundier rufen, die wochenlang gegen ihren Präsidenten demonstriert hatten. Doch in der Nacht lieferten sich gegnerische Soldaten heftige Schusswechsel, um die Kontrolle über die Staatsmedien und Schlüsselpositionen der Hauptstadt zu übernehmen.

Burundis Aufruhr hatte am 26. April begonnen, nachdem Präsident Nkurunziza seine Absicht erklärt hatte, die Verfassung zu ignorieren und sich im Juni für eine dritte Amtszeit aufstellen zu lassen. Aufrufe, die Wahl zu verschieben, wies er vehement von sich. Der ehemalige Rebellenführer gibt an, sein Streben sei legitim, weil er 2005 vom Parlament ernannt, nicht aber vom Volk gewählt worden war und die erste Amtszeit damit nicht zähle. Diese Interpretation wurde vom Verfassungsgericht unterstützt, löste allerdings internationale Kritik und Massendemonstrationen aus.

Am Mittwoch erklärte Generalleutnant Godefroid Niyombare dann, dass die Regierung gestürzt worden sei. Der ehemalige enge Vertraute Nkurunzizas, den dieser allerdings vor drei Monaten von seinem Posten als Geheimdienstchef entlassen hatte, erklärte: »Die Massen lehnen Präsident Nkurunzizas dritte Amtszeit energisch und beharrlich ab. Präsident Pierre Nkurunziza wurde von seinen Pflichten abgelöst. Die Regierung ist gestürzt.« Der Offizier erläuterte, dass er zusammen mit Bürgergruppen, religiösen Anführern und Politikern daran arbeite, eine Übergangsregierung zu bilden.

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag lieferten sich dann allerdings seine Truppen heftige Schusswechsel mit den Putsch-Gegnern. Viele der zuvor noch zelebrierenden Burundier trieb es deshalb zurück in ihre Häuser. Ihr demokratischer Kampf wurde nach Verhandlungen zwischen dem Stabschef der Armee, der hinter dem Präsidenten steht, und dem Verteidigungsminister, der für den Umsturz ist, von bewaffneten Soldaten übernommen.

Widersprüchliche Berichte von beiden Seiten machen es nahezu unmöglich, einen Überblick über die Situation zu erhalten. Die Präsidentschaft erklärte den Staatsstreich sofort für gescheitert und beharrt trotz der Ausschreitungen darauf, die Stadt noch immer unter Kontrolle zu haben. »Wir erfuhren mit Bedauern, dass eine Gruppe der Streitkräfte meuterte und einen imaginären Coup erklärte«, hieß es in einer Stellungnahme. Die Anführer des Putsches behaupten, die gesamte Hauptstadt unter Kontrolle zu haben.

Auch Nkurunzizas Versuch, vom Gipfel der Afrikanischen Union in Tansania zurückzukehren, wurde von seinen Gegnern vereitelt. Sein Flugzeug musste Berichten zufolge nach zehn Minuten wieder umkehren, weil eine sichere Landung in Burundi nicht möglich war. General Niyombare hatte die Schließung des Flughafens und aller Grenzen befohlen.

**** Aus: neues deutschland, Freitag, 15. Mai 2015


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